5. Juli 2015 | Kühlungsborn, Seebrücke

Schutzwall gegen die namenlose Angst

05. Juli 2015 von Andreas von Maltzahn

5. Sonntag nach Trinitatis, Predigt beim Seebrückengottesdienst unter dem Motto „Stürme bestehen“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

Liebe Gemeinde,

Stürme zu bestehen, gehört zu den Herausforderungen unseres Lebens. Nicht immer ist das so dramatisch wie vor einigen Wochen in Bützow. Ein Tornado, wie wir ihn bislang nur aus den USA kannten, zog eine Spur der Verwüstung durch die Bützower Innenstadt. Wie durch ein Wunder kam niemand ums Leben. Und doch sitzt die Erschütterung tief: Nichts scheint mehr verlässlich. Die Menschen in Bützow haben erfahren, wie zerbrechlich das Leben ist. Manch einer fühlt sich entwurzelt. Es braucht Zeit, neuen Halt zu finden.

Doch die Stürme unseres Lebens beschränken sich ja nicht auf Naturereignisse: Denken wir nur einmal an Familien, deren Kinder so richtig pubertieren! Das können stürmische Zeiten sein – nicht nur für die Eltern, auch für die Heranwachsenden selbst: Wenn die Hormone verrücktspielen und man sich alles andere als sicher ist in der neuen Haut, wenn man seine ‚Erzeuger' auf den Mond schießen könnte, weil sie einen überhaupt nicht verstehen – wo man sich selbst kaum versteht; wenn alles so voller Verheißung ist – und unmittelbar daneben Abgründe, und die Gefühle fahren Achterbahn. . . Halleluja, wenn diese Zeit überstanden ist!

Für andere bricht ein Sturm der Gefühle los, wenn sie die Nachricht von einer ernsthaften Erkrankung erhalten: Plötzlich ist nichts mehr, wie es einmal war. Das Leben – radikal in Frage gestellt! Wogen der Angst brechen über einen herein. Eine Welle nach der anderen. . . Was, wenn sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigen? Hoffnung ist da gefragt – eine Hoffnung, die standhält gegen die Angst.

Manchmal sind auch Stürme zu bestehen, die eher gesellschaftlicher Natur sind: Wenn der Frieden nicht mehr so selbstverständlich ist, weil Terroristen Panik stiften wollen, wenn der Ausgang eines Referendums wie heute in Griechenland Auswirkungen haben kann, die auch die Fachleute nicht wirklich zu übersehen scheinen – das kann beunruhigen und ängstigen. Da wünscht man sich ein Wunder. Da wünscht man sich, dass einer aufsteht und die Dinge regelt, so dass alle in Ruhe und Frieden leben können und ihr Auskommen haben.
Allerdings: So einfach ist das mit Wundern nicht. Auch nicht im Glauben.

Eine schwierige Überfahrt hatten auch die Freunde von Jesus zu bestehen. Sie fuhren hinaus auf den See. Aber dann türmten sich Schwierigkeiten auf. Ihr Boot wurde instabil. Kein rettendes Ufer in Sicht. Angst machte sich breit. Kein Gedanke mehr an die Verheißungen, von denen Jesus gesprochen hatte. Nur noch namenlose Angst.

Worin liegt der Schlüssel gegen Verunsicherung und Angst?

Die Bibel sagt: "Im Vertrauen." Als Jesus die Wogen der Angst geglättet hat, fragt er in die Stille nach dem Sturm hinein: "Was sei ihr so furchtsam? Habt ihr noch kein Vertrauen?"

Worin kann sich unser Vertrauen gründen?

Es macht einen entscheidenden Unterschied,  wenn ich darauf vertrauen kann: ,Was auch geschieht – Gott ist mit dabei. Was auch geschieht – ich bin nicht allein. Ich werde nicht herausfallen aus der Liebe Gottes – was auch geschieht. Die Taufe ist ein Zeichen dafür.'

Probleme werden uns nicht erspart. Schwierigkeiten zu bestehen, gehört zum Leben. Aber mit Gott an unserer Seite sind wir ihnen nicht hilflos ausgeliefert. Er ist der Urgrund allen Vertrauens. Wie sollen wir Gott beschreiben?

Er ist der Mut zu einem Leben, das wirklich den Einsatz lohnt.

Er ist die Sehnsucht Deiner Seele, wenn sie frei zu atmen beginnt.

Er ist die leise Stimme, die Dir sagt, dass Du kostbar bist –

          zu kostbar auch, um Dich mit billigem Lebensersatz zufriedenzugeben.

Er ist die Kraft, die nicht aus Dir selber kommt und die Dir doch zur Verfügung

         steht, wenn es ums Ganze geht.

Er ist die Hoffnung, die nicht totzukriegen ist.

Er ist der Friede nach dem großen Sturm.

Und das unerhört Spannende ist – Gott will entdeckt werden von uns, vielleicht gerade wie Liebende sich wünschen, behutsam entdeckt und wirklich verstanden zu werden.

In Jesus, dem Christus, ist viel von ihm zu erkennen. In den Stürmen des Lebens ist er wie ein Anker, der Halt gibt.

Den Menschen in Bützow hat die Hilfsbereitschaft und Solidarität gutgetan, die viele nach dem Tornado geübt haben. Vielen von ihnen hat es offensichtlich auch gutgetan, in die Kirche zu kommen, sich zu besinnen auf das, worauf es ankommt. Vor allem aber hat es auch gutgetan, teilzuhaben an einer Hoffnung, die größer ist als wir selbst. Und als wir nach dem Gottesdienst einen großen Baum vor der Kirche pflanzten, war da trotz aller Erschütterungen Zuversicht in vielen Gesichtern.

Wenn Eltern sich um ihre Kinder sorgen, weil sie ihnen zu entgleiten drohen, kann es so wichtig sein, diese Kinder Gott anzuvertrauen. Es kann so entlastend sein, darauf zu vertrauen: ‚Ich muss nicht alle Gefährdung von meinem Kind abwenden. Gott ist auch noch da. Es wird meinem Kind beistehen, seinen Weg zu finden.'

Auch in Krankheit und gesellschaftlichen Unsicherheiten können wir uns bergen im Vertrauen zu Gott. Die Probleme sind damit nicht einfach fort. Aber das Vertrauen zu Gott ist wie ein Schutzwall gegen die namenlose Angst, die so lähmend sein kann. ‚Was auch geschieht – Gott ist mit dabei. Was auch geschieht – ich werde nicht herausfallen aus der Liebe Gottes.'  Aus diesem Vertrauen heraus erwächst neuer Mut – standzuhalten und zu bestehen, womöglich zu tun, was notwendig ist. Das Vertrauen zu Gott ist der Schlüssel. Im Vertrauen auf Gott können wir die Stürme unseres Lebens meistern.

Ist das der ganze Sinn der Geschichte von der Stilllung des Sturmes? Martin Luther erschließt uns noch einen anderen Teil der Wahrheit, indem er schreibt:

"Nicht obwohl Jesus im Schiff ist, geht es dennoch in den Sturm. . . es gilt sogar: weil Christus im Schiff ist, geht es in den Sturm! Diese Historie lasst uns ja wohl merken und ein Sprichwort daraus machen, dass wir sagen: So geht's, kommt Christus in das Schiff, so wird’s nicht lange still bleiben. Es wird ein Wetter und Ungestüm kommen."

Der Glaube trägt nicht nur zu Beruhigung in stürmischen Zeiten bei. Manchmal bringt er notwendige Beunruhigung mit sich: Wenn eine Gesellschaft sich eingerichtet hat in einem faulen Frieden; wenn eine Gesellschaft  klammheimlich bejaht, dass sie auf Kosten anderer lebt; wenn eine Gesellschaft sich abschotten will gegen jene, die in Not sind – dann geht es mit Christus in die Auseinandersetzung! Dann lässt er nicht locker und will, dass wir uns mitmenschlich zeigen. Dann hofft er darauf, dass wir eintreten für Gerechtigkeit. Dann setzt sich Jesus z. B. mit den Flüchtlingen gleich, indem er sagt:  

"Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. . . Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan." (Mt 25, 35c.40b)

Zugegeben, es ist nicht immer bequem, dass Christus uns nicht aus unserer Verantwortung entlässt. Doch gerade das macht unser Leben wesentlich. Zu Freiheit und Verantwortung hat Gott uns begabt. Er ist an unserer Seite, damit nicht alles beim Alten bleibt. Er ist an unserer Seite – was auch geschieht.

Amen.

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