Solidarität nach antisemitischem Anschlag in Hamburg
06. Oktober 2020
Ein Jahr nach dem Anschlag in Halle wurde in Hamburg ein jüdischer Student vor der Synagoge niedergeschlagen. Die Forderungen am Tag danach ähneln sich: Mehr Schutz für jüdische Einrichtungen und mehr Engagement gegen Antisemitismus.
Vertreter aus Kirchen, Politik und Judentum haben mit Trauer und Bestürzung auf den Anschlag vor der Synagoge in Hamburg-Eimsbüttel reagiert. Ein 26-jähriger jüdischer Student wurde hier am Sonntag mit einem Klappspaten angegriffen und schwer verletzt.
"Zusammenstehen gegen Antisemitismus"
Kristina Kühnbaum-Schmidt, Landesbischöfin der Nordkirche, twitterte: "Wir müssen immer wieder zusammenstehen gegen Antisemitismus - damit Jüdinnen und Juden in Sicherheit leben können." Auch das Interreligiöse Forum Hamburg äußerte sich bestürzt. "In Gedanken und Gebeten sind wir bei unseren jüdischen Geschwistern", sagte Hamburgs evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs, Vorsitzende des Forums. "Wir stehen zusammen gegen Antisemitismus und jede Form von Hassverbrechen."
"Der brutale Angriff gegen einen Juden erschüttert die Jüdische Gemeinde und die Menschen unserer Stadt. Sie entsetzt auch evangelische Christinnen und Christen in und um Hamburg“, sagte auch Hauptpastor und Propst Dr. Martin Vetter, zuständig für die Propstei Alster-West und damit für den Ortsteil Eimsbüttel. Er sprach Herrn Rabbiner Shlomo Bistritzky und den Mitgliedern der Synagogengemeinde sein tiefes Mitgefühl aus.
"Wir möchten jetzt keine Solidarität, wir wollen Taten!"
Hamburg stehe fest an der Seite der jüdischen Mitbürger, twitterte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Montag. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sprach von einem "widerlichen Antisemitismus". Es handele sich hier nicht um einen Einzelfall. Hamburgs Landesrabbiner Shlomo Bistritzky forderte: "Wir möchten jetzt keine Solidarität, wir wollen Taten!".
Das Hamburger Landeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft werten den Angriff als versuchten Mord mit antisemitischem Hintergrund. Der Staatsschutz habe daher die Ermittlungen an sich gezogen, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. In der Hosentasche des 29-jährigen mutmaßlichen Täters sei ein Zettel mit einem handschriftlich gemalten Hakenkreuz gefunden worden.
Der psychisch verwirrte Mann sei bislang polizeilich nicht in Erscheinung getreten, hieß es. Die Polizei gehe von einem Einzeltäter aus. Der Deutsche mit kasachischen Wurzeln wurde unmittelbar nach der Tat festgenommen. Nach Polizeiangaben wurden bei ihm Personalpapiere mit einer Anschrift in Berlin gefunden. Die Überprüfung habe jedoch ergeben, dass er dort seit 2019 nicht mehr wohnt. Ermittelt wurde eine Wohnung in Hamburg-Langenhorn, in der er sich unangemeldet aufhielt. Sie wurde noch in der Nacht durchsucht. Dabei wurden Datenträger sichergestellt, deren Auswertung andauert.
Der jüdische Student konnte sich nach dem Angriff in Sicherheit bringen und wurde mit Kopfverletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert. Nach Presseberichten erlitt er einen Schädelbruch. Akute Lebensgefahr bestehe jedoch nicht.
Zentralrat der Juden fordert verbesserte Sicherheitsmaßnahmen
Der Zentralrat der Juden forderte verbesserte Sicherheitsmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen. Präsident Josef Schuster schlug zudem vor, dass Hamburg einen Antisemitismusbeauftragten benennen solle. "Wir erwarten von der gesamten Gesellschaft, dem Hass gegen Juden entschieden entgegenzutreten." Jüdisches Leben müsse in Deutschland uneingeschränkt möglich sein. Die frühere Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch machte die AfD für die Gewalttat mitverantwortlich.
Nach den Worten von Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, zeigt die Tat einmal mehr, wie notwendig Maßnahmen zum Schutz jüdischer Einrichtungen sind, sagte er dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland". Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) verurteilte den Angriff scharf. "Wir müssen uns der Hetze noch entschiedener entgegenstellen und stärker für die Betroffenen von Hass und Gewalt da sein", sagte sie in Berlin.