12. November 2016 | Kopenhagen

Sozial im Wirtschaften - Lutherrose für Jensen

12. November 2016 von Gerhard Ulrich

Festakt zur Verleihung der Lutherrose an Niels Due Jensen, Schlussworte

Sehr geehrte Damen und Herren,

einen weiten Bogen haben wir heute gezeichnet und uns vor Augen geführt: Martin Luther – Marx – die Folgen. Und dann hin zu der Verleihung der Lutherrose an einen herausragenden Unternehmer und Christenmenschen – weit über Dänemark hinaus bekannt und geschätzt.

Niels Due Jensen – wir haben es gehört – ist weit entfernt davon, etwa ein Vertreter eines Staatskapitalismus zu sein. Er ist kein Revolutionär. Er ist einer, dem das Wohl seines Unternehmens am Herzen liegt. Und genau da hakt die Begründung der Jury ein: Indem ihm sein Unternehmen am Herzen liegt, nimmt er die Verantwortung über das Unternehmen hinaus wahr! Die Freiheit des Unternehmers führt in die Verantwortung für das Ganze der Gesellschaft – wie die Freiheit eines Christenmenschen nicht ist ohne die Bindung an Gottes Wort und nicht zu leben ist ohne die Verantwortung für den Nächsten in der Welt!

Die sogenannte Zweireichelehre der Reformation trennt nicht die beiden Reiche, sie unterscheidet sie! Für Martin Luther ist klar: es gibt keinen Bereich des Lebens, der nicht unter dem Regiment Gottes steht.

Niels Due Jensen ist ein Unternehmer, der tief in den christlichen Werten verankert ist, das ist seine Kraftquelle.

Martin Luthers Schriften sind eine Fundgrube auch für wirtschaftsethische Fragen. Auch in dieser Hinsicht hat Martin Luther Stellung bezogen – und zwar in gewohnt klarer und zum Teil drastischer Sprache:

„Hier müßte man wahrlich auch den Fuggern und dergleichen gesellschaften einen Zaum ins Maul legen. Wie ist's möglich, daß es göttlich und recht zugehen sollte, daß in einem Menschenleben so große, königliche Güter auf einen Haufen gebracht werden könnten? …“ So schreibt er 1520 in seiner Schrift an den deutschen Adel. Seine Kritik zielt auf die süd- und mitteldeutsche Zeit der europäischen Wirtschaft, als die großen oberdeutschen Handelshäuser den Ton angaben. „Das größte und berühmteste unter ihnen, das Familienunternehmen Fugger, tätigte unter seinem Oberhaupt Jakob dem Reichen im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts seine Geschäfte europaweit und in enger Verbindung mit den Herrschern der Zeit, den Päpsten ebenso wie den Kaisern. Auf vier Pfeilern ruhten die Handelshäuser nach der Art der Fugger – auf Fernhandel, Bergbau in den Alpen und Karpaten, Bankgeschäften größten Stils und dem Verlag, also der dezentralen Organisation gewerblicher Massenproduktion, meist Textilien.“

(Heinz Schilling (2012) · Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs, München 2012, S. 42 f.)

Vor allem das Kreditwesen ist Luther ein Dorn im Auge. „Aber das größte Unglück für die deutsche Nation ist gewiß das Kreditwesen. ...Es besteht nicht viel länger als 100 Jahre und hat schon fast alle Fürsten, Stifte, Städte, Adel und Erben in Armut, Jammer und Verderben gebracht. Würde es noch hundert Jahre bestehen, so wäre es nicht möglich, daß Deutschland einen Pfennig behielte; wir müßten uns gewiß untereinander fressen. Der Teufel hat es erdacht…“

Die Kritik Martin Luthers richtet sich nicht nur gegen Unternehmer seiner Zeit; sie schließt auch den Adel, seine Kirche, weltliche und geistliche Macht ein. Seine Kritik äußert er, der ansonsten nicht zuerst bekannt dafür ist, die Obrigkeit nicht zu ehren! Also: Ist so einer, weil er so redet, ein Sozialist?

Unsere Kategorien, besser: unsere Schubladen, die wir heute gern aufziehen, um Zeitgenossen darin verschwinden zu lassen, greifen bei einem Mann wie Martin Luther nicht. Das hat der Festvortrag von Margarete Vestager heute gut herausgestrichen. Martin Luther ist aber auch kein Wegbereiter des Kapitalismus. Er ist schlicht ein aus der Bibel, aus der Mitte der Schrift lebender und denkender Mann. Und, so revolutionär sein Reden auch klingen mag: er ist eher konservativ.

Martin Luther ist kein Gegner eines Wirtschaftens insgesamt. Luthers wirtschaftsethische Äußerungen kann man nicht von ihrem zeitgeschichtlichen Hintergrund trennen. Das verbietet eine direkte Übertragung in unsere Zeit. Doch seine dahinterstehende ethische Grundausrichtung ist relevant. Als biblischer Theologe ist er von der „Option für die Armen“ geprägt, die Grundkonstante ist der biblischen Überlieferung. Das ist eine für die heutige globalisierte Wirtschaft relevante sozialethische Leitplanke, die wir für unsere Verhältnisse konkretisieren müssen.

Für Luther ist klar: alles, was wir tun, muss dem Menschen dienen, muss sich daran messen lassen, ob es Christum treibet. „Die Kaufleute sollten nicht sagen: Ich darf meine Ware so teuer verkaufen, wie ich kann oder will, sondern so: Ich kann meine Ware so teuer verkaufen, wie ich darf oder wie es recht und angemessen ist. Denn dein Verkaufen soll nicht ein Werk sein, dass frei in deiner Macht und deinem Willen steht ohne alles Gesetz und Maß, als wärest du ein Gott, der niemandem verbunden wäre. Sondern weil dein Verkaufen ein Werk ist, das du gegen deinen Nächsten übst, soll es mit solchem Gesetz und Gewissen verfasset sein, dass du es übst ohne Schaden und Nachteil deines Nächsten. Und du sollst viel mehr darauf achten, dass du ihn nicht schädigst, als darauf, wie du Gewinn machst. Ja, wo sind solche Kaufleute? Es gäbe sicher weniger Kaufleute und der Kaufhandel würde abnehmen, wenn sie ihr böses Recht verbessern und auf christliche, angemessene Weise arbeiten würden.“ (Vom Kaufhandel und Wucher, 1524).

Das Doppelgebot der Liebe: Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst, gilt auch für unser Wirtschaften. Die „wertlosen Werte“ wie Barmherzigkeit, Solidarität, Teilhabe und Gerechtigkeit sind auch im sogenannten „freien Markt“ nicht suspendiert, sondern müssen leitend sein. Luther kannte noch nicht die Idee einer „sozialen Marktwirtschaft“; aber seine Einlassungen zum gerechten Wirtschaften können als Grundlage der modernen sozialen Marktwirtschaft gelten.

Luther ergreift eindeutig Partei für die Schwachen, die Armen. In unserer heutigen globalisierten Weltwirtschaft heißt das, Verantwortung zu übernehmen für Gerechtigkeit, gerechte Verteilung und Teilhabe an den Reichtümern dieser Erde und gegen Ausbeutung und Raubtierkapitalismus. Kurz: für eine andere Globalisierung, die auch jene beachtet, die am Rande sind, die Opfer eines ungebremsten Kapitalismus sind. Glaubt man denen, die sich nach der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA geäußert haben, dann ist das ein Signal, das von dieser Wahl ausgeht: ihr habt diejenigen vergessen, die sich abgehängt fühlen, die nicht teilhaben an wachsendem Reichtum!

Menschen wie Niels Due Jensen sind darin Vorbild, dass sie den Blick nicht nur auf sich selbst richten, sondern auf die Menschen nah und fern. Die wissen: wir leben auch in unserem Wirtschaften von Voraussetzungen, die wir nicht selber uns bereiten können: Leben ist Geschenk und Gnade. Die Fülle, aus der wir schöpfen, ist uns anvertraut. Und die wissen: es geht nicht um Sozialismus oder Sozialromantik. Es geht um den Menschen, um jeden einzelnen Menschen in seiner unantastbaren Würde. Die freien Kräfte des Marktes sind nur so frei, wie sie sich binden an die Werte, die wir für wahr erachten.

Es ist Niels Due Jensen und mit ihm allen Unternehmerinnen und Unternehmern zu danken, dass sie nachweisen, dass das Soziale im Wirtschaften nicht in den Ruin treibt, sondern Grundlage für Wachstum und Nachhaltigkeit ist.

Die Reformation ist zwar vor fast 500 Jahren von Wittenberg in Sachsen-Anhalt ausgegangen. Sie hat aber – weit über das sogenannte Kernland hinaus – gerade hier im Norden, in Skandinavien und nicht zuletzt in Dänemark mit ihren stärksten und konsequentesten Spuren hinterlassen. Die Gesellschaften sind nachhaltig geprägt von der Mitte des Evangeliums. Es ist wunderbar, dass wir mit dem diesjährigen Preisträger einen vorbildlichen Unternehmer unter uns haben, der der Erkenntnis, dass Reformation ein nie abgeschlossener Prozess ist, Gestalt gibt und Reformation lebt.

Gott segne uns dieses Beisammensein.

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