„Tu deinen Mund auf für die Anderen“
13. März 2020
„Tu deinen Mund auf für die Anderen“ – das war das Motto der zentralen Landesveranstaltung der „Woche der Brüderlichkeit 2020“ für Mecklenburg-Vorpommern, wo auch Bischof Tilman Jeremias sprach.
Der Bischof aus dem Sprengel Mecklenburg und Pommern ging in seinem Vortrag in Greifswald aus von der biblischen Schöpfungsgeschichte. „Gemäß der Schöpfungsgeschichte sind wir das Ebenbild Gottes“, sagt er. „Daraus erwächst jedem einzelnen Menschen eine unverlierbare Würde“, sagte Jeremias.
Bischof Jeremias: "Kein Mensch kann ohne andere Menschen sein"
Gleichzeitig sei der Mensch von vornherein in ein Beziehungsgeflecht eingebunden: „Er ist ein Gegenüber zu seinen Mitgeschöpfen, zur Natur und zu Gott. Kein Mensch kann ohne andere Menschen sein, wir alle sind angewiesen auf andere.“ Wie lebensfeindlich es sei, unabhängig von anderen Menschen und Gott leben zu wollen, zeigten die folgenden Geschichten der Bibel wie die vom Brudermord des Kain oder die Sintfluterzählung.
"Antisemitismus ist ein fundamentaler Angriff auf die Menschenwürde"
Der Bischof folgerte: „Weltanschauungen, die dieses Beziehungsgeflecht in Frage stellen, indem sie Unterschiede machen aufgrund von angeblichen Rassen, von Religion oder Nationalität, attackieren das biblische Menschenbild.“ Antisemitismus richte sich nicht nur gegen ein Volk, sondern sei ein fundamentaler Angriff auf die Menschenwürde. Bischof Jeremias: „Deshalb müssen wir unseren Mund auftun für die Anderen.“
Seit 1952 findet jährlich die Woche der Brüderlichkeit statt
Initiator der Veranstaltung war die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Mecklenburg-Vorpommern in Kooperation mit dem Arbeitskreis Kirche und Judentum des Pommerschen Evangelischen Kirchenkreises (PEK). Seit 1952 findet jedes Jahr bundesweit im März die „Woche der Brüderlichkeit“ statt. An der Veranstaltung im Regionalzentrum Kirchlicher Dienste in Greifswald nahmen auch Landesrabbiner Yuriy Kadnykov, Maria Schümann, seit 2014 Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in MV, sowie der Beauftragte für jüdisches Leben in Mecklenburg-Vorpommern und gegen Antisemitismus, Dr. Hansjörg Schmutzler, teil.

Ehricht: "Die Erinnerungskultur stößt an ihre Grenzen"
Dass die Veranstaltung zur Woche der Brüderlichkeit in Vorpommern stattfinden konnte, hat Dr. Christoph Ehricht möglich gemacht, Vorsitzender des bereits seit 1978 bestehenden Arbeitskreises Kirche und Judentum des PEK. Er wies darauf hin, dass die bisherige Erinnerungskultur an ihre Grenzen stoße: „Wie kann es weitergehen, wenn es bald keine Zeitzeugen mehr geben wird?“, fragte er. Er sehe, dass der Ungeist des Antisemitismus mehr und mehr die Mitte der Gesellschaft erreiche.
Die Ritualisierung des Gedenkens mit Blick auf die Opfer kommt an ihre Grenzen. „Wir sollten den Blick nach vorn richten und den wichtigen Beitrag jüdischer Kultur und jüdischer Ethik für die großen Fragen unserer Zeit wie die Ausbeutung der Natur, Organspende oder Sterbehilfe in den Vordergrund rücken“, so Ehricht.