Weiter Streit um die Stralsunder Mehmel-Orgel
17. September 2017
In der Diskussion um die Restaurierung der Mehmel-Orgel in der Kulturkirche St. Jakobi in Stralsund ist weiter keine Einigung in Sicht. Daran änderte auch ein Diskussionsforum in der Kulturkirche wenig.
Es sei eine "ernüchternde Erkenntnis" gewesen, sagte Landeskirchenmusikdirektor Frank Dittmer. Aber die Orgel könne nicht in der Weise rekonstruiert werden, wie es über Jahre vorgesehen war. Und genau diese Erkenntnis ist es, die derzeit die Stralsunder Gemüter erhitzt. Einem ursprünglichen Gutachten der Orgelbaufirma Eule in Bautzen zufolge sollte das stark beschädigte und geplünderte Instrument komplett rekonstruiert werden.
Der Zustand der erhaltenen Orgel-Teile ist zu schlecht
Nun kam eine von der Stadt eingesetzte Orgelkommission unter Vorsitz von Dittmer zu dem Ergebnis, der Verlust an Originalteilen sei dafür zu groß. Zudem sei der Zustand vieler erhaltener Teile zu schlecht. Einst hatte die Orgel rund 4.000 Pfeifen, die 1877 in der Werkstatt des Stralsunder Orgelbauer Friedrich Albert Mehmel (1827-1888) fertiggestellt wurden. Doch davon sind heute nur noch rund 300 vorhanden. Die Orgel wurde im Verlauf ihrer Geschichte mehrfach umgebaut, Mehmel selbst hatte bei seinem Orgelbau auch zahlreiche Pfeifen der Vorgänger-Instrumente verwendet.
Die Kosten werden auf rund 2,25 Millionen Euro geschätzt
"Was entstand, war keine reine Mehmelorgel", verdeutlichte der Kantor der Stralsunder Marienkirche, Martin Rost, ebenfalls Mitglied der Kommission. Diese habe daher empfohlen, nur das barocke Orgelgehäuse von 1741 wiederherzustellen und ein neues Instrument im Stil des 18. Jahrhunderts einzubauen. Das Konzept sieht nun eine Restaurierung aller noch historisch erhaltenen Teile der Orgel bis zum Jahr 2020 vor. Die Kosten werden mit rund 2,25 Millionen Euro beziffert.
In das neue Orgelwerk werden die Pedal-Windladen von 1741 eingebaut und etwa 50 restaurierte, große Holzpfeifen Mehmels von 1877 integriert. Dittmer: "Für Stralsund wird der Name Mehmel immer mit der Orgel verbunden bleiben." Diesem Vorschlag ist die Hansestadt Stralsund mit einem entsprechenden Beschluss gefolgt. Vor kurzem haben die Arbeiten begonnen.
Widerstand gegen "Phantasie-Barockorgel"
Doch für Orgelbauer Eckehard Lüdke ist das ein Unding: Die restaurierungstechnische Machbarkeit einer Rekonstruktion sei nachgewiesen. Nun sei die bisherige Linie verlassen worden, "um aus persönlich-künstlerischen Gründen die eingeworbenen Millionen umzulenken auf einen Orgelneubau gänzlich anderer Prägung - unter Einschuss der endgültigen Aufgabe der Orgel von Mehmel". In der vorhandenen Substanz in der Jakobikirche könne diese Entscheidungsänderung nicht begründet sein. Sie habe sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht verändert.
Ähnlich kritisch sieht es auch die Vereinigung der Orgelsachverständigen Deutschlands (VOD). In einem Brief an die Orgelkommission hat sie deren Entscheidung für eine "Phantasie-Barockorgel" in deutlichen Worten kritisiert. Im Gegenzug bezeichnete es die Orgelkommission am Abend als "irritierend", dass bisher kein Vertreter der VOD Kontakt zu einem ihrer Mitglieder aufgenommen oder sich vor Ort informiert hätte.
Orgelbauer: "Es fehlt die Hälfte der Pfeifen"
Beauftragt mit den Arbeiten an der Orgel ist die Orgelwerkstatt Wegscheider aus Dresden. "Ich war ja auch mal Mehmelianer", sagt Chef Kristian Wegscheider. Aber er habe erkennen müssen, dass es keine Vorlagen gebe, nach denen die Orgel in angemessener Weise rekonstruiert werden könne. Es fehle für die Hälfte der Pfeifen "jegliche klangliche Orientierung". "Und da muss ich sagen: Wir sind nicht die Erfüllungsgehilfen von nicht realisierbaren Visionen".
Lässt sich die Orgel doch noch in ihren Originalzustand wiederherstellen?
Die Orgelbaufirma Eule, von der kein Vertreter an dem Forum teilgenommen hat, bleibt indes dabei, die Orgel komplett rekonstruieren zu können. Es gebe gute Chancen, den Substanzverlust auszugleichen. Einige der Mehmel-Pfeifen seien zwar beschädigt, aber nicht technisch verändert. Die neue Orgel würde zumindest annähernd so klingen wie das Instrument von 1877.
Die Hansestadt betont, sich mit unterschiedlichen Orgelkonzepten auseinandergesetzt zu haben
Für Dieter Bartels vom Bürgerkomitee "Rettet die Altstadt Stralsunds" kommen die Informationen zum Restaurierungsvorhaben zu spät. "Wir fühlen uns nicht mitgenommen", sagt er und beklagt, dass nicht schon zu Beginn des Jahres zu einem entsprechenden Forum eingeladen wurde. Die Hansestadt indes betont, die Sitzungen, in denen sie sich "intensiv" mit den unterschiedlichen Orgelkonzepten auseinandergesetzt hat, seien alle öffentlich gewesen.
Auf die Forderung vieler Kritiker, die Entscheidung noch einmal zu prüfen, hieß es seitens der Stadterneuerungsgesellschaft Stralsund als Sanierungsträger: "Entscheidungen können immer überdacht werden. Man muss sich nur über die Folgen bewusst sein." Ob die vorhandenen Fördermittel bei einem Sanierungsstopp weiter zu Verfügung stünden, sei fraglich.