Trend zum Tauschen

Wenn der Flohmarkt vor die Haustür kommt

Hier wird getauscht, was das Zeugt hält: Pastorin Annika Woydack vor der "Schatzkiste" in Hamburg-Altona
Hier wird getauscht, was das Zeugt hält: Pastorin Annika Woydack vor der "Schatzkiste" in Hamburg-Altona© Julia Reiss / epd

02. Oktober 2014 von Julia Reiss

Hamburg. Die Wegwerfgesellschaft war gestern. Viele Menschen geben brauchbare Dinge einfach weiter, und zwar mit Initiativen wie Tauschkisten und Kleiderbörsen. Überblick über einen Hamburger Trend.

Hamburg. Ein Umzugskarton mit Büchern an der Bushaltestelle, ein Wäschekorb mit buntgemischten Küchenutensilien im Hauseingang, eine Stehlampe mit knallrotem Schirm auf dem Bürgersteig - an allen klebt ein Zettel "Zu verschenken". Wer in Altona die Augen offen hält, findet so manches gute Stück am Wegesrand. Neben dem klassischen Flohmarkt oder Online-Auktionen ist es in Stadtteilen wie Eimsbüttel, Altona und St. Pauli inzwischen Trend, den Bürgersteig vor der Tür als Verkaufsfläche zu nutzen.

Und es gibt viele weitere Alternativen, etwa Tauschkisten. Das sind kleine, individuell gezimmerte Häuschen an öffentlichen Orten, in die jeder Kleidung, Bücher und Geschirr stellen kann - und herausnehmen. Tobias Filmar ist Schreiner und Psychologe und hat im Rahmen des Projekts "Hamburg bist Du" bereits mehrere Tauschkisten initiiert. "Viele Leute sind froh, wenn Dinge, die sie übrig haben, sinnvoll weitergenutzt werden", sagt der 34-Jährige. Er leitet Gruppen beim Bau der Tauschkisten an.

Am häufigsten werden Kleidung und Bücher getauscht

Man müsse nicht für jeden entnommenen Gegenstand auch immer gleich einen zurückstellen. "Jeder kann das für sich interpretieren", sagt Filmar. "Für mich sind es eher Umverteilungskisten." Die Zielgruppe ist für ihn ganz klar: "Jeder!" Die höchste Fluktuation haben Kleidung, Bücher, Küchenutensilien und Spielzeug. Aber auch Skier und Handys habe er schon gesehen. "Und der Ordner, in dem ich meine Projekte ordne, kommt auch aus einer Tauschkiste." Oft treten Gruppen an Filmar heran - die sich dann auch langfristig um die Pflege der Kisten kümmern.

Auch vor der Paul-Gerhardt-Kirche in Bahrenfeld steht seit kurzem eine Tauschkiste. Tobias Filmar hat sein Fachwissen beigesteuert, die Initiative ging von Müttern der Kita-Kinder aus. "Zusammen mit unserem Hausmeister haben Jugendliche aus der Gemeinde sie gezimmert und anschließend bemalt", erzählt Pastorin Annika Woydack. Die wetterfeste, stabile Hütte ist bereits gut gefüllt mit Kinderkleidung, Geschirr, Wasserkocher, bunten Halstüchern und einem Bügelbrett. "Die Resonanz ist super", sagt Woydack. Drei Kita-Mütter halten monatsweise ein Auge drauf und sortieren unter Umständen auch mal aus.

Der "Klamotten-Swapp" in der grünen Villa

Gezieltes Tauschen von gebrauchter Kleidung in hipper Atmosphäre wird regelmäßig im "Lokal" angeboten. Der Verein organisiert in einer kleinen grünen Villa an der Max-Brauer-Allee Lesungen, Modestammtisch, Weinverkostungen und Selbermach-Treffs. Und seit drei Jahren den "Klamotten-Swap": "Jeder kann bis zu fünf gebrauchte Kleidungsstücke abgeben und bekommt für jedes einen Bon, mit dem er wiederum Teile von anderen 'kaufen' kann", erklärt Ulrike Maichel (32) das Prinzip.

Die Idee kommt an: Zeitweilig stehen die Besucher vor der Tür Schlange. "Wir wollen weg von der Wegwerfgesellschaft", sagt Maichel. Was man selber nicht mehr anziehe, könne andere vielleicht noch glücklich machen. Zusammen mit Lounge-Musik, frisch gebackenen Waffeln und Kaffee wird der "Swap" zum runden Event.

Stadtreinigung betreibt das Kaufhaus "Stilbruch"

Die Stadtreinigung Hamburg hat aus den weggeworfenen Möbeln der Hamburger ein Geschäftsmodell entwickelt: Im Kaufhaus "Stilbruch" werden Möbel, Bücher, Geschirr und Nippes extra günstig angeboten. Alles wurde von den 20 Möbelwagen der Stadtreinigung vor dem Sperrmüll gerettet. Auch auf den Recyclinghöfen können gut erhaltene Möbel für "Stilbruch" abgegeben werden.

Um das Aufwerten von Altem oder Kaputtem geht es auch beim Upcycling. Die Schweizer Firma "Freitag" begann vor mehr als zehn Jahren, aus alten LKW-Planen die beliebten Taschen zu nähen, in Kiel gehören "Hüpferli"-Taschen aus Segeltuch zum guten Ton. Doch auch Designer setzen auf Abfallprodukte und nutzlose Stoffe, die sie in hochwertige Kleidung verwandeln. Auch das "Greenpeace-Magazin" bietet in seinem Online-Shop umfunktionierte Abfallprodukte an: Aus ehemaligen Werbe-Bannern der Umweltschutzorganisation wurden Seesäcke und Tasche genäht, und wegen Produktionsfehlern ausgemusterte T-Shirts sind jetzt Aufbewahrungsbeutel.

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