Interview mit Pastorin Kayales

Wertedebatte: "Zu unserer christlichen Tradition gehört es, Fremde aufzunehmen"

Dr. Christina Kayales ist Leiterin der Arbeitsstelle Kultursensibilität in der Nordkirche
Dr. Christina Kayales ist Leiterin der Arbeitsstelle Kultursensibilität in der Nordkirche© Simone Viere, AfÖ

16. Juni 2016 von Simone Viere

Diskussionen über Werte, das christliche Abendland und die Integration von Flüchtlingen sind derzeit ein Dauerthema. Doch was genau sind eigentlich unsere Werte? Pastorin Christina Kayales begegnet als Krankenhausseelsorgerin in Hamburg-Harburg täglich Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Religion. Sie weiß, welche Probleme es geben kann, wenn verschiedene Wertevorstellungen aufeinandertreffen.

Was bedeuten Werte für Sie?

Wir benutzen das Wort Werte viel und gerne, aber wenn wir es genauer betrachten ist es manchmal so, als ob wir in Sand greifen. In dem Moment, wo wir ihn greifen wollen, rinnt er uns zwischen den Fingern durch und wir werden auf einmal ganz unsicher, was eigentlich mit Werten gemeint ist.

Werte sind, ganz allgemein gesagt, als gut befundenen Eigenschaften, Qualitäten oder Glaubenssätze. Zum Beispiel "sei pünktlich und höflich".

Wie entstehen eigentlich Werte?

Wir werden als Kind in der Erziehung bereits von Werten geprägt. Wir lernen, was von uns erwartet wird. Aber eben auch, was bei anderen Unmut auslöst und welche Werte tabuisiert sind. Bei Tabus sind wir besonders empfindlich, wenn sie jemand bricht. Denn "das macht man doch nicht, das gehört sich nicht"“.

Was wäre das?

Ein Beispiel ist Homosexualität. Da hat sich bei uns auch erst in den letzten zehn bis 20 Jahren viel verändert. In anderen Kulturen ist Homosexualität nach wie vor sehr stark tabuisiert und mit viel Scham verbunden – bei den Betroffenen als auch den Familienangehörigen. Weitere Tabus sind bestimmte Krankheiten. Über Krebs kann man reden, über AIDS oder Inkontinenz konnte man es lange Zeit nicht.

Derzeit werden die christlichen Werte und die Gefährdung dieser durch Zuwanderung in unsere Gesellschaft immer wieder thematisiert. Wie sehen Sie das?

Zu unserer christlichen und biblischen Tradition gehört es, Fremde aufzunehmen. Geschichten über Migranten sind in der Bibel an vielen Stellen zu finden. Abraham, Jakob und Paulus sind Beispiele. Unsere christliche Tradition ist davon geprägt, dass wir die vielfältige Schöpfung Gottes wahrnehmen und respektieren. Ganz nebenbei gesagt gilt das übrigens genauso auch im Islam. 

Warum haben dann so viele Menschen Angst vor einer Überfremdung der Gesellschaft?

In Krisensituationen haben wir oft nicht die Gelassenheit, uns von fremden Werten nicht infrage gestellt zu fühlen. Das stellt heute eine große Herausforderung dar. Wer sich in der eigenen Identität gestützt und gefestigt fühlt, kann Andersheit ganz anders zulassen und auch die interessanten Aspekte erkennen. In unserer Gesellschaft wird derzeit aber leider eher Verunsicherung geschürt. Kirche kann viel dazu beitragen, zu zeigen, dass religiöse Werte die eigene Identität stützen – und deshalb Andersartigkeit nicht als Bedrohung empfunden werden muss.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Eine Frau, die aus einem afghanischen Dorf geflüchtet ist und nie gelernt hat, mit einem fremden Mann zu sprechen, wird großen Stress haben, das Zimmer in ihrer Flüchtlingsunterkunft zu verlassen. Sie ist damit aufgewachsen, dass sie das nicht darf. Dann heißt es schnell: "Sie will gar nicht Deutsch lernen, sie integriert sich nicht, sie geht nicht raus". Dabei tut sie nur das, was sie gelernt hat, was sich in ihrer Kultur gehört.

Wie kann man solchen Menschen helfen sich in unsere Gesellschaft einzufinden?

Unser Grundgesetz ist erarbeitet worden, um eine Basis unserer Werte für alle zu gewährleisten. Die im Grundgesetz festgeschriebenen Werte wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung beschreiben die Werte unserer Bundesrepublik. 

Ich halte es für wichtig, dass den Menschen, die hierherkommen, vermittelt wird, dass diese Werte uns allen Sicherheit geben. Menschen, die hier Asyl suchen, suchen Sicherheit. Wenn Menschen aus autoritären Regimes fliehen, dann wissen sie oft nicht, dass die Gesetzte bei uns wirklich eingehalten werden, dass Polizisten wirklich zum Schutz da sind, dass Meinungsfreiheit auch wirklich gewährleistet ist. Es ist wichtig, ihnen das zu vermitteln.

Diakonie-Pastor Dirk Ahrens hat kürzlich in einem Interview im Hamburger Abendblatt davon gesprochen, man möge in der Integrationsdebatte die Werte doch einmal beiseitelassen. Sehen Sie das auch so?

Herr Ahrens hat vom Prinzip natürlich Recht, dass es nach unserem christlichen Verständnis darum geht, Vielfalt zuzulassen und wertzuschätzen. Pfingsten – die  Entstehung der Kirche- ist dafür ein Beispiel: Menschen unterschiedlichster Herkunft und Sprache sind sich begegnet. Und in unserem Grundgesetz haben wir ja bereits wesentliche Werte festgeschrieben, die übrigens deutlich von unserer christlich abendländischen Tradition geprägt sind. 

 

Info

<link https: www.nordkirche.de adressen visitenkarten personen detail person christina-kayales.html link-extern>Dr. Christina Kayales  ist Pastorin, Leiterin der Fachstelle Kutursensibilität, interreligiöse Zusammenarbeit und Seelsorge in der Nordkirche

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