Wie ein Kulturfestival in einer Kirche ein Dorf zum Aufblühen bringt
31. Juli 2025
In einem kleinen Dorf südlich von Rostock entsteht Großes: Aus einer denkmalgeschützten Kirche wird ein lebendiger Kulturort. Mit Konzerten, Kunst, Kino und kreativen Gottesdiensten bringt ein engagiertes Team Leben in die alten Mauern – und zieht Menschen aus der Region und darüber hinaus an.
Eine Kirche – und eine Idee
Ca. 40 km südlich von Rostock liegt die kleine Dorfkirche von Recknitz – einem abgelegenen Ort mit etwa 70 Einwohnerinnen und Einwohnern und gerade einmal 30 Häusern. Viel Ruhe und Beschaulichkeit prägen diesen Ort. Diesen Eindruck vermittelt auch die 800 Jahre alte Kirche.
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Dass sie heute so gut erhalten ist, verdankt sie einer umfassenden Sanierung, die bereits vor 1989 begann und sich letztlich über drei Jahrzehnte erstreckte. Die letzte Etappe galt dem Innenraum der Kirche – und stand unter einem besonderen Vorzeichen: Die finanzielle Förderung war an die Auflage geknüpft, vor Ort neue kulturelle Formate anzubieten. Die Corona-Pandemie brachte ausreichend Zeit mit sich, um ein Konzept für diese Auflage zu entwickeln.

Ein Netzwerk der Möglichkeiten
Das Programm und weitere Informationen zur Kultur.Feldstein.Kirche.Recknitz
Fernsehbericht NDR Nordmagazin vom 06.07.2025 (verfügbar bis 06.07.2027)
Der gebürtige Berliner Axel Meier studierte Musik in Rostock – und nutzte diese Zeit, um als freischaffender Schlagzeuger zahlreiche Kontakte zur dortigen Künstlerszene zu knüpfen. Dieses Netzwerk kam ihm zugute, als ihm die Aufgabe übertragen wurde, ein Konzept zur kulturellen Belebung der Kirche in Recknitz zu entwickeln. Mit einer halben Stelle ist er heute künstlerischer Leiter des Festivals und arbeitet eng mit dem örtlichen Pfarrteam zusammen.
Vom Dornröschenschlaf zum Kulturfestival
Mittlerweile geht die Umsetzung des Konzepts ins vierte Jahr. Workshops, Theater, Kunstausstellungen und -installationen, Grillabende, Märkte, Filmvorführungen, Konzerte und viele weitere Angebote umfasst das Kulturfestival Kultur.Feldstein.Kirche RECKNITZ. Immer am ersten Wochenende im Monat – von Mai bis Oktober – erwachen die Kirche und der umliegende kleine Park aus ihrem Dornröschenschlaf. Buntes Treiben kehrt ein. Unter den alten Bäumen sind dann eine Bar in einem alten Schiffscontainer, eine Grillbude, Pavillons mit Bierzeltgarnituren und eine Bühne zu finden.

Kirche ganz anders
Schon hier wird deutlich: In Recknitz ist vieles ein wenig anders – für die Ausstattung werden Secondhand-Materialien und gebrauchte Möbel verwendet. Liebevoll gestaltete, kreative Details statt Perfektionismus prägen das Gesamtbild. Das gilt nicht nur für die äußere Gestaltung des Festivals, sondern auch für die Inhalte.

Nachhaltig und wandelbar
Das Konzept entstand auch aus den Gegebenheiten vor Ort: Es gab weder Imbissangebote noch sanitäre Anlagen. Die Idee, einen alten Schiffscontainer zu nutzen, verbindet mehrere Aspekte. Neben dem gewünschten optischen Kontrast spielt vor allem der Nachhaltigkeitsgedanke eine zentrale Rolle. Und sollte der Container eines Tages nicht mehr benötigt werden, lässt er sich unkompliziert abtransportieren und weiterverwenden.

Um die denkmalgeschützte Kirche für die neuen Formate herzurichten, wurden zahlreiche Licht- und Tonkabel dezent verlegt. Außerdem trennte man sich von den fest montierten Kirchenbänken. Stattdessen ermöglichen Stühle nun eine flexible Bestuhlung – im Kreis, locker gestellt, in Reihen oder auch mal ganz ohne. So entstand ein multifunktionaler, wandelbarer Raum.

Ein Ort blüht auf
Bericht über die Eröffnung 2022
„Ich finde es unglaublich schön, wie der Ort hier aufblüht“, sagt Axel Meier mit Begeisterung. „Allein zur Eröffnung an Ostern 2022 kamen 500 Menschen. Und wer herkommt, geht mit einem Lächeln – und kommt wieder. Deshalb sind unsere Besucherinnen und Besucher unsere besten Werbepartner.“
Seit 2022 steigen die Besucherzahlen stetig. Menschen jeden Alters finden den Weg nach Recknitz. Vertrautes und Neues, Kirchliches und Weltliches begegnen sich hier auf lebendige, unterhaltsame Weise. Ein Projekt, das zeigt, wie Kirche sich öffnet und zu einem Gute-Laune-Ort wird.

Kultur, Kirche – und Kuchen
Trägerin des Projekts ist die Kirchengemeinde Laage. Drei hauptamtliche Mitarbeitende kümmerten sich bislang um Organisation und Durchführung – kurz: um alles, was dazugehört. Doch ohne rund zehn sehr engagierte Ehrenamtliche sowie ca. 80 Helferinnen und Helfer aus der Region wäre das nicht zu bewältigen – darunter beispielsweise das engagierte Bäckerinnenteam, das das umfangreiche Buffet mit ausschließlich selbst gebackenen Kuchen bestückt.
Zwischen Gin Tonic und Gemeinschaft
Auch Gottesdienste finden weiterhin in der alten Kirche statt – hier heißen sie nur anders: etwa „Auszeit mit Gin Tonic“ oder „Sonntagsbegegnung mit Mitbring-Brunch“. Der historischen Kirche in Recknitz ist es gelungen, mehr als nur ein Dorfmittelpunkt zu sein. Denkmalpflege und Innovation, Gemeinschaft und regionale Entwicklung fügen sich hier zu einem stimmigen Ganzen. Das Projekt fördert Kultur und Kunstschaffende, bringt neues Leben in die alten Mauern – und verbindet Menschen aus der Region und darüber hinaus.

„Natürlich gibt es auch Schwierigkeiten“, sagt Axel Meier. Besonders herausfordernd sei es, die Finanzierung jedes Jahr aufs Neue zu sichern. „Da wünsche ich mir manchmal finanzkräftige Sponsoren, die uns langfristig unterstützen. Aber wenn mich jemand, der etwas Ähnliches plant, nach einem Tipp fragen würde, dann wäre mein Rat: einfach anfangen. Mit Freude und Energie – einfach machen.“