"Lutherschwank"-Prozess

Gotteslästerung oder Satire?

Luther mit Augenzwinkern
Luther mit Augenzwinkern© Akademie der Nordkirche

15. Mai 2017 von Klaus Merhof, Lena Modrow

Es war der "Lutherschwank", ein Theaterstück in derber Sprache, das 1983 für einen Skandal in der damaligen Nordelbischen Kirche sorgte. Fünf Pastoren hatten ihn zum 500. Geburtstagsjahr des Reformators Martin Luther (1483-1546) veröffentlicht – und damit ein fast dreijähriges Amtszuchtverfahren wegen Religionsverhöhnung losgetreten. Jetzt macht die Akademie der Nordkirche den Schwank zum Thema einer Tagung.

„Gotteslästerung und Satire“ ist der Titel der Veranstaltung in Hamburg am 19. Mai. Im Rückblick soll sie die damaligen Kontroversen aktuelle Fragen reflektieren: Gibt es in Kirche und Theologie Grenzen für Satire und Verspottung? Und wer bestimmt darüber? Kann Gott gelästert werden?

Umrahmt wird die Veranstaltung von der szenischen Lesung „Skandalon“, die Originaltexte mitaufnimmt. Koordiniert werden beide Veranstaltungen von Ruhestandspastor Ulrich Hentschel (66), der damals einer der "Lutherschwank"-Herausgeber gewesen ist und zuletzt Akademiepastor für Erinnerungskultur in Hamburg tätig war.

Doch worum ging es in dem „Lutherschwank“?

Wie auf Erden so im Himmel" lautet der Haupttitel des inzwischen 34 Jahre alten Stücks in fünf Akten, in dem als Hauptpersonen neben Martin Luther die gesamte "himmlische Familie" - Gott, Heiliger Geist, Jesus und Maria auftreten. Die Themen sind: Ablasshandel und Reformation. Gott nennt den Ablass in dem Stück "die größte Verunglimpfung" seiner Person, die ihm "je zu Ohren gekommen" ist. Die himmlischen Herrschaften suchen daraufhin jemanden, der "auf Erden" dagegen einschreiten könnte. So kommen sie auf Martin - aber "nicht den mit dem halben Mantel", sondern eben auf Luther. Doch den kennt im Himmel niemand - bis auf Gott.  

Luther wird eher als Trottel dargestellt

In der Folge gibt es ein paar deftige Szenen, wenn etwa in einem Kloster eine Bibel als Klopapier missbraucht wird. Die einzig übrig gebliebene Seite aus dem Römerbrief verhilft Luther zu seiner reformatorischen Erkenntnis. Ansonsten wird der Reformator eher als Trottel hingestellt, dem nicht einmal die Bibelübersetzung gelungen ist, weil er kein Griechisch kann. Er klaut die Übersetzung seinem Kollegen Philipp Melanchthon und gibt sie als seine aus. Auch vor dem berühmten Reichstag in Worms ist der Schwank-Luther nie aufgetreten. Er bleibt vielmehr in Wittenberg, hockt auf einer Klostertoilette und spricht die Worte: "Hier sitze ich. Ich kann nicht."

Ermittlungsverfahren gegen die Urheber

Kirchenleitung und Kirchenamt befanden damals, das Stück habe "auf dem Niveau einer unzumutbaren Geschmacklosigkeit, die zentrale Punkte des christlichen Glaubens verhöhnt". Ein Pastor wurde sofort suspendiert, einem weiteren jede Amtshandlung untersagt. Gegen beide und drei weitere Herausgeber wurde ein Ermittlungsverfahren im Sinne des kirchlichen Amtszuchtgesetzes eingeleitet. Der Vorwurf lautete auf "gravierende Verletzung der Amtspflichten".

„Die Problematik der Heldenverehrung“

Die angeschuldigten Pastoren erklärten damals, es habe ihnen fern gelegen, die Glaubensüberzeugungen anderer Menschen zu verletzen. Ebenso wenig entspreche der "Lutherschwank" ihren theologischen Standpunkten. Angesichts einer Vielzahl offizieller und "ehrerbietiger Festschriften" zum 500. Luther-Geburtstag hätten sie vielmehr auf "die Problematik von Heldenverehrung" aufmerksam machen wollen. Allerdings räumten sie ein, dass der Abdruck des zunächst privat verwendeten Textes in der kirchenoppositionellen Zeitschrift "Gegen den Strom" ein Fehler gewesen sei.

Pastoren erhielten Verwarnungen und Verweise

Die kirchliche "Kammer für Amtszucht" gab den Angeschuldigten teilweise Recht. Zwar sei der "Lutherschwank" geschmacklos und seine Sprache "nicht zu rechtfertigen". Doch das allein reiche nicht aus, um eine bewusste Verhöhnung christlicher Glaubensinhalte auszumachen. Vielmehr könne das Stück auch so verstanden werden, dass "die Wurzeln des Versagens lutherischer Theologie im 20. Jahrhundert (...) bloßgestellt und karikiert" werden sollten, urteilten die Richter. Daher beließen sie es bei den Verwarnungen und Verweisen. Die Kirchenleitung zog 1986 eine geplante Berufung dagegen zurück.

Kirchenkonservative Kreise: „Viel zu milde Urteile“

Kirchenkonservative Christen hingegen bedauerten damals die "viel zu milden Urteile" und sprachen von einem "schweren Schaden" für die Kirche. Der Hamburger Theologieprofessor Helmut Thielicke (1908-1986) nannte den Schwank "ein Machwerk" von "wölfischen Hirten", der in einem "Querelen-Winkelblatt" abgedruckt worden sei. Dagegen stellte der Schweizer Pfarrer und Lyriker Kurt Marti (1921-2017) schon damals in einem Gutachten fest, dass "ein possenartiges Bühnenstück keine theologische Bekenntnisschrift" sei. Gegen einen Schwank mit Disziplinarmaßnahmen vorzugehen heiße, "mit Kanonen auf Spatzen zu schießen".

Tagung und Lesung im Detail

Die  Akademie der Nordkirche veranstaltet die Tagung „Gotteslästerung und Satire“ am Freitag, 19. Mai, im Dorothee-Sölle-Haus (Königstraße 52, 22767 Hamburg) von 10 bis 16 Uhr. Anmeldung unter Hamburg@Akademie.Nordkirche.de; Telefon: 040 30620-1452.
Die Lesung „Skandalon“ findet in der Christianskirche Hamburg-Ottensen (Ottenser Marktplatz 6, 22765 Hamburg) am 18. und 19, Mai jeweils um 20 Uhr statt.

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