Ewigkeitssonntag – Fürsorge am Ende des Lebens

Angehörige lernen in „Letzte Hilfe”-Kurse wie sie Sterbende begleiten können

Sterbebegleitung braucht Mut und Einfühlungsvermögen. In Kursen lernen Angehörige, auf die richtigen Zeichen zu achten, um auf die Sterbende eingehen zu können.
Sterbebegleitung braucht Mut und Einfühlungsvermögen. In Kursen lernen Angehörige, auf die richtigen Zeichen zu achten, um auf die Sterbende eingehen zu können. © Anna-Lisa Lange, epd-Bild

19. November 2022

Bei einem Notfall ist klar: Jetzt ist Erste Hilfe gefragt. Doch wenn Menschen im Sterben liegen, brauchen sie „Letzte Hilfe”: einfühlsame Begleitung. Palliativmediziner aus Schleswig zeigen in Kursen, wie es geht. Das Prinzip hat sich mittlerweile auch in anderen Städten bewährt.

Der Wunsch vieler Menschen ist es, zu Hause zu sterben. Doch die Realität sieht meist anders aus: Nur 20 Prozent sind während ihrer letzten Stunden in den eigenen vier Wänden.

„Ursache dafür ist häufig das Fehlen von Unterstützung durch Familie, Nachbarn und Freunde“, sagt Palliativmediziner Georg Bollig. Denn viele Menschen trauten sich nicht zu, Sterbende zu begleiten. Deshalb rief der Oberarzt für Palliativmedizin am Helios Klinikum Schleswig die „Letzte Hilfe“-Kurse ins Leben. „Jeder ist in der Lage, Sterbende zu begleiten“, ist Bollig überzeugt.

Wie gehe ich mit Sterbenden um?

Der erste Kurs dieser Art in Deutschland fand Anfang 2015 in Schleswig statt. Seither haben nach Angaben der Veranstalter rund 50.000 Menschen an den Kursen teilgenommen. Eine von ihnen ist Inge Junge. Sie ist in diesem Herbst mit ihren drei erwachsenen Töchtern nach Esslingen bei Stuttgart zum „Letzte Hilfe“-Kurs gekommen, den das dortige Hospiz veranstaltet. Ihr Mann leidet an Parkinson im Endstadium.

Und sie hat erfahren, dass kein Mensch schmerzgeplagt zu Hause sterben muss: Denn es gibt ein sogenanntes SAPV-Team, also Spezialisten in der ambulanten Palliativversorgung, die rund um die Uhr erreichbar sind und auch nach Hause kommen, um Schmerzmittel zu geben, weiß sie jetzt. „Für mich ist das eine große Beruhigung, dass man sich jederzeit Hilfe holen kann, wenn mein Mann Schmerzen hat“, sagt Inge Junge.

Ein Selbstversuch zeigt, worauf es ankommt

Palliativkrankenschwester Roberta Heinz lädt die Teilnehmerinnen des Kurses nun zu einem Selbstversuch ein: Alle sollen wenige Minuten nicht durch die Nase, sondern nur durch den Mund ein- und ausatmen. Der Mund fühlt sich nach kürzester Zeit trocken an. So gehe es auch Sterbenden, die nicht mehr durch die Nase atmeten, erklärt Heinz: „Der Mensch, der sich am Lebensende befindet, der hat keinen Hunger und kein Durstgefühl mehr, sondern leidet eher unter Mundtrockenheit.“

Sie verteilt gefrorenen Orangensaft in Eiswürfelform – ein guter Geschmack, der einen ausgedörrten Mund erfrischt. „Seien Sie kreativ, man kann Sekt einfrieren, Kaffee, Cola, alles, was der Mensch gerne getrunken hat, tut ihm gut.“ Auch Brausepulver in wenig Wasser aufgelöst könne ein letztes angenehmes Geschmackserlebnis sein.

Es braucht Mut das Leid zu lindern

Ein weiterer Tipp: Wer die Hand eines Sterbenden halten will, sollte seine eigene Hand nicht auf, sondern unter dessen Hand legen. „So hat dieser die Möglichkeit, seine Hand wegzuziehen, wenn es ihm zu viel ist“, erklärt Kursleiterin Katrin Fritz.

Die Nordkirche bietet in Lebenskrisen verschiedene Seelsorge-Angebote: Von der Notfall- über die Telefon-, Chat- und Krankenhausseelsorge. 

„Ein 'Letzte Hilfe'-Kurs soll Mut machen, sich mit dem Thema Sterben und Tod auseinander zu setzen“, sagt sie. „Er soll kleine Kniffs und Tricks weitergeben, wie man mit Sterbenden gut umgeht und auch für sich selber gut sorgen kann.“ Im Gegensatz zur Ersten Hilfe gehe es nicht darum, das Überleben zu sichern und Lebenszeit zu gewinnen, sondern darum, Leid zu lindern und Lebensqualität zu erhalten.

Hinweise richtig deuten

Katrin Fritz zündet eine Kerze an, es ertönt leise Musik. Im letzten der vier Module des Kurses geht es um das „Abschiednehmen“. „Es gibt viele Hinweise darauf, dass ein Mensch zu sterben beginnt“, erklärt Roberta Heinz. Weil die Organe allmählich ihre Funktionen einstellten, verändere sich die Hautfarbe, Fingerkuppen und Zehen verfärbten sich oft bläulich. In vielen Fällen komme es zu langen Atempausen.

Die Teilnehmerinnen erfahren auch, was zu tun ist, wenn jemand gestorben ist, wann der Arzt zu holen ist, um den Tod festzustellen, und dass der Verstorbene bei Wunsch der Angehörigen auch länger als einen Tag zu Hause aufgebahrt werden darf.

Ein Koffer für die letzte Reise 

Roberta Heinz gibt den Tipp, einen eigenen Koffer für die „letzte Reise“ zu packen, und ihn über die Jahre hinweg weiter zu befüllen und zu aktualisieren. Was soll dort hinein? Sie zeigt ihren Koffer: Ein Bilderrahmen mit dem Foto ihrer Familie hat sie hineingelegt, aber auch ein Schild, das zeigt, dass sie Lavendel auf keinen Fall mag, jedoch gerne Nudeln isst. Diese und andere Gegenstände sollen ihr später einmal auf der „letzten Reise“ helfen und den Menschen, die sie dann begleiten, zeigen, was für eine Person sie ist und welche Vorlieben sie hat.

Der Kurs ist zu Ende, die Teilnehmerinnen haben einfache Maßnahmen zur Linderung von Beschwerden gelernt - wie, dass bei Atemnot schon ein offenes Fenster oder ein kleiner Ventilator helfen können und bei Übelkeit beispielsweise Aromaöl. Und sie haben auch Informationen zur Patientenverfügung erhalten. Katrin Fritz verteilt Zertifikate: „Gratulation, Sie sind jetzt Letzthelfer!“

Sterben sollte kein Tabu-Thema sein

Mittlerweile werden in 20 Ländern weltweit „Letzte Hilfe“-Kurse angeboten, in Europa, Kanada, Brasilien und Australien. Doch eigentlich gibt es immer noch zu wenige ausgebildete „Letzthelfer“, findet Fritz. Denn Tod und Sterben sollten kein Tabu sein, jeder sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen: „Wir alle sterben, und deshalb ist es auch wichtig, dass alle Bescheid wissen.“

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