Orgeln in Norddeutschland

Die Königin erwacht: Spezialisten restaurieren einzigartige Schnitger-Orgel

Orgelbauer Frank Stam (48) arbeitet am 13.12.16 an der historischen Orgel in der evangelischen St. Johanniskirche in Oederquart bei Hamburg. Rund 650.000 Euro kostet die nun schon seit Jahren laufende Restaurierung des einzigartigen Instrumentes, das unter Experten als erste selbststaendige Arbeit des beruehmten norddeutschen Barock-Orgelbaumeisters Arp Schnitger (1648-1719) gilt. Die Orgel verfuegt ueber 28 Register und mehr als 1.500 Pfeifen. Vor mehr als 100 Jahren gingen durch einen umfangreichen Umbau die meisten Originalpfeifen verloren - und mit ihnen der typische Schnitgersche Klang. Der soll nun durch die Rekonstruktion wieder hergestellt werden. Ostersonntag (16. April) wird die Orgel wieder eingeweiht. (Siehe epd-Meldung vom 09.01.17)  *** Local Caption *** 00366889
Orgelbauer Frank Stam (48) arbeitet am 13.12.16 an der historischen Orgel in der evangelischen St. Johanniskirche in Oederquart bei Hamburg. Rund 650.000 Euro kostet die nun schon seit Jahren laufende Restaurierung des einzigartigen Instrumentes, das unter Experten als erste selbststaendige Arbeit des beruehmten norddeutschen Barock-Orgelbaumeisters Arp Schnitger (1648-1719) gilt. Die Orgel verfuegt ueber 28 Register und mehr als 1.500 Pfeifen. Vor mehr als 100 Jahren gingen durch einen umfangreichen Umbau die meisten Originalpfeifen verloren - und mit ihnen der typische Schnitgersche Klang. Der soll nun durch die Rekonstruktion wieder hergestellt werden. Ostersonntag (16. April) wird die Orgel wieder eingeweiht. (Siehe epd-Meldung vom 09.01.17) *** Local Caption *** 00366889© Dieter Sell, epd

09. Januar 2017 von Dieter Sell

Es ist noch gar nicht so lange her, da rasselten, schepperten und husteten die Pfeifen. Das ist nun vorbei. Die historische Orgel im niedersächsischen Oederquart wird restauriert, ein verschütteter Klang rekonstruiert: Filigran, elegant, klar.

Das "Oh" muss noch warten. Die ersten Meter im Vorraum lassen noch nichts von dem Schatz erahnen, der auf der Empore der spätgotischen St. Johanniskirche von Oederquart bei Hamburg steht. Wer aber die Tür zum Innenraum öffnet, auf dem Mittelgang ein paar Schritte Richtung Kanzel geht und sich dann umdreht, der kommt ins Staunen: Hoch über den Kirchbänken thront eine Orgel, die alle Blicke auf sich zieht. Es ist ein Instrument aus der Werkstatt des barocken Orgelbaumeisters Arp Schnitger, das gerade restauriert wird. "Weltklasse" schwärmt Orgelsachverständiger Martin Böcker.

"Schnitgers erstes selbstständiges Werk"

Seit Jahren sind die Orgelbauer dabei, die Königin der Instrumente in dem kleinen niedersächsischen Dorf nah der Elbe zu neuem Leben zu erwecken. Schnitger hat sie zwischen 1678 und 1682 erbaut, wobei er Teile einer Vorgängerorgel des Hamburger Baumeisters Hans Christoph Frietzsch übernahm. "Es ist Schnitgers erstes selbstständiges Werk", beschreibt Orgelbaumeister Rowan West aus Ahrweiler bei Bonn den besonderen Wert des Instrumentes, dessen Restaurierung jetzt mehr als 650.000 Euro kostet.

Kaum ein anderer hat so viele Orgeln geschaffen wie Schnitger, der in der Wesermarsch geboren wurde. Musikwissenschaftler sehen in ihm den ersten europäischen Orgelbauer. Etwa 170 Instrumente hat er neu gebaut, wesentlich umgebaut oder im größeren Umfang repariert. Von Hamburg aus exportierte Schnitger seine Instrumente zunächst in den norddeutschen Raum und in die Niederlande, später auch nach Russland, England, Spanien und Portugal.

Grundstein für Schnittgers internationale Karriere

"Das Instrument hier in Oederquart hat einen ganz besonderen Charakter", meint Kreiskantor Böcker aus dem nahen Stade. "Unter anderem mit dieser Orgel legte Schnitger den Grundstein für seine große, internationale Karriere." Nun setzt West bei der Restaurierung mit seiner Mannschaft zum Endspurt an. Mit dabei ist Orgelbauer Michael Frömbgen, der einzelne Bauteile vor Ort bearbeitet - millimetergenau. Wenn er mit seinem Hobel über das Holz fährt, duftet es in der Kirche nach frischer Kiefer.

Böcker war es, der die Kirchengemeinde zur Restaurierung ermutigt hat. Eine Mammutaufgabe in drei Bauabschnitten. Der Hintergrund: Ein durchgreifender Umbau vor mehr als 100 Jahren hatte zum Verlust vieler Pfeifen aus der Schnitgerschen Werkstatt geführt. Später wurden bei Sanierungsarbeiten zudem Kunststoffe und Filz verwandt, die sich langsam auflösten. "Es war nicht mehr viel vom Original da, auch klanglich nicht", blickt Böcker zurück. "Die Pfeifen rasselten, schepperten, husteten, pupsten."

Restaurierung eine Mammutaufgabe 

Immerhin existierten noch die sichtbaren Pfeifen, die sogenannten Prospektpfeifen, aus Zinn geformt. "Sie gaben uns den Weg vor, wie das Instrument klingen könnte", verdeutlicht der Kirchenmusiker. Orgelbaumeister West ist froh, dass es sie überhaupt noch gibt. "Während des Ersten Weltkrieges wurden Zinnpfeifen vielerorts eingeschmolzen." Überhaupt seien sie eine Besonderheit, weil der Baustoff zu Lebzeiten Schnitgers kostbar gewesen sei. Den Bauern in der fruchtbaren Marschenregion war es das Geld wert. "Oederquart muss eine wohlhabende Gemeinde gewesen sein", mutmaßt West.

Ein Kraftakt wird es trotzdem gewesen sein - wie auch jetzt die Finanzierung der grundlegenden Restaurierung. Landeskirche, die hannoversche Klosterkammer, EU, Stiftungen, Lions-Club, Firmen und viele Privatspender hätten sich beteiligt, freut sich Wolf-Christian von Uslar-Gleichen, Vorsitzender des Fördervereins zur Restaurierung der Orgel. "Ich habe Gott und die Welt angeschrieben und um Unterstützung gebeten - auch mit der Aussicht, dass die Orgel nach ihrer Fertigstellung dem Tourismus im Ort einen neuen Schub verleiht."

"Es ist eine Klangwelt, die bis heute jeden Zuhörer packt"

Ostern soll der Orgelschatz mit 28 Registern und insgesamt 1.523 Pfeifen wieder so klingen, wie ihn Schnitger vor mehr als 300 Jahren abgeliefert hat. Wie sich das anhören wird? Rowan West, Spezialist für Schnitger-Orgeln, kommt genauso wie Böcker ins Schwärmen: "Es ist ein filigranes, elegantes, klares und zugleich gravitätisches Klangbild. Es ist eine Klangwelt, die bis heute jeden Zuhörer packt."

 

Info

Wiedereinweihung der Schnitger-Orgel in Oederquart durch den Stader Landessuperintendenten Hans Christian Brandy am Ostersonntag, 16. April, um 15 Uhr.

Ort: St. Johanniskirche, Süderende 5, 21734 Oederquart

 

Hintergrund: Orgelparadies Nordseeküste

Stade, Weener und Groningen sind Zentren eines Orgelparadieses, das sich an der Nordseeküste vom südlichen Dänemark bis in die Niederlande erstreckt. Allein im Elbe-Weser-Dreieck um Stade erklingen mehr als 80 Denkmals-Orgeln aus fünf Jahrhunderten, rund 150 Instrumente aus sieben Jahrhunderten sind es in Ostfriesland. In vergangenen Jahrhunderten hatten hier große Orgelbaumeister ihre Werkstätten. Sie konnten ihre Instrumente gut verkaufen, weil die fruchtbare Marschenregion reich war.

Große Orgelbaumeister an der Nordseeküste

Männer wie Uulcke Dircks, Berendt Huß, Erasmus Bielfeldt, Georg Wilhelmy sowie Johann Hinrich und später Heinrich Röver begründeten den Glanz dieser Orgelbaukunst. Doch den größten Ruf unter ihnen erwarb sich Arp Schnitger (1648-1719). Ob in Deutschland oder in den Niederlanden, in Italien oder in Frankreich, in Japan, Australien, Süd- oder Nordamerika: Überall gelten heute die Maßstäbe, die Schnitger vor rund 300 Jahren gesetzt hat. Seine Bewunderer wollen deshalb erreichen, dass sein Werk anlässlich seines 300. Todesjahres 2019 in die Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen wird.

Orgeltourismus boomt

Professoren und Studenten aus aller Welt pilgern nach Norddeutschland, um an Originalinstrumenten die Musik alter norddeutscher Meister wie Dietrich Buxtehude und Vincent Lübeck zu studieren. Der Orgeltourismus boomt. Die Stader Orgelakademie organisiert Konzertreihen und Reisen. Für den Orgelliebhaber verkörpern die Schätze entlang der Küste den Klang des Nordens und den Charakter der Landschaft: Mal herb, mal mit kerniger Mixtur, mal lieblich.

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