„Berühren erlaubt!“

Eine Weihnachtskrippe zum Anfassen

„Unsere Hoffnung, dass die Menschen in und um Schleswig und alle, die sich mit dem Dom verbunden fühlen, die Krippe in ihr Herz schließen werden, scheint aufzugehen," freut sich Kulturmanagerin Amrei Magdanz
„Unsere Hoffnung, dass die Menschen in und um Schleswig und alle, die sich mit dem Dom verbunden fühlen, die Krippe in ihr Herz schließen werden, scheint aufzugehen," freut sich Kulturmanagerin Amrei Magdanz© Antje Wendt, Nordkirche

09. Dezember 2025 von Antje Wendt

Im Schleswiger St. Petri-Dom entsteht etwas Besonderes: eine Weihnachtskrippe aus Bronze, die man nicht nur betrachten, sondern auch anfassen darf. Die ersten Figuren – Maria, Josef und das Kind – sind bereits fertiggestellt und begeistern durch ihre Ausdruckskraft und handwerkliche Kunst. Doch wie kam es zu diesem Projekt? Und was macht diese Krippe so einzigartig?

eine Gruppe von Menschen rund um einen Tisch mit Krippenfiguren
Mit großem Interesse betrachten die Besucherinnen und Besucher die ersten Krippenfiguren, die derzeit noch provisorisch aufgestellt sind. Pappfiguren zeigen zudem, welche Figuren noch fehlen.© Antje Wendt, Nordkirche

Eine Krippe zum Anfassen: Kunst und Gemeinschaft erleben

„Darf ich sie wirklich anfassen?“ Diese Frage wird an diesem Dezemberabend im Schleswiger St. Petri-Dom immer wieder gestellt. Gemeint sind Maria, Josef und das Kind in der Krippe, die von dem Künstler Michael Jastram gestaltet wurden und nun zum ersten Mal als ca. 30 cm hohe Bronzefiguren ausgestellt sind – und somit wortwörtlich greifbar. 

Die Schleswiger Gemeinde hatte zu dieser Veranstaltung eingeladen. Die neue Weihnachtskrippe ist ein Projekt, das ausschließlich über Spenden finanziert wird. Noch wichtiger war es der Kirchengemeinde und der Nordkirche jedoch, die Menschen bei der Umsetzung des Projekts mitzunehmen, sie über die Fortschritte zu informieren und sie bei jeder Zwischenetappe einzuladen, dabei zu sein.

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Die erste Begegnung mit den Figuren

Dass dieses Konzept aufgeht, zeigte sich an diesem Abend im Dom. Die ersten Ergebnisse eingehend zu betrachten, sich mit den Figuren vertraut zu machen und darüber ins Gespräch und die Diskussion zu kommen, wurde von den Menschen sehr positiv aufgenommen.

„Gerade weil sich Tradition und Wahrnehmung verändern, war es uns wichtig, eine Krippe zu finden, die verständlich bleibt, die Menschen – auch ohne christlichen Hintergrund – berührt und neugierig macht. Nicht nur wir als Projektteam der Kirchengemeinde Schleswig waren daher von der Gestaltung der ersten drei Figuren sehr begeistert“, berichtet Amrei Magdanz, Kulturmanagerin am Schleswiger Dom. „Die Ausdruckskraft der Figuren hat die Menschen sofort berührt und in ihren Bann gezogen. Und nicht zuletzt die Möglichkeit, die Bronzen anfassen zu dürfen, hat die Menschen angesprochen.“

Ein Künstler areitet an einer Gruppe aus drei Figuren. Es sollen die Könige für eine Krippe werden.
Der Künstler Michael Jastram fertigt seine Skulpturen zunächst aus Gips. © Amrei Magdanz, Offene Kirche Schleswiger Dom

Handwerk und Symbolik: Wie die Krippe entsteht

Bei der Darstellung seiner Figuren geht es dem Künstler Michael Jastram weniger um eine naturalistische Wiedergabe als um die Haltung und Geste der Figuren. Es sind keine individuellen Personen, sondern allgemeingültige menschliche Prinzipien – Figuren, in die wir unsere eigenen menschlichen Erfahrungen, Gefühle und Empfindungen projizieren dürfen. So wirkt die Haltung der Maria unmittelbar auf uns, wir fühlen mit dem Kind in der Krippe oder sehen die ganze innere Kraft, die Josef in seiner Situation abverlangt wird. 

Die ersten Figuren aus Bronze für die neuen Schleswiger Weihnachtskrippe: Josef, Maria und das Jesuskind
Michael Jastram rückt nicht die Äußerlichkeit einer Szene, sondern ihren inneren Gehalt in den Mittelpunkt: Demut, Zeitlosigkeit, Einfachheit und innerer Ausdruck prägen seine Krippe für den Schleswiger Dom. © Antje Wendt, Nordkirche

Diese Ausdruckskraft erzielt der Künstler durch die reduzierte Formgebung und die raue Materialität seiner Werke. Michael Jastram formt, schnitzt, sägt, feilt und schabt seine Gestalten zunächst in Gips. Dabei lässt er bewusst raue Stellen und Unebenheiten stehen. Anschließend werden die plastischen Entwürfe in Bronze gegossen. Das stabile, schwere Material steht dabei in einem spannungsvollen Kontrast zu den filigranen, langgliedrigen und fast zerbrechlich wirkenden Figuren.

Eine Krippe im Werden: Spenden, Fantasie und die nächsten Schritte

Bis zur Fertigstellung der gesamten Krippe fehlen noch einige Figuren. Ihre Entwürfe hat der Künstler jedoch bereits fertiggestellt: zwei Hirten mit Schafen, einen Ochsen und einen Esel, die drei Weisen, einen Fischer mit einem Fisch und eine Brotverkäuferin. Die beiden letztgenannten Figuren sind der Fantasie des Künstlers entsprungen, haben aber einen Bezug zur biblischen Geschichte. „Fisch und Brot als Symbole verweisen auf das weitere Geschehen in der Bibel, der Speisung der 5000 im Neuen Testament“, erläutert Michael Jastram. Zudem erhält die Szene durch diese Elemente trotz aller Zeitlosigkeit etwas Vertrautes, wie aus dem Leben gegriffen – und zeigt die Erzählfreude des Künstlers. 

Ein Mann fasst eine Krippenfigur aus Gips an. Sie steht mit anderen Figuren auf einem Podest.
Die fertigen Entwürfe für die Krippe im Schleswiger Dom stehen im Atelier des Künstlers bereit für den Guss. © Amrei Magdanz, Offene Kirche Schleswiger Dom

Nachdem ihm das Projekt im Rahmen eines Künstlerwettbewerbs anvertraut worden war, suchte er zunächst den St. Petri-Dom auf und ließ ihn auf sich wirken. „Dabei bin ich ganz demütig geworden“, erinnert er sich. „Ich habe versucht, dem nachzuspüren, was die Menschen hier im Dom empfinden. Denn ich möchte mit den Menschen und für die Menschen arbeiten.“ Über zahlreiche Skizzen hat Michael Jastram anschließend die Figuren entwickelt und auf dieser Grundlage plastisch umgesetzt.

In seine Vorstellung soll auch die Nähe des Doms zum Wasser, zur Fischerei und zur Seefahrt einfließen. Daher wird die Krippe einen Stall erhalten, der in seiner Formgebung an einen aufgestellten halben Schiffsrumpf erinnert und aus dem Material der aussortierten alten Kirchenbänke gefertigt wird.

Eine Pastorin steht im weihnachtlich geschmückten Inneren des Schleswiger Doms.
Pastorin Mirjam Steinebach weiß um die Bedeutung, die eine Weihnachtskrippe für viele Menschen hat.© Antje Wendt, Nordkirche

"Ich bin begeistert, dass Sie und wir am Dom den Mut hatten, eine neue Krippe gestalten zu lassen," findet die Schleswiger Pastorin Mirjam Steinebach. "Die neue Krippe im Dom ist mehr als Kunst – sie ist Ausdruck unseres Glaubens. Gerade in schwierigen Zeiten gibt sie uns Halt und etwas Greifbares, das wir an unsere Kinder weitergeben können. Offene und persönliche Zugänge lassen jeden fragen: Was bringen die Figuren mit? In welche Welt kommt Gott als Kind?"

Ein Ausdruck von Hoffnung 

Die Figuren sind bis Mitte Januar im Schleswiger Dom zu sehen und werden dann bis zum Advent 2026 weggepackt. „Die Resonanz auf unseren Spendenaufruf hat uns berührt – so viele haben mitgeholfen, dass wir genügend Mittel für Maria, Josef und das Kind zusammenbekommen haben. Das gemeinsame Engagement, das sich in jeder Spende, jedem Gespräch und jeder Unterstützung zeigt, ist selbst schon ein Ausdruck von Hoffnung,“ freut sich Amrei Magdanz.

"Jetzt sind wir sind zuversichtlich, dass wir bis Ende des nächsten Jahres genug Spenden einnehmen werden, um weitere Bronzen gießen zu lassen. So wird die Krippe Stück für Stück wachsen. Ich bin schon sehr gespannt auf die nächsten Figuren – und ich glaube, wir können uns auf einige Überraschungen gefasst machen.“

Künstler-Steckbrief

Michael Jastram wurde 1953 geboren. Die Bildhauerei war ihm ein Stück weit in die Wiege gelegt worden – sein Vater war der Bildhauer Jo Jastram. Dessen wichtige, öffentliche Werke stehen beispielsweise in Leipzig und Rostock.

Michael Jastram fand relativ zügig zur Kunst. Sein Studium der Bildhauerei nahm er 1974 auf, zunächst im Abendstudium und dann von 1979 bis 1984 im Vollstudium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee – wo auch sein Vater als Dozent tätig war.

Mit dem Diplom im Jahr 1984 begann seine Zeit als freischaffender Künstler – zur gleichen Zeit beantragte er seine Ausreise, die ihm allerdings erst mit der Wende genehmigt wurde. Bis 2020 lebte Michael Jastram in Berlin. Dort bildete er zwischenzeitlich Theaterbildhauer an der Deutschen Oper Berlin aus und war Dozent an der Art School in Berlin. Seit 2020 lebt und arbeitet Michael Jastram im Schleswig-Holsteinischen Niebüll.

Beeindruckend ist die Liste der Ausstellungen, die Michael Jastram aufweisen kann. Jährlich sind dies gleich mehrere, in Berlin, bundes- und teilweise sogar weltweit. Als freischaffender Künstler führten ihn Studienreisen oder Stipendien nach Italien, Frankreich, Dänemark, in die USA, nach Schottland und Japan.

Viele seiner Werke befinden sich in Sammlungen oder im öffentlichen Raum in Berlin, aber auch in bundesweiten Sammlungen, in Brasilien, USA oder Frankreich sowie im Deutschen Bundestag.

 

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