Interkulturelle Kirchenentwicklung

Einsatz für ein Miteinander auf Augenhöhe

Im Januar 2023 hat Nicolas Moumouni sein Amt als Referent für Interkulturelle Kirchenentwicklung angetreten. Seine Stelle ist Teil des Gesamtkonzeptes der Nordkirche, eine offene Kirche für alle Menschen zu sein.
Im Januar 2023 hat Nicolas Moumouni sein Amt als Referent für Interkulturelle Kirchenentwicklung angetreten. Seine Stelle ist Teil des Gesamtkonzeptes der Nordkirche, eine offene Kirche für alle Menschen zu sein.© privat

05. Juni 2025 von Kristina Tesch

Halbzeit für das Referat Interkulturelle Kirchenentwicklung der Nordkirche. Ziel des Teams ist es, die Nordkirche auch für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte attraktiv zu machen.

Seit 2023 bewegt sich in der evangelischen Nordkirche ein Prozess, der groß gedacht ist, aber im Kleinen anfängt: die interkulturelle Kirchenentwicklung. Einer, der ihn von Beginn an mitgestaltet, ist Nicolas Moumouni. Zusammen mit seiner Kollegin Julia Karimi bildet er das Team vom Referat Interkulturelle Kirchenentwicklung, das im Ökumenewerk der Nordkirche angesiedelt ist.

Die zentrale Frage in diesem Prozess laute: Wie kann die Nordkirche so gestaltet werden, dass sich Menschen mit Zuwanderungsgeschichte willkommen fühlen?

Die Antwort zu finden erfordert gleichermaßen Mut, Geduld und Klarheit, sagt Moumouni. Ein Anfang sei 2022 mit dem „Gesamtkonzept zur interkulturellen Öffnung“ von der Kirchenleitung gemacht worden. „Das war aus heutiger Sicht für den Transformationsprozess sehr futuristisch gedacht.“ Heute sei es aktueller denn je - angesichts von gesellschaftlichen Umbrüchen, dem Erstarken rechtsextremer Bewegungen und einer Kirche, die Mitglieder verliert.

Positiv hebt Moumouni auch hervor, dass es überhaupt ein eigenes Referat für Interkulturelle Kirchenentwicklung gibt. Im Vergleich zu anderen Landeskirchen sei das ein Alleinstellungsmerkmal der Nordkirche innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Interesse an Antirassismus-Trainings wächst

Auch das wachsende Interesse an Antirassismus-Trainings, die das Referat anbietet, sieht er als Teilerfolg. „Wenn Sensibilisierung gut erfolgt, wissen die Menschen, was ihre Rolle als Einzelne im System ist und können entsprechend handeln.“

Es gebe Pastorinnen und Pastoren, die Veranstaltungen zum Thema Rassismus organisieren oder ihre Räume anderen Gemeinden zur Verfügung stellen. Auch erste Überlegungen zu Schutzkonzepten gegen Rassismus, analog zu denen gegen sexualisierte Gewalt, seien in Gemeinden angekommen.

Große Herausforderungen - kleine Erfolge

Doch den kleinen Fortschritten stehen große Herausforderungen gegenüber. Eine davon sei die nahezu vollständige Homogenität der Strukturen. „Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich hier angefangen und bemerkt habe, wie weiß die Nordkirche ist“, sagt Moumouni. „Wie kann eine Kirche in einer Einwanderungsgesellschaft, deren Vorbild Jesus ist, ein palästinensischer Jude, es nicht schaffen, Menschen, die ihm ähneln, in ihren Strukturen sichtbar zu machen?“

Auch beim Teilen kirchlicher Räume sieht Moumouni noch große Defizite. Migrantische Gemeinden hätten oft nur Gaststatus und würden teilweise mehrere Tausend Euro Miete zahlen. „Das ist kein Miteinander auf Augenhöhe. Menschen wollen mit ihrer ganzen Identität willkommen sein - nicht nur singen, trommeln und kochen beim Gemeindefest.“

Ein weiteres Problem sei das fehlende Wissen über die eigene Geschichte im Hinblick auf Kolonialismus und Sklaverei. Moumouni verweist auf die koloniale Verstrickung der Kirche: „Es ist nachgewiesen, dass Pastoren Sklavenschiffe gesegnet haben und koloniale Tafeln in Kirchenräumen hängen.“ Die Auseinandersetzung mit dieser Geschichte sei für beide Seiten schmerzhaft, betont er und ergänzt: „Nur wenn wir Zugang zu uns selbst finden, können wir ein Miteinander ohne toxische Energie erreichen.“

Der notwendige Wandel müsse von der Personalpolitik über Sprache und Theologie bis zur Öffentlichkeitsarbeit alle Bereiche erfassen, erklärt er. „Wir als BIPoCs * brauchen Schutzstrukturen in Kirche“, fordert Moumouni. „Ich selbst erfahre in dieser Position Rassismus - wie geht es dann Menschen in anderen Funktionen in dieser Kirche?“

Synode
Nicolas Moumouni erklärt auf der Landessynode den Begriff der Black People of Colour (BPoC) und geht darauf ein, wie wichtig ein Sprachwandel im Kampf gegen Alltagsrassismus ist. © Hübner, Nordkirche

Die Kirche hat Verantwortung

Er kenne viele Kolleginnen und Kollegen, die Veränderungen wollen und erste Schritte gehen. Das sei ein Anfang. Für ein friedliches Miteinander brauche es vor allem die Bereitschaft, sich mit den eigenen rassistischen Verstrickungen auseinanderzusetzen. Nicht als einmalige Pflichtübung, sondern als dauerhafter Prozess der Haltungsänderung. Moumouni: „Die Kirche ist nicht nur Ort der Verkündigung - sie ist Arbeitgeberin, Bildungsakteurin, Seelsorgeraum. Sie hat Verantwortung.“ Wenn sie diese ernst nimmt, könne sie nicht nur glaubwürdig bleiben - sondern auch zukunftsfähig werden.

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