EM-Start

Fußball und Kirche: "All das, was Hoffnung trägt, verbindet"

Der Jubel im Stadion folgt einer Liturgie. Doch das ist nicht die einzige Parallele zur Kirche.
Der Jubel im Stadion folgt einer Liturgie. Doch das ist nicht die einzige Parallele zur Kirche. © fotolia/Christian Schwier

13. Juni 2024

Kirche und Fußball – passt das zusammen? Zumindest gibt es einige verbindende Elemente. Eins davon ist die Liturgie. Aber auch das Gemeinschaftsgefühl spielt eine große Rolle. Und der Glaube an eine gerechte Macht? Wir haben eine Pastorin und einen Pastor gefragt, wie sie die Sache sehen.

Ob Gottesdienst oder im Stadionbesuch: Lübecks Dom-Pastor Martin Klatt ist überzeugt, dass beide einer festen Liturgie folgen. „Es gibt die Punkte, wo alle gemeinsam aufstehen, und gemeinsam angestimmte Gesänge. Das alles folgt einem bestimmten festen Ablauf, den alle irgendwie kennen und der so einfach ist, dass man ihm auch leicht folgen kann.“

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Beide schaffen Verbundenheit 

Der Pastor ist erfahrener Stadion-Gänger und kennt sich auch mit dieser Form der Liturgie aus. Doch für ihn gibt es bei Kirche und Fußball noch weitere Gemeinsamkeiten, zum Beispiel die Verbundenheit der Menschen, die demselben Verein anhängen.

„Wenn die plötzlich neben einem stehen, man sich vorher noch nie gesehen hat und hinterher wahrscheinlich auch nie wieder sehen wird, gehören wir für diese Zeit trotzdem zusammen. Und wenn ein Tor fällt, umarmen sich alle. Das ist wunderbar!“

Pastor Martin Klatt
Pastor Martin Klatt ist gerne im Stadion. © Marieke Lohse, epd

In jedem Stadion erklingen liturgische Gesänge 

Genauso sieht es auch Pastorin Diana Krückmann aus Hanerau-Hademarschen (Kreis Rendsburg-Eckernförde). Sie hat selbst lange Fußball gespielt und teilt die Leidenschaft mit ihrer Familie. Auch sie findet diese Form der Liturgie im Stadion wichtig für den Zusammenhalt.

„All das, was Hoffnung trägt und Freude macht, verbindet“, sagt sie. Genau das wird gefeiert. „Es gibt keinen Verein, der keine liturgischen Gesänge hat.“ Selbst wenn der Zuschauer nur wenig Erfahrung hat, könne er diese schnell mitsingen.

Es geht um Liebe und Leidenschaft

„Und das ist es, was uns manchmal in unseren Gottesdiensten echt fehlt“, merkt sie an. „Ein 'Youʼll never walk alone' auf der Südtribüne, das vergisst du nicht!“

Klatt und Krückmann sind überzeugt, dass Kirche und Fußball sehr gut zusammenpassen. Denn es geht um die Liebe, die wir leben, und die Leidenschaften, mit denen wir als Menschen ausgestattet sind.

Gemeinsames Jubeln schafft Zugehörigkeitsgefühl

Krückmann findet sogar, im Stadion sei die deutlicher spürbar. „Und davon können wir uns als Kirche gerne mal eine Scheibe abschneiden!“ Für sie ist es diese Herzlichkeit, die wie ein „öffentliches Halleluja“ ist, das immer lauter wird.

Homeless Euro 2024 in Hamburg

Parallel zur EM beginnt in Hamburg die Homeless Euro 2024: Bei diesem Wettbewerb treten Länder-Teams verschiedener sozialer Einrichtungen im Fußball gegeneinander an. Austragungsort ist das Heiligengeistfeld. 

Ziel der Veranstaltung ist es, wohnungslose Menschen zu stärken. Mehr dazu lesen Sie hier. 

Das sei ausschlaggebend für die Verbundenheit: gemeinsames Jubeln, Fangesänge und die Leidenschaft für den eigenen Verein. Menschen lässt das sogar über Grenzen hinwegsehen, findet Klatt. „Ich glaube, dabei geht es um die Leidenschaft und Zugehörigkeit – mindestens für die Zeit des Spiels.“

Gibt es einen Fußball-Gott? 

Und für viele auch weit darüber hinaus. „Im Prinzip ist das wie eine Prozession, wenn man mit 80.000 Leuten vom Hauptbahnhof bis zum Stadion läuft. Und so manche Psalmen singen davon“, vergleicht Krückmann das Fan-Gefühl mit Glaube und Kirche.

Pastorin Diana Krückmann
Pastorin Diana Krückmann freut sich auf die EM. © Rebekka Krüger, epd

Ab und zu ist auch mal die Rede vom Fußball-Gott. „Dabei geht es vor allem darum, mit den Erfahrungen umzugehen, dass es im Fußball wie sonst auch im Leben schrecklich ungerecht zugehen kann“, erklärt Klatt. „Und dann ist da dieser Wunsch, dass es einen Ausgleich gibt und Gott derjenige ist, der am Ende für Gerechtigkeit sorgt.“

Alle Emotionen treten zutage

Hoffnung spielt beim Fußball eine große Rolle und der Umgang mit all den Gefühlen, die bei so einem Spiel hochkommen: Freude, Trauer, Glück oder Wut. Das hat weniger mit Aberglaube zu tun. „Dabei ist mir noch nie jemand begegnet, der gesagt hat, er bete zum Fußball-Gott“, berichtet Klatt.

„Es ist offenbar nicht möglich, zu ihm in Beziehung zu treten. Dabei ist das das Kostbarste an dem Gott, an den ich glaube, und darum bin ich ja Pastor.“ Krückmann ergänzt: „Außerdem gibt es immer auch einen Verlierer, und an dessen Seite steht Gott natürlich auch.“

Hoffnung auf ein Hochgefühl 

Fußball und Kirche schaffen Gemeinschaft und lassen uns Menschen eine Leidenschaft teilen. Klatt blickt hoffnungsvoll auf diesen Fußball-EM-Sommer: „Vielleicht gelingt ja, was wir 2006 erlebt haben. Dass so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht, das eine große Leichtigkeit und Weite hat, die nicht auf Abgrenzung bedacht sein muss.“

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