Gebärdenpoesie: Geschichten erzählen, ohne sprechen zu können
11. April 2013
Hamburg. Ein ungewöhnlicher Dichterabend erwartet Hörende und Gehörlose am Wochenende in Hamburg. Der bundesweit erste Poetry Slam in Gebärdensprache veranstaltet am Sonnabend (13. April) im Gewerbegebiet von Hammerbrook sein Finale. Beim "BÄÄM! Der Deaf Slam" konkurrieren 13 gehörlose und hörende Nachwuchs-Poeten mit Gebärden und Gesten um den Sieg. Veranstalter ist die "Aktion Mensch".
Wenn Julia Hroch auf der Bühne steht, malt sie mit ihren Händen Bilder in die Luft. Langsam werden ihre Bewegungen zur Pantomime: Sie geht in die Knie, tastet eine durchsichtige Wand ab. Am Ende strahlt die Frau mit den pinkfarbenen Strähnen. Die Zuschauer reißen die Arme hoch, trampeln auf den Boden. Hroch kann diesen Applaus zwar nicht hören, dafür aber die Begeisterung mit den Augen viel besser wahrnehmen als andere Menschen. Die 30-jährige Berlinerin ist von Geburt an gehörlos und eine der Finalistinnen beim Deaf-Slam.
Gebärdenpoesie soll bekannt gemacht werden
Die "Aktion Mensch" hat den "Deaf Slam" ins Leben gerufen, um die Gebärdenpoesie bekanntzumachen. Bis Ende März fanden in Heidelberg, Berlin, Dortmund und München Vorentscheide statt. Beim letzten Vorentscheid am vorigen Wochenende im Hamburger Schanzenviertel haben sich Dawei Ni und David Demke qualifiziert.
"Gebärdensprache funktioniert in Bildern", sagt Poetry-Slammer und Jurymitglied Wolf Hogekamp. Ein guter Poetry-Slamer könne mit seiner Sprache den ganzen Raum ergreifen. Ob ein Nicht-Gebärdensprachler die Texte versteht, hänge davon ab, wie ausdrucksstark der Interpret sie vorträgt. Die Texte werden jedoch auch von einem Dolmetscher übersetzt.
Mimik ersetzt in der Gebärdensprache, was in der Lautsprache über Tonhöhen, Lautstärke oder Sprechmelodie möglich ist. "Nur über eure Mimik könnt ihr Gefühle übermitteln", sagt Gebärdenpoet Giuseppe Giuranna. "Wenn ihr die Herzen der Zuschauer erreicht, dann habt ihr es geschafft."
Mit Mimik die Herzen der Zuschauer erobern
Die Regeln beim Deaf-Slam sind die gleichen wie beim Poetry-Slam: Dichter konkurrieren mit ihren selbstausgedachten Texten um die Gunst des Publikums. Dafür haben sie fünf Minuten Zeit. Am Ende entscheiden die Zuschauer und eine Jury über den Gewinner. Der Sieger des bundesweiten Deaf Slam bekommt eine Reise nach New York, um dort die amerikanische Deaf-Slam-Szene kennenzulernen.
Die Gehörlosen-Community sei in Deutschland an den Rand gedrängt, urteilt Martin Georgi, Vorstand der Organisation. "Die Leute sollen sehen, dass mit Gebärdensprache eine ganz neuartige Form von Poesie möglich ist." Im Anschluss an das Finale wird es richtig laut: Dann beginnt eine Tanz-Party, bei der auch Gehörlose die Musik durch Schwingungen des Tanzbodens aufnehmen können.
Teilnehmende der Finalrunde sind: Ace Mahbaz (Berlin), Pia Katharina Jendreizik (Dormtund), Margarita Fagafurova (München), Kassandra Wedel (München), Nur Beysun (München), Rupert Schmidlechner (München), Julia Hroch (Berlin), Okan Seese (Berlin), Hristo Trajkovski (München), Hans Busch (München), Anna-Maria Wall (Darmstadt), Dawei Ni (Hamburg) und David Demke (Hamburg)