Hamburger Ökumene-Pastorin: "Zuwanderung macht das christliche Leben bunter"
20. April 2017
Sie ist schon seit fast einem Jahr im Amt, aber immer noch auf Entdeckungsreise. Hamburgs Ökumene-Pastorin Annette Reimers-Avenarius (45) erzählt über die Vielfalt an christlichen Gemeinden in der Hansestadt - und darüber, dass viele Flüchtlinge und Migranten nur selten als Christen wahrgenommen werden würden.
Es gibt evangelische und freikirchliche Gemeinden mit Christen aus Südkorea, Indonesien und China. Zum Beispiel. Einige evangelische Gemeinden begleiten übergetretene Christen aus dem Iran. Und dank der Flüchtlinge ist etwa die Gemeinde der orthodoxen Christen aus Eritrea an der evangelischen Kreuzkirche Othmarschen innerhalb kurzer Zeit auf über 1.000 Mitglieder gewachsen. Das alles hat Annette Reimers-Avenarius schon beobachtet. Seit Juli vergangenen Jahres ist sie Ökumene-Pastorin der Nordkirche in Hamburg. Doch noch immer sei sie auf "Entdeckungsreise", wie sie selbst sagt.
Kaum Zahlen, aber Vielfalt
Dabei ist ihr auch deutlich geworden: Flüchtlinge und Migranten werden nur selten als Christen wahrgenommen. Vorherrschendes Bild sei, dass es sich um Muslime handelt, sagt die evangelische Theologin. Dabei sei durch die Zuwanderung das christliche Leben in Hamburg "so bunt wie nie zuvor" geworden. Wie viele Christen der unterschiedlichsten Kirchen in Hamburg lebten, werde allerdings nirgends erfasst. "Ich habe keine Zahl", sagt Reimers-Avenarius.
Gottesdienst feiern - in Kirchen und in Lagerhallen
Doch so viel kann man sagen: Besonders vielfältig ist das Gemeindeleben afrikanischer Christen. Es gibt schätzungsweise 80 Gemeinden mit jeweils etwa 50 bis 200 Mitgliedern. Viele von ihnen sind charismatisch oder pfingstkirchlich ausgerichtet und begehen ihre Feste ganz unterschiedlich. Einige Gemeinden feiern die Gottesdienste in Lagerhallen, andere sind Gast in evangelischen Kirchen. In Borgfelde (Berliner Tor) etwa hat die örtliche evangelische Gemeinde afrikanischen Christen ihre nur selten genutzte Kirche überlassen.
Vermittlungsarbeit im Fokus
Ihre vordringliche Aufgabe sieht die Ökumene-Pastorin darin, die einzelnen Gruppen zu vernetzen. Wenn ausländische Gemeinden vorhandene Kirchen nutzen könnten, habe dies Vorteile für beide Seiten. Die lutherischen Kirchen möchte die Pastorin für andere Kulturen öffnen. "Es wäre doch schön, wenn sich die Auslandsgemeinden nicht nur als Gäste, sondern richtig zu Hause fühlen." Dafür braucht Reimers-Avenarius einen langer Atem: Charismatische Frömmigkeit mit persönlicher Zwiesprache zum heiligen Geist ist vielen traditionellen Kirchgängern fremd. Und dass Pastoren aus dem Ausland Theologie studiert haben, ist auch eher die Ausnahme.
Bald noch mehr Kirchen im ACKH?
Viel Vermittlungsarbeit steht daher täglich an. Aber Aufgabe der Ökumene-Pastorin ist auch die Geschäftsführung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Hamburg (ACKH). Zu den 27 Mitgliedern zählen neben Anglikanern, Katholiken, Altkatholiken und der Heilsarmee auch orthodoxe Gemeinden aus Serbien, Rumänien, Syrien und Russland. Die Neuapostolische Kirche betreibt seit mehreren Jahren einen Prozess der ökumenischen Öffnung und könnte bald Mitglied werden. Auch die methodistisch geprägte "Kirche des Nazareners" steht auf der Anwärterliste.
Fremde Kulturen erleben
Annette Reimers-Avenarius sieht in der Vielfalt der Christenlandschaft vor allem eine Bereicherung des religiösen Lebens in Hamburg. Der religiöse Garten an Elbe und Alster werde vielfältiger und bunter, sagte sie. Das habe einen entscheidenden Vorteil: Um fremde Kulturen zu erleben, müsse man heute nicht mehr in die entlegenen Winkel der Welt reisen.