EKD-Ratsvorsitzender im Interview

Herr Bedford-Strohm, warum zeigt Gott sich nicht?

Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratsvorsitzender, beim Abschlussgottesdienst der vergangenen EKD-Synode in Würzburg
Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratsvorsitzender, beim Abschlussgottesdienst der vergangenen EKD-Synode in Würzburg© epd

22. Mai 2015 von Timo Teggatz

Wo wird Gott real erkennbar? Und was kann man tun, wenn der Glaube ins Wanken gerät? Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm gibt Antworten – und verrät Fragen, mit denen er selbst ringt.

Warum zeigt sich Gott nicht?

Heinrich Bedford-Strohm: Gott ist nicht verfügbar für uns Menschen. Sonst wäre er nicht Gott. Schon die Psalmbeter haben mit Gott darum gerungen. „Verbirg dein Angesicht nicht vor mir“ – heißt es in Psalm 27. Und dann am Ende heißt es: „Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen.“ Am Ende zeigt sich Gott eben doch!

Wäre es für Gott und seine Welt nicht einfacher, wenn er sichtbar präsent wäre?

Das Element der Unsichtbarkeit und Unverrechenbarkeit ist wesentlich für einen Gott, der wirklich Gott und nicht Götze ist. Es hat gute Gründe, dass wir kritisch gegenüber Götzen sind. Götzen sind nämlich der Versuch, Gott so sichtbar zu machen, dass wir seiner habhaft werden oder uns seiner bedienen können. Aber genauso klar ist, dass Gott in unserer Welt sehr wohl sichtbar präsent ist. Aber eben nicht immer so, wie wir es erwarten. Manchmal nicht als machtvolle Manifestation, sondern als „ein stilles, sanftes Sausen“ – so wie der Prophet Elia das erfährt (1. Könige 19). Jesus selbst gibt uns einen klaren Hinweis: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben …“ – und dann kommen noch einige weitere Beispiele dafür, wie Gott uns in Christus im Alltag begegnet.

Wo wird Gott real erkennbar?

Theologisch ist die klare Auskunft: in Jesus Christus. Was das dann konkret bedeutet, wie er uns im Alltag begegnet und evident wird, kann man immer nur persönlich sagen. Das kann die Erfahrung einer Heilung sein. Das kann die Stimme des Gewissens sein, die etwas, was wir tun oder getan haben, massiv infrage stellt. Das kann aber auch schlicht die Erfahrung der Zuwendung eines anderen Menschen sein, den wir als Engel erfahren, den Gott uns geschickt hat.

Woher haben Sie Ihre Glaubensgewissheit?

Das ist für mich ein langer Wachstumsprozess gewesen. Noch als ich mit dem Theologiestudium begonnen habe, war ich unsicher, ob das bisschen Glauben, das ich zu haben meinte, für ein solches Studium reicht. Das hat sich immer mehr gefestigt, je mehr ich in der Bibel gelesen und mich mit den darin zum Ausdruck kommenden Inhalten beschäftigt, auch kritisch auseinandergesetzt habe. Ich empfinde die Erfahrung, mich von Gott getragen zu fühlen, als ein großes Geschenk. Ich fühle mich reich gesegnet.

Ist Zweifeln Christen erlaubt?

Schon die Frage zu stellen, ist schief. Denn das hieße ja, man würde den Glauben anderer beurteilen. Wer zweifelt, fragt nicht danach, ob es erlaubt ist. Er sucht sich das ja nicht aus. Er macht einfach die Erfahrung des Zweifels. Und das kann sehr hart sein. Aber dass er dabei in guter biblischer Gesellschaft ist, zeigen so eindrucksvolle Gestalten wie der Prophet Jeremia oder Hiob, denen die Bibel jeweils ein ganzes Buch widmet. Zweifel kann als Teil des Weges erfahren werden, den Gott mit uns geht. Aber das können wir eben oft erst im Rückblick erkennen. Im Buch Hiob ist der Satan sogar von Gott in Dienst genommen. Die entscheidende Botschaft ist: Selbst im Zweifel, selbst in dem, was du als Versuchung erfährst, bleibst du gehalten in Gottes Hand.

Zweifeln Sie ab und zu?

Ich zweifle nicht daran, dass es Gott gibt und dass er da ist und dass er sich mir in Christus zeigt. Obwohl ich mir sehr bewusst bin, dass niemand gegen einen solchen Zweifel gefeit ist. Dass Gott in Situationen schlimmen Leids da ist, daran zweifle ich nicht. Gott hat ja in Christus selbst das Äußerste an Verzweiflung durchlitten. Die Frage, mit der ich ringe, ist: Warum müssen Menschen durch so viel Leid gehen? Warum erfahren wir von dem, was wir für das Ende der Zeiten erhoffen – dass Hass und Gewalt überwunden sind, dass alle Tränen abgewischt sind, dass „kein Schmerz, kein Leid noch Geschrei mehr sein wird“ (Offenbarung 21) –, warum erfahren wir davon nicht mehr schon jetzt?

Warum lässt ein angeblich allmächtiger, barmherziger Gott Unglück und Not zu?

Gott hat uns zu seinem Bilde geschaffen. Deswegen sind wir keine Marionetten, die von Gott gesteuert werden. Sondern mit Freiheit begabt. Gott will, dass wir seine Gebote aus Freiheit befolgen. Wenn Menschen einander Gewalt antun, dann geht die Frage nach dem Warum nicht an Gott, sondern an uns Menschen. Die Bibel macht es noch schwerer: Gott kann aus seinen Werken erkannt werden, aber auch dieser Weg ist durch die Sünde verdunkelt. (1. Korinther 1, 18)
Die Grundorientierungen, die uns die Bibel gibt, sind klar: Sie finden ihren besonderen Ausdruck im Doppelgebot der Liebe und der damit verbundenen Verpflichtung zum Schutz der Schwachen.

Sie sind Wissenschaftler, können aber Glaubenssätze nicht wissenschaftlich beweisen.

Ein solcher Versuch wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wenn der Mensch mit seinen begrenzten Kategorien Gott beweisen könnte, dann wäre es nicht Gott. Denn Gott ist immer größer, als was Menschen erfassen können. Glaube heißt immer: radikales Vertrauen.

Was kann man tun, wenn der Glaube ins Wanken gerät?

Seine innere Bedrängnis mit anderen teilen, vielleicht die Klage darüber still im Gebet Gott sagen oder auch laut herausschreien. Und vor allem: Psalmen lesen. Sie geben unseren Gefühlen Sprache. Und immer wieder schenken sie die Erfahrung, dass wir beim Meditieren der Psalmen auf dem Weg der Bedrängnis in ein neues Vertrauen mit hineingenommen werden.

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