Besuch bei der Diakonie

In der Schuldenhochburg Neumünster leisten die Berater Schwerstarbeit

Die Schuldnerberatung der Diakonie bereit im vergangenen mehr als 1000 Personen
Die Schuldnerberatung der Diakonie bereit im vergangenen mehr als 1000 Personen© Eisenhans / Fotolia

04. März 2015 von Timo Teggatz

Neumünster. Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit ist niedrig – und doch ist die Armut weiter verbreitet als je zuvor. Ein Besuch bei der Schuldnerberatung der Diakonie in Neumünster, jener Stadt, die als Schuldenhochburg Schleswig-Holsteins gilt.

Ja, das gibt’s auch: Ehepaar mit zwei Kindern, jeden Monat 7000 Euro netto auf dem Konto – und trotzdem pleite. Aber so ein Fall ist selten. Die klassischen Fälle der Schuldnerberaterinnen sehen anders aus in Neumünster, der Stadt, die nach jüngsten Zahlen der Creditreform zum sechsten Mal in Folge die Schuldenhochburg in Schleswig-Holstein war: Jeder sechste erwachsene Einwohner ist überschuldet. Doch nur ein Bruchteil der fast 11 000 Betroffenen wendet sich in so einer Situation an die Berater.

Schuldnerberatung betreute mehr als 500 Personen

Insgesamt betreute die Schuldner- und Insolvenzberatung der Diakonie Altholstein im vergangenen Jahr 507 Personen im gerichtlichen Insolvenzverfahren oder bei einer außergerichtlichen Einigung mit Gläubigern. 67 von ihnen waren alleinerziehend, der Anteil der Frauen betrug 91 Prozent. Weitere 613 Personen nutzten die allgemeine Schuldnerberatung. Und knapp 150 kamen zu den Informationsabenden.

In Neumünster leben rund 3000 Alleinerziehende, jeder fünfte Erstklässler in der Stadt lebt bei nur einem Elternteil. Deshalb hatten sich die Beraterinnen im vergangenen Jahr die Situation Alleinerziehender in der Insolvenzberatung genauer angesehen. Dabei wurde unter anderem eines deutlich, so Sybille Schwenk, Leiterin der Einrichtung: Fehlende Ausbildung und die frühe alleinige Verantwortung für ein oder mehrere Kinder erhöhen das Risiko deutlich, sich zu überschulden. In der Altersgruppe bis 35 Jahren sind die Alleinerziehenden mit einem Drittel der beratenen Frauen deutlich überrepräsentiert.

Oft ist Soforthilfe gefragt

Bei den Jüngeren, in der Altersgruppe bis 25 Jahren, war keine Alleinerziehende erwerbstätig, insgesamt war in dieser Altersgruppe knapp jeder vierte in Arbeit. Dieses Verhältnis ändert sich mit steigendem Alter: In der Gruppe der über 36-Jährigen waren rund 40 Prozent der Schuldner abhängig beschäftigt oder selbstständig, egal ob alleinerziehend oder nicht. Mit 56 Prozent ohne Berufsausbildung sind die Alleinerziehenden jedoch auch in dieser Altersgruppe deutlich geringer qualifiziert als die Gesamtgruppe, in der etwa 40 Prozent ohne Ausbildung waren. Dementsprechend geringer ist das erzielte Einkommen, so Sybille Schwenk.

Eine Studie der Diakonie Schleswig-Holstein von 2014 („Soziale Ungleichheiten in Schleswig-Holstein – am Beispiel von Lebenslagen Alleinerziehender in ländlichen Räumen“) geht davon aus, dass rund 15 Prozent der Alleinerziehenden im Land verschuldet sind, 40 Prozent aller Alleinerziehenden sind auf staatliche Transferleistungen wie Arbeitslosengeld II, Wohngeld, Unterhaltsvorschuss oder Kinderzuschlag angewiesen.

Die akuten Krisenfälle, so Sybille Schwenk weiter, nehmen mehr Raum ein: Während es in früheren Jahren hauptsächlich um die Regulierung alter Schulden ging, müssen die Berater heute häufiger Soforthilfe leisten. Energiesperren oder Mietschulden erfordern eine unmittelbare Verhandlung mit den Gläubigern, um eine Versorgung zu sichern.

Beratung fängt schon in Schulen an

Für die Studie im vergangenen Jahr hatte die Diakonie Schleswig-Holstein rund 300 Alleinerziehende interviewt. In Gesprächen und Diskussionen hatten sie offen über ihre Situation gesprochen und Probleme benannt. Die Mehrzahl der  Befragten war überzeugt, ihr Leben zu meistern. Doch die Mängel seien nicht zu übersehen: Vor allem die unzureichende Kinderbetreuung, wenig flexible Arbeitszeiten und fehlende Beratungsstellen wurden angemahnt. Der ständige Mangel an Zeit und niedrige Einkommen machen den Alleinerziehenden ihr Leben zusätzlich schwer – und Vorurteile: Die Hälfte der Befragten in Neumünster hatten sich schon einmal aufgrund ihrer Lebenssituation diskriminiert gefühlt – durch abwertende Äußerungen, institutionelle Regelungen oder bei der Arbeits- und Wohnungssuche.

Die „Kun­den“-Zahlen der Schuldnerberatung steigen von Jahr zu Jahr. Deshalb sei es wichtig, den Betroffenen frühzeitig umfassende Hilfe anbieten zu können, mahnen die Beraterinnen. Daher bietet die Diakonie in Neumünster Beratungen  auch in Schulen und Justizvollzugsanstalten an.

Doch im besten Fall sollte Überschuldung von vornherein vermieden werden. Hierbei helfe nur Prävention – also Bildung – sagt Sybille Schwenk: „Qualifikation ist und bleibt der Schlüssel, um wieder ins Leben zurückzufinden.“

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