Katja Happe leitet Schleswig-Holsteins älteste KZ-Gedenkstätte Ladelund
29. August 2019
Die Historikerin Katja Happe leitet Schleswig-Holsteins älteste KZ-Gedenkstätte Ladelund. Besonders Schülern will sie vermitteln, wie das nordfriesische Dorf unter den Nazis im Winter 1944 zum Grab für 300 Menschen wurde.
Infos unter
kz-gedenkstaette-ladelund.de
Die Stellenbeschreibung passte wie die Faust aufs Auge: Als die Berliner Historikerin Katja Happe (48) erfuhr, dass die evangelische Nordkirche für die bundesweit einzige KZ-Gedenkstätte in kirchlicher Trägerschaft in Ladelund (Kreis Nordfriesland) eine neue Leitung suchte, bewarb sie sich sofort. Sie bekam den Job und zog im Februar nach Ladelund an die dänische Grenze. Am Sonntag (1. September) wird sie in der Ladelunder St. Petri-Kirche offiziell in ihr Amt eingeführt.
Amtseinführung am 1. September
"Die NS-Zeit fasziniert mich aus psychologischer und sozialer Sicht seit Studientagen", sagt Happe. Seit 20 Jahren beschäftigt sie sich mit dem Nationalsozialismus und sammelte bereits Erfahrungen in der Gedenkstätte Münchner Platz in Dresden. Außerdem studierte sie in den Niederlanden - in dem Land, das mit der NS-Vergangenheit Ladelunds eng verknüpft ist.
Anschaulich erzählt die promovierte Historikerin von dem Fall im niederländischen Putten. Im Oktober 1944 griff dort eine Widerstandsgruppe ein Auto mit deutschen Offizieren an. Daraufhin beschloss die Wehrmacht, alle 600 Männer aus dem Dorf zu deportieren. 278 Puttener kamen nach Ladelund. Mit gut 1.800 anderen Männern aus zwölf Nationen mussten sie einen 13 Kilometer langen Panzerabwehrgraben ausheben, weil die Nazis eine Invasion aus dem Norden befürchteten.
In sechs Wochen starben 300 KZ-Häftlinge
Nach nur sechs Wochen wurde das Lager aufgelöst. 300 Menschen starben, darunter 110 Puttener. Sie wurden von dem damaligen Pastor der evangelischen Gemeinde, Johannes Meyer, auf dem Friedhof der Gemeinde beerdigt. Bereits kurz nach Kriegende lud er die Hinterbliebenen der Häftlinge ein, die neun Massengräber zu besuchen, und gründete damit die älteste KZ-Gedenkstätte Schleswig-Holsteins. 1950 machten sich die Puttener zum ersten Mal auf den Weg nach Ladelund. Seitdem kommen sie jedes Jahr am Volkstrauertag im November.
Von ihrem Büro aus kann Katja Happe den "Garten der Begegnung" sehen, den sie im April gemeinsam mit Niederländern bepflanzt hat. Inzwischen blühen dort Wiesenblumen in jeglichen Farben. Die 48 Überlebenden aus Putten sind alle verstorben. Doch ihre Kinder halten die Erinnerung wach, bringen inzwischen ihre Enkel mit und zeigen ihnen, wo ihr Opa begraben liegt. "Die Beziehung zwischen Putten und Ladelund ist inzwischen sehr eng und keineswegs selbstverständlich", sagt Happe.
Schülern die NS-Zeit erklären
Sie hat sich zum Ziel gesetzt, besonders Schülern den Winter 1944 näher zu bringen. Gerade an sonnigen Sommertagen ist das schwer, wenn in dem drei Meter tiefen Panzerabwehrgraben kurz hinter der Gedenkstätte die Butterblumen blühen. Happe erklärt den Schülern dann, dass die Männer hungrig und mit 200 bewaffneten Soldaten im Rücken bei Minusgraden schuften mussten. Bagger oder schweres Gerät hatten sie nicht, erklärt sie den oftmals verblüfften Besuchern.
Natürlich führt die Historikerin die jungen Menschen auch durch die 2017 neu eröffnete Dauerausstellung in Ladelund, macht mit ihnen Workshops, erarbeitet mit ihnen Biografien der KZ-Häftlinge. Aber sie hat auch Ideen für neue pädagogische Konzepte. Zum Beispiel könnten die Schüler mit ihren Smartphones kleine Filme über ihre Erfahrungen in der Gedenkstätte drehen. "Dazu braucht man Zeit mit den Schülern und Geld für pädagogische Unterstützung. An beidem arbeite ich gerade."
Verhindern, dass die Geschichte sich wiederholt
Happe will junge Menschen dafür sensibilisieren, dass die Gesellschaft auch heute von rechten Strömungen instrumentalisiert werden kann. Geschichtliches Wissen sei wichtig, aber die Verbindung zur Gegenwart noch wichtiger. "Man muss verstehen, wie es zu Ausgrenzungen, etwa von Flüchtlingen, kommt. Nur dann kann man verhindern, dass die Geschichte sich wiederholt."