Kontroverse Debatte über Gottesbezug im Kieler Landtag
29. April 2016
Schleswig-Holsteins Landtag hat heute (29. April) erneut darüber beraten, ob die Präambel der neuen Landesverfassung einen so genannten Gottesbezug bekommt. Nach der ersten Lesung eines entsprechenden Gesetzentwurfes mit einem Formulierungsvorschlag ist dieser zu weiteren Beratungen einstimmig in den Innen- und Rechtsausschuss weitergeleitet worden. Noch vor der Sommerpause soll die zweite abschließende Lesung stattfinden.
Die Verfassung kann nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden, 46 der insgesamt 69 Abgeordneten müssten dann zustimmen. Ob die Verfassung tatsächlich geändert wird, gilt noch als offen. Eine religionsübergreifende Volksinitiative hatte binnen weniger Wochen weit mehr als 40.000 Unterschriften für einen Gottesbezug gesammelt.
Zustimmung von 46 der 69 Abgeordneten im Kieler Landtag notwendig
Zur Debatte steht derzeit der Formulierungsvorschlag: "In Achtung der Verantwortung, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen universellen Quellen gemeinsamer Werte ergibt, hat der Landtag in Vertretung der schleswig-holsteinischen Bürgerinnen und Bürger (...) diese Verfassung beschlossen."
In der Diskussion verwies der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Daniel Günther, auf die Volksinitiative für einen Gottesbezug in der Landesverfassung. "Die mehr als 40.000 Menschen, die ihre Unterschrift geleistet haben, sind der sichtbare Beweis dafür, dass vielen Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern dieses Thema wichtig ist und der Landtag eine neue Entscheidung treffen soll", sagte er. Die CDU-Fraktion will geschlossen für einen Gottesbezug stimmen.
Fraktionsübergreifende Zustimmung für Kompromissvorschlag
Während SPD-Fraktionschef Ralf Stegner ebenfalls für einen Gottesbezug in der Präambel der Landesverfassung das Wort ergriff, sprach sich der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Wolfgang Kubicki, dagegen aus. Der Formulierungsvorschlag "eint nicht". Das dürfe so nicht in der Verfassung stehen. Er verwies zudem darauf, dass die Werte der Christen, Muslime und Juden nicht identisch seien mit denen des Landtags. So würden in deren Glaubensgrundlagen wie der Bibel Frauen diskriminiert.Der FDP-Abgeordnete Oliver Kumbartzky warb hingegen für einen solchen Gottesbezug", der niemanden ausschließt", und nannte diesen eine "Toleranzformel".
Ministerpräsident Tosten Albig (SPD) sprach sich für den Vorschlag aus, den 31 Landtagsabgeordnete aus allen Fraktionen außer der Piratenfraktion unterschrieben hatten. Er sei dankbar für die Formulierung, die ein Kompromiss sei, sagte der Regierungschef. Andere Abgeordnete verschiedener Fraktionen sprachen sich gegen einen Gottesbezug aus.
Der Sprecher der Volksinitiative für die Aufnahme eines Gottesbezugs und ehemalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) begrüßte die Debatte: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass in der zweiten Lesung die erforderliche Mehrheit zusammenkommt. Vertreter unserer Volksinitiative stehen den Abgeordneten und Fraktionen auch weiter gerne für Gespräche zur Verfügung."
Bischof Magaard: Gottesbezug kein Glaubensbekenntnis
Auch die evangelische Nordkirche und das katholische Erzbistum Hamburg begrüßten die Diskussion im Kieler Landtag. Nach den Worten des Schleswiger Bischofs Gothart Magaard sei deutlich geworden, dass ein Gottesbezug kein Glaubensbekenntnis ist. Er sei vielmehr ein Ausdruck dafür, "dass der Mensch nicht das Maß aller Dinge ist." Der katholische Erzbischof Stefan Heße äußerte sich zuversichtlich, dass am Ende die erforderliche Mehrheit zustande kommt. "Gleichwohl werde ich die weitere Debatte weiterhin kritisch beobachten", sagte er.
Der Landtag hatte am 8. Oktober 2014 eine Formulierung für die Präambel der neuen Landesverfassung ohne Gottesbezug beschlossen. Als Reaktion darauf wurde am 2. März 2015 die Volksinitiative für einen Gottesbezug gegründet. Sie sammelte bis Anfang Juli über 42.000 Unterschriften für ihr Anliegen und überreichte sie Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU).
Zu den Initiatoren der Volksinitiative gehören neben Carstensen auch der ehemalige Ministerpräsident Björn Engholm (SPD), Vertreter der Nordkirche, des Erzbistums, der Schura und des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden.