Lübecker Telefonseelsorge berichtet von wachsender Not
05. September 2025
10.304 Menschen haben sich im Jahr 2023 selbst getötet. Trotz zahlreicher Hilfsangebote ist die Zahl derer, die sich das Leben nehmen, damit nicht zurückgegangen, sondern sogar leicht gestiegen. Die Lübecker Telefonseelsorge berichtet von wachsender Not. Bei den Gesprächen, die die Mitarbeitenden führen, wird ein Faktor für persönliche Krisen besonders häufig benannt.
Seit zwei Jahrzehnten liegt die Zahl derer, die durch Selbsttötung sterben, auf einem konstant hohen Niveau. 2023 waren es sogar noch etwas mehr als 10.000 Menschen, die Suizid begangen haben. „Damit sterben mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Drogen oder Gewalttaten zusammen“, erklärt Pastor Frank Gottschalk, Leiter der Lübecker Telefonseelsorge. Besonders betroffen seien Männer. Sie machen 72,6 Prozent der Fälle aus.
Gespräche können Leben retten
Aktuell zum 10. September: Hamburger Hauptkirche St. Jacobi lädt am Welttag der Suzidprävention zu Gottesdienst
Dazu kämen jedes Jahr mehr als 100.000 Suizidversuche in Deutschland. „Diese Zahl macht deutlich, wie viele Menschen sich in einer tiefen Krise befinden – und wie dringend es ist, dass sie Gehör finden“, sagt Gottschalk. Er und sein Team helfen Menschen in seelischen Notlagen – sie sind als Teil des bundesweiten Telefonseelsorge-Netzwerks an allen Tagen die Woche, rund um die Uhr erreichbar.
Trotzdem reicht das Angebot oft nicht aus, um allen Anrufe entgegenzunehmen. Viele Menschen bleiben in der Warteschlange, so die Erfahrung der Seelsorger. Und das, obwohl es manchmal im wahrsten Sinne des Wortes darum gehe, Leben zu retten.
„Die Suizidprävention ist fester Bestandteil unserer Arbeit“, sagt Gottschalk. Hinter den Zahlen stünden Menschen, die am Leben verzweifeln. „Wir dürfen sie nicht alleinlassen“, erklärt der Pastor.
Besonders häufig hängen Lebenskrisen mit einem Faktor zusammen: Einsamkeit. „Über 22 Prozent unserer Gespräche drehen sich um Einsamkeit“, sagt Gottschalk. Mehr als 60 Prozent der Anrufenden würden allein leben, über 35 Prozent hätten eine psychische Erkrankung. „Mehr als sechs Prozent sprechen offen über Suizidgedanken. Das sind erschütternde Zahlen“, sagte der Pastor. Mehr dazu lesen Sie in unserem Artikel "Wenn das Alleinsein unerträglich wird – die Telefonseelsorge hört hin".
Reden wirkt wie ein Ventil
Gerade für Menschen, die sonst wenig Kontakte haben, sei das Zuhören entscheidend. „Menschen mit Suizidgedanken können bei uns offen über ihre Gefühle sprechen – ohne bewertet zu werden“, erklärte Gottschalk. Schon ein Gespräch könne Hoffnung schenken. Alle Gespräche sind selbstverständlich vertraulich, die Anrufer und Anruferinnen können anonym bleiben.
Für die Telefonseelsorge arbeiten in Lübeck mehr als 70 Ehrenamtliche. Bundesweit seien es rund 7.900. Allein 2024 hätten diese mehr als 1,3 Millionen Anrufe entgegengenommen.
Um dieses Angebot zu sichern, sucht die Telefonseelsorge Lübeck ehrenamtliche Verstärkung. Im Herbst starte ein neuer Ausbildungskurs. Interessierte könnten sich bis Ende September unter Tel. 0451/30 24 81 oder per Mail an fgottschalk@kirche-LL.de melden.