Porträt zum Küstertag

Michel-Küster Tobias Jahn: "Der Mensch soll ohne Last aus der Kirche gehen können"

Tobias Jahn ist "der Wächter" des Michels: Zusammen mit seinen Küster-Kollegen sorgt er dafür, dass hier jede Veranstaltung in einem würdevollen Rahmen gefeiert werden kann.
Tobias Jahn ist "der Wächter" des Michels: Zusammen mit seinen Küster-Kollegen sorgt er dafür, dass hier jede Veranstaltung in einem würdevollen Rahmen gefeiert werden kann. © Julia Krause, Nordkirche

24. Oktober 2022 von Julia Krause

Tobias Jahn kennt den Michel wahrscheinlich besser als jeder andere: Er ist Küster in Hamburgs berühmtester Kirche. Dass er hier mal seine berufliche Heimat finden würde, hätte der ehemalige Bundeswehr-Ausbilder nicht gedacht. Doch das Leben ist immer für eine Überraschung gut.

Aus dem Altarraum dringt Gesang, gemischt mit einem Gemurmel von Kinderstimmen. Es wird lautet und lauter, mischt sich mit dem Getrappel von vielen kleinen Füßen und schwillt schließlich zu einem letzten, triumphalen „Gelobt sei der Name des Herrn“ an. Der Kindergottesdienst ist vorbei. Tobias Jahn macht sich daran, die Sitzkissen wieder an ihre richtige Stelle zu rücken und schaut ob niemand etwas vergessen hat.

Ein Wächter und Beschützer

Fast 30 Jahre ist er schon im Dienst der Kirchengemeinde St. Michaelis. Er ist dort einer von drei Küstern. Die Berufsbezeichnung leitet sich aus dem lateinischen Wort „custos“ – der Wächter – ab, erklärt er stolz. „Ich bin für diese Kirche verantwortlich, sie ist mir anvertraut“.

In der Praxis sei er „das Mädchen für alles“, fügt er hinzu: Er kümmert sich darum, dass der Michel stets aufgeräumt und bereit für die nächste Veranstaltung ist. Nichts liegt hier zufällig rum, alles hat seinen Platz – von den Hinweistafeln über den Blumenschmuck bis zu den Altarkerzen. Frisch muss es nicht nur aussehen, sondern auch wirklich sein. „Auf dem Altar dürfen keine künstlichen Kerzen stehen. Auch keine Seidenblumen. Die Altargaben sollen das Leben symbolisieren – tote Blumen und unechte Kerzen haben da nichts zu suchen“, erklärt Jahn fachmännisch.

Berufliche Neuorientierung zur Wende 

In der Nordkirche wird dieses Wissen in berufsbegleitenden Ausbildungsseminaren vermittelt. Denn alle angehenden Küsterinnen und Küster haben zuvor einen anderen, meist handwerklichen, Beruf erlernt. Tobias Jahn absolvierte zunächst die Kfz-Mechaniker-Lehre und wechselte dann zur Bundeswehr, wo er Ausbilder fürs Gelände wurde. „Mein Berufswunsch? Ich wollte Soldat sein“, sagt er rückblickend. „Ich hätte damals nicht gedacht, dass ich hier lande.“

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Warum er es doch tat, lag auch an der veränderten weltpolitischen Lage: Bis zur Wende habe die Bundeswehr einen klaren Verteidigungsauftrag Richtung Osten gehabt. Mit dem Ende des Kalten Krieges fiel dieser weg. Jahn sah keinen Sinn mehr in seinem alten Job und wollte sich neu orientieren. Per Zufall erfuhr er, dass im Michel ein Küster gesucht werde. Seine Großmutter hatte Verbindungen zur Kirchengemeinde und dem damaligen Hauptpastor. Sie habe ihm „eine Tür geöffnet. Durchtreten musste ich dann aber selber“, sagt Jahn schmunzelnd.

Ein Ruhepol im Trubel des Michels

Vier Wochen lang wurde er von seinem Vorgänger noch eingearbeitet, danach war er auf sich allein gestellt, um Konzerte, Gottesdienste und andere Feiern vorzubereiten. „Mir platzte fast der Kopf. Aber es hat alles geklappt“, sagt er und klopft dabei auf das Mahagoniholz der Kirchenbänke. 

Mittlerweile kann ihn so schnell nichts mehr aus der Ruhe bringen: Vor der Pandemie strömten rund 1,6 Millionen Menschen jährlich in den Michel. Viele von ihnen kommen mit Fragen zum Gebäude oder dem aktuellen Programm auf Tobias Jahn zu. Er bereitet die Kirche für Konzerte und andere Veranstaltungen vor, auf die mitunter ganz Deutschland mit Spannung blickt. Besonders lebhaft ist ihm die Trauerfeier zu Ehren von Altkanzler Helmut Schmidt in Erinnerung. „Ich durfte dabei sein. Das hat mich sehr berührt und beschäftigt“, sagt der gebürtige Hamburger.

Krisenfest neue Herausforderungen meistern

Aus dem einstigen Zufallsjob ist längst eine tiefe Verbundenheit erwachsen: Aus Loyalität mit seiner Kirche arbeitet Jahn ehrgeizig an Optimierungen. Stolz erklärt er, wie er die Wachsmischung der kleinen Lichter, die Besucher für einen Euro erwerben und entzünden können, ändern ließ: Statt noch Stunden nach dem Entfachen weiter zu brennen, gehen sie bei gleicher Füllhöhe nun schneller aus. So könnten die Kerzen zügiger ausgetauscht und der Verkauf angekurbelt werden. Das Geld wiederum kommt der Kirchengemeinde zugute, die durch die Pandemie in eine wirtschaftliche Schieflage geraten war.

Mit dem Ende der Corona-Beschränkungen stiegen die Besucherzahlen nun wieder. Doch durch die hohen Energiepreise infolge des Krieges kommen neue Herausforderungen auf die Kirche zu. Und so hat Jahn heute ein Auge darauf, dass die Heizung nicht unnötig hochfährt, sondern den Kirchraum nur noch auf 14,5 Grad erwärmt. Das sei vielleicht für die Kirchenmusiker etwas unangenehm. Dem Gebäude, Inventar und der Orgeln schade das aber nicht, sagt er. Es komme nur auf die richtige Lüftung an.

Ehrenamtliches Engagement im Küsterarbeitskreis 

Und die Gäste des Michels? Denen bereitet Küster Tobias Jahn nach wie vor einen herzlichen Empfang. „Der Mensch soll völlig frei und gerade heraus aus der Kirche gehen können. Ohne Last auf seinen Schultern“, sagt er. „Wenn ich das schaffen kann, habe ich ein gutes Gefühl.“

Seine langjährige Erfahrung gibt Jahn auch im Arbeitskreis der Küster der Nordkirche weiter. Dort ist er seit 16 Jahren ehrenamtlich im Vorstand tätig. Der Arbeitskreis bildet Küsterinnen und Küster fort, organisiert Netzwerktreffen und kämpft dafür, dass der Beruf die nötige Anerkennung findet. „Ohne Küster wird es düster“ lautet sein Credo. Denn egal, ob pünktliches Glockengeläut zur Hochzeit, die Bereitstellung der Hostien zum Abendmahl oder die Liedertafeln an jedem Sonntag – Küsterinnen und Küster sorgen dafür, dass die Gemeinde einen würdevollen Gottesdienst feiern kann.

Küstertag

Am 24. Oktober lädt der Arbeitskreis der Küster zum 5. Küstertag der Nordkirche in den Michel ein. Die Tagung findet in der Regel alle zwei Jahre statt. In diesem Jahr steht sie unter dem Motto „Ihr bringt die Welt zum Leuchten“ nach Matthäus 2,2.

Den inhaltlichen Schwerpunkt bildet diesmal das Thema Biodiversität, zu dem Umweltpastor Jan Christensen referieren wird. Daneben wird es die Gelegenheit zum Austausch mit Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt geben.

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