Integration

Modellprojekt beschäftigt Flüchtlinge und unterstützt Vereine

Adam Petric (50, links) und sein deutscher Kollege Gerd Gallas (54) vor ihrem Dienstwagen an der Lühe-Schulau-Fähre bei Steinkirchen im Alten Land.
Adam Petric (50, links) und sein deutscher Kollege Gerd Gallas (54) vor ihrem Dienstwagen an der Lühe-Schulau-Fähre bei Steinkirchen im Alten Land. © epd-bild / Dieter Sell

02. November 2015 von Simone Viere

Stade. Viele Flüchtlinge wollen nach ihrer Ankunft in Deutschland so schnell wie möglich arbeiten. Doch das gelingt selten, oft droht der Lagerkoller. Eine diakonische Initiative im niedersächsischen Stade versucht mit Hilfen in zwei Richtungen, das zu ändern.

Ein hartnäckiger Nieselregen kriecht unter die Jacken und lässt die Spaziergänger auf dem Deich mit heruntergezogener Kapuze vorbeihasten. Schietwetter an der Elbe bei Steinkirchen im Alten Land. Doch davon lässt sich Adam Petric nicht beeindrucken. Konzentriert packt der 50-jährige Flüchtling aus Serbien mit seinem Schraubenschlüssel an und baut mit seinem Kollegen Gerd Gallas die Bänke auf den Wiesen am Fähranleger ab, um sie für den Winter einzulagern. Petric beteiligt sich an einem Modellprojekt unter dem Titel "Zweifach helfen". Der Name ist Programm.

Noch kein richtiger Job - aber ein erster Schritt in Richtung Arbeitsmarkt

Gemeinsam mit dem Landkreis Stade bei Hamburg hat das kirchliche Berufsbildungswerk in der Region im April ein Projekt ins Leben gerufen, das sich für die Integration von Flüchtlingen einsetzt. "Dabei sollen gemeinnützige Beschäftigungsgelegenheiten bei Vereinen, diakonischen Einrichtungen wie der Tafel oder kommunalen Bauhöfen helfen", erläutert Projektleiter Helmut Morjan. Gleichzeitig profitieren die Einsatzstellen von der Arbeitskraft der Asylsuchenden. Noch kein richtiger Job, aber ein erster Schritt in Richtung Arbeitsmarkt. "Wir helfen Flüchtlingen und Flüchtlinge helfen uns", bringt es Morjans Kollegin Julia Pleyn auf den Punkt.

Ähnlich funktioniert in Teilen auch die Arbeitsmarktinitiative "Neustart", die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gerade auf den Weg gebracht hat. In Stade jedenfalls sind mit Petric derzeit etwa 50 Flüchtlinge unter Vertrag. Beete entkrauten, Hecken schneiden, Mülltonnen leeren: Der Serbe, der zur Volksgruppe der Roma gehört, ist mit Feuereifer dabei. Und der gelernte Kraftfahrer ist froh, dass er in seiner Arbeit wenigstens 20 Stunden in der Woche vergessen kann, was ihn in die Flucht getrieben hat: "Keine Wohnung, keine Arbeit, keine Unterstützung durch die Behörden."

Lange musste er mit seiner Frau in Schabaz etwa 80 Kilometer von Belgrad entfernt in einer Bushaltestelle leben. Vor acht Monaten entschloss sich das obdachlose Paar, vor Diskriminierungen und unhaltbaren Zuständen über die Balkanroute nach Deutschland zu flüchten. Zuerst kamen sie in die niedersächsische Erstaufnahmeeinrichtung nach Bramsche, dann ins Alte Land.

Taschengeld und das gute Gefühl, gebraucht zu werden

Asylsuchende dürfen drei Monate nach ihrer Registrierung eine Beschäftigung aufnehmen. Das gilt allerdings nur, wenn sie wie Petric über eine Aufenthaltsgestattung oder eine Duldung verfügen. Dann können die Teilnehmer, die momentan jeweils etwa zur Hälfte vom Balkan und aus Afrika kommen, für maximal ein Jahr bei "Zweifach helfen" beschäftigt werden. Sie bekommen dafür ein gesetzlich festgeschriebenes Taschengeld von rund einem Euro pro Stunde - und das gute Gefühl, gebraucht zu werden.

"Das Projekt gibt ihnen sinnvolle Aufgaben, ermöglicht persönliche Kontakte, eine ausgefüllte Tagesgestaltung und Praxis in der deutschen Sprache", betont Stades evangelischer Regionalbischof Hans Christian Brandy. Das funktioniert bei Petric gut. "Wir hatten zuerst Berührungsängste", erinnert sich sein Kollege Gallas. "Aber das war nach zwei Tagen vorbei. Adam ist einfach ein kumpelhafter Typ, ist prompt bei der Hand und einer, der die Sprache enorm schnell lernt", lobt der 54-jährige Bauhof-Mitarbeiter den Serben und lächelt ihn an.

Petric wünscht sich nichts sehnlicher, als in Deutschland bleiben zu dürfen. Doch ob er Asyl bekommt, ist fraglich. Die Bundesregierung stuft Serbien genauso wie etwa Albanien, den Kosovo und Montenegro als "sichere Herkunftsländer" ein. Das bedeutet: Flüchtlinge aus diesen Ländern haben kaum Chancen, als Asylsuchende anerkannt zu werden. Das kritisiert "Pro Asyl". Die Balkanstaaten seien nach wie vor nicht sicher, sagt ihr Geschäftsführer Günter Burkhardt. Minderheiten wie Roma seien dort rassistischen Repressalien ausgesetzt und erhielten keinen Schutz von Polizei und Justiz.

Ängste abbauen und Toleranz stärken

Die Organisatoren des Integrationsprojektes im Stader Raum lassen sich jedenfalls nicht entmutigen. Zu den Beschäftigungsgelegenheiten bieten sie Deutschkurse an und möbeln Fahrräder auf, mit denen die Asylsuchenden mobil sind. "Über die Kontakte mit den Flüchtlingen wollen wir außerdem Ängste abbauen und die Toleranz in der Gesellschaft stärken", sagt Projektmitarbeiterin Pleyn. Und Bauhof-Mitarbeiter Gallas ergänzt: "Ich kann nur jedem den Tipp geben, offen mit Flüchtlingen umzugehen."

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