Raritäten in unseren Kirchtürmen entdecken: Carillons sind große Glockenspiele
13. August 2025
In Deutschland gibt es bundsweit 49 Carillons - Glockenspiele, die meist in Kirchtürmen zu finden sind. Im norddeutschen Raum begeistern sie unter anderem in Kiel, Schwerin, Hamburg, Lübeck oder Rostock mit ihrem besonderen Klang.
"Lobet den Herren, alle, die ihn ehren": Dieses bekannte Kirchenlied erklingt aus dem Turm des St. Mariendoms in Lübeck zu jeder vollen Stunde. Viele unterschiedliche Töne sind dafür nötig - doch das kann das sogenannte "Carillon" im St. Mariendom.

Carillons sind ganz besondere Schmuckstücke in unseren Kirchtürmen, die es selten gibt. Ein Carillon ist ein riesiges Glockenspiel, mit manchmal um die 40 Glocken in den verschiedensten Größen und mit den vielfältigsten Tönen.
Lübeck: 37 Glocken über der Altstadt
Mehr erfahren über das Carillon im Lübecker Mariendom: Wann und wo ist es hören, Besichtigung, und: ein Simulator und eine Hörprobe.
In der Lübecker Altstadt kann man das Carillon des Mariendoms in der ganzen Altstadt und manchmal sogar noch weiter hören: Immer zur halben und zur vollen Stunde schlägt das Glockenspiel einen Choral - einen halben zur halben Stunde, einen ganzen zur vollen Stunde. Von 22:30 Uhr bis 5:30 Uhr schweigt das Glockenspiel.

Die Stiftung 7Türme+ engagiert sich für den Erhalt der Lübecker Altstadtkirchen
Das Glockenspiel wurde 1953 wiederhergestellt und in den Südturm von St. Marien in Lübeck eingebaut. Die größte Glocke wurde erst im Jahr 2019 ergänzt.
In Hamburg steht das älteste Carillon Deutschlands
Aus dem Archiv: In Hamburg-Ottensen steht das älteste Carillon Deutschlands - ein unscheinbarer Schatz
Carillon-Spielerin Gudrun Schmidtke aus Hamburg kann ihr Instrument derzeit nicht spielen. Seit Ende Juli ist die Christianskirche in Hamburg-Ottensen eine Baustelle und das Betreten verboten. Doch ab Oktober soll es wieder regelmäßig erklingen. Immer am ersten Sonnabend im Monat um 15.30 Uhr.

Gudrun Schmidtke wechselt sich mit fünf weiteren Glockenspielerinnen und -spielern ab. Sie selbst ist die Dienstälteste: Seit 25 Jahren sitzt sie am Spieltisch. „Ich spiele gerne eine Mischung aus weltlicher und geistlicher Musik. Mein Lieblingsstück momentan ist von Papageno aus Mozarts Zauberflöte.“
Ein Wunder: Nach dem Krieg wurden die Glocken gefunden
„Dass das Carillon heute noch existiert, ist ein kleines Wunder“, erklärt sie. Während des Zweiten Weltkrieges hätten die meisten Kirchen ihre Glocken aufgeben müssen, damit Kugeln aus ihnen gegossen werden konnten. In Hamburg landeten die meisten Kirchenglocken auf dem sogenannten Glockenfriedhof auf der Veddel - auch die aus Altona. „Glücklicherweise wurden alle Glocken wiedergefunden. So konnte das Carillon wieder aufgebaut und bereits 1949 wieder bespielt werden.“

Das Carillon der Christianskirche sei das älteste noch erhaltene Deutschlands. Im Jahr 1913 stiftete die Kirchengemeinde es zum 200. Jubiläum der Kirche, erklärt Schmidtke. Seit 1999 werde es wieder dauerhaft bespielt. „Menschen, die um die Christianskirche herum wohnen, erzählen uns immer wieder, wie gerne sie ihre Fenster aufmachen, wenn sie wissen, dass das Carillon bespielt wird“, erzählt die Musikerin.
Spenden ermöglichten Carillon im Kieler Kloster
Mehr erfahren über Öffnungszeiten, Konzerte und Geschichte des Carillons im Kieler Kloster
76 Stufen müssen die Carilloneure erklimmen, bevor sie am Spieltisch des Glockenspiels im Turm des Kieler Klosters Platz nehmen können. Der 81-Jährige Gunther Strothmann spielt hier das Instrument, seit es 1999 in das einstige Franziskanerkloster einzog. „Es gab damals keinen, der spielen konnte“, sagt Strothmann trocken und ergänzt: „Das kann man ja lernen.“ Und so war es. „Ich habe anfangs noch einfache Lieder gespielt. Mit der Zeit wurden sie aber immer komplizierter.“
Die Initiative für den Einbau des Carillons sei aus dem benachbarten Landeskirchenamt der damaligen Nordelbischen Kirche gekommen. Die 300.000 DM für die 45 Bronzeglocken, die in Karlsruhe gegossen wurden, seien durch Spenden finanziert worden. 2005 kamen fünf weitere dazu, um mit 50 Glocken vier Oktaven abzudecken. 4.089 Kilogramm wiegt das gesamte Glockenspiel.
Etwa 570 Konzerte, auch von internationalen Künstler:innen, sind bisher auf dem Kieler Carillon gespielt worden. Mindestens an jedem ersten Sonnabend eines Monats gibt es eins. Zudem erklingt täglich um 12, 15 und 18 Uhr ein automatisches Spiel. Eine Melodie erklinge immer, wenn die Bronzeglocken zum Konzert anstimmen: Martin Luthers Choral „Verleih uns Frieden gnädiglich“. „Glocken sind Zeichen des Friedens“, sagt Strothmann.
Mobiles Carillon in Rostock
Aus dem Archiv: Rostocker tourt mit einem mobilem Carillon durch Deutschland
Das Carillon von Olaf Sandkuhl aus Rostock bringt 3,6 Tonnen auf die Waage, hat 37 Bronzeglocken und ist mobil. 2004 hat er das Instrument von einer niederländischen Glockengießerei zum Kauf angeboten bekommen, und es auf einem umgebauten Kleinlaster installiert.
Seitdem tourt er durch die deutschen Lande und tritt bei Gemeindefesten oder Stadtjubiläen auf. So ein Turmglockenspiel einmal aus der Nähe zu sehen, das sei „Musik zum Anfassen“. Schließlich sei sein mobiles Carillon etwas Einzigartiges: „Ich kenne jedenfalls kein anderes in Deutschland.“
