Ruhe finden im Trubel der Stadt: Die Kirche der Stille in Hamburg-Altona
14. Juli 2025
Mitten im pulsierenden Hamburg-Altona liegt ein Ort der Ruhe: die Kirche der Stille. Hier findet regelmäßig die „Atempause vor dem Abend“ statt – ein meditatives Angebot für Menschen, die Stille suchen, den eigenen Atem spüren und neue Kraft schöpfen möchten. In kühlen Gemäuern, fernab vom Lärm der Großstadt, wird das Schweigen zur spirituellen Erfahrung.
Es ist angenehm kühl in den alten Gemäuern an diesem heißen Julitag. In der Kirche der Stille in Hamburg-Altona hat sich eine Handvoll Menschen versammelt, um gemeinsam in der Stille zu sitzen und zu meditieren. Der Lärm der Stadt, das Rauschen der nahen Straße – hinter den schützenden Mauern ist davon nichts zu hören. Nur der Gesang einer Amsel dringt aus dem kleinen Garten hinter der Kirche bis ins Gotteshaus.

Atempause vor dem Abend
Im Kreis sitzen, dem eigenen Atem lauschen, Körper und Geist zur Ruhe kommen lassen – die „Atempause vor dem Abend“ ist ein offenes Angebot. Es dauert eine halbe Stunde und wird heute von Pastor Ulf Werner angeleitet. „Die Atempause ist gut für Anfänger geeignet“, sagt Werner.
Der Pastor trägt eine kurze Hose und ein Shirt mit der Aufschrift „Fight racism“, die schwarze Cap nach hinten gedreht. Mit einem kurzen Impuls begrüßt er die Teilnehmenden. Dann folgen 15 Minuten Stille – auf Kissen, kleinen Meditationsbänken oder Stühlen sitzend, barfuß oder in Socken. Die Sonne wirft kleine bunte Lichtpunkte durch die Tücher vor den Fenstern.

"Die Menschen müssen wieder schwingungsfähiger werden", glaubt Werner, der sich die Pfarrstelle hier mit seiner Kollegin, Pastorin Laura Koch-Pauka, teilt. Die "Kirche der Stille" gehört zur Kirchengemeinde Altona-Ost, zu der ebenfalls die Kulturkirche St. Johannis und die Friedenskirche gehören.
Nach 15 Minuten ertönt ein Gong – die Schallwellen fließen durch Körper und Kirche. Zwei Runden gehen, dann wieder sitzen und schweigen. Am Ende gibt es für alle einen Segen.
Pastor Ulf Werner: Zwischen Punkrock und Stille
Meistens fühle man sich nach der Atempause schon viel besser, sagt Werner, der auch als Musiker in der Punk-Band „Rantanplan“ spielt.

Dem Team der Kirche der Stille ist bewusst, dass das Sitzen in der Stille für manche Menschen eine Herausforderung ist. Die Gedanken fangen dann erst richtig an zu kreisen. Laura Koch-Pauka kam ursprünglich als Vertretungspastorin nach Altona – und blieb. Zunächst hatte sie selbst kaum Erfahrung mit diesem besonderen Arbeitsfeld.
Doch Stille sei nicht gleichbedeutend mit Ruhe, sagt die Pastorin. Und auch Ulf Werner mag Angebote mit Bewegung, Tanz und Musik. Kinder können hier bei regelmäßigen Konzerten das Zuhören und Stillwerden üben – auch wenn der Raum selbst lebendig ist. Jeder soll den eigenen Weg in die Stille finden können.
Stille als Herausforderung
"Am Anfang fühlt sich das seltsam an, einfach in der Stille zu sitzen. Man kennt das ja auch aus Schweigeminuten – wie lang sich eine Minute anfühlen kann, wenn es plötzlich ganz still wird. Aber hier ist es anders. Die Menschen an diesem Ort sind geübt darin, in die Stille zu gehen – und andere in die Stille zu führen. Das ist ein großer Unterschied. Wir bereiten uns bewusst darauf vor. Der Weg in die Stille ist ein Prozess, der überhaupt erst ermöglicht, dass man wirklich still werden kann."
Koch-Pauka selbst hat über die Gottesdienste Zugang zu diesem besonderen Ort gefunden: "Der Karfreitags- und der Ostergottesdienst waren für mich besonders eindrücklich. Ich durfte sie mit sehr erfahrenen Menschen gestalten, was mir viel Sicherheit gegeben hat".
Am Anfang sei sie sehr aufgeregt gewesen, weil sie nicht wusste, wer hier eigentlich ihre Zielgruppe ist. "Aber dann habe ich gemerkt, welche Kraft in diesen Formaten steckt – gerade weil nicht zu viele Worte gemacht werden. Stattdessen gibt es gezielte Impulse, die kurz sind und dazu gedacht, in die Stille zu führen. Sie regen zum Weiterdenken und -fühlen an."
Die Phasen der Stille im Gottesdienst bewegen sie: "Es ist eine Form von Spiritualität, die mir hilft, Gott näherzukommen – mehr noch als in klassischen Gottesdiensten. Ich habe die Gelegenheit, mit dem Fühlen hinterherzukommen. Wenn ich zu viel höre, komme ich oft gar nicht richtig ins Fühlen. Doch das ist für meine Gottesbeziehung sehr wichtig: das Atmen, das Sich-Selbst-Spüren, sich verorten im Leben und im Glauben. Erst dann kann ich mich wirklich öffnen. Das durfte ich besonders an Karfreitag und Ostern erleben."

Eine bunte Mischung an Menschen besucht diesen etwas versteckt gelegenen Ort, erzählt die Pastorin: Zum einen sind das Menschen aus der Nachbarschaft, die diesen Ort lieben. Viele von ihnen sind durch diesen Ort zu Menschen geworden, die es schätzen gelernt haben, sich in die Stille zu setzen und zur Ruhe zu kommen. Altersmäßig ist es sehr durchmischt – ebenso religiös und kulturell.
Pastorin Koch-Pauka wünscht sich, dass noch viel mehr Menschen den Weg in die kleine Kirche finden: "Hier kann man den Reset-Knopf drücken, in der Stille die Fähigkeit wieder erlangen, auch zu empfangen und nicht nur zu senden. Das ist das Schöne hier".
