"Seeleute geraten in tiefe seelische Konflikte"
10. August 2018
Während am Sonntag (12. August) am Rostocker Stadthafen ein fröhlicher Gottesdienst zur Hanse Sail gefeiert wird, geht es in Warnemünde ernster zu. Markus Schildhauer von der Seemannsmission im Alexandria spricht dort über die Situation von Flüchtlinge und die Belastungen für Seeleute bei der Seenotrettung.
Wenn Markus Schildhauer über das Drama erzählt, das sich seit Jahren im Mittelmeer ereignet, wird seine Stimme sehr ernst. Klar seien die Flüchtlinge auf den überfüllten Schlauchbooten Thema bei den Gesprächen im Seemannsheim in Alexandria (Ägypten), sagt er. Ebenso auch die Zwangslage, in die Seeleute durch die Politik und auch durch ihre Reeder gebracht werden.
Er hat da viele Erfahrungen: Schildhauer leitet die Seemannsmission in Alexandria, Partnerstation der Rostocker Seemannsmission. Am Sonntag (12. August) wird er im Seefahrer-Gottesdienst (10 Uhr) in der Warnemünder Kirche über Flüchtlinge sprechen.
In Not Geratene werden aufgenommen
Schildhauer berichtet von den Zwangslagen und Gewissensnöten, in die die Besatzungen der Handelsschiffe hineingetrieben werden. So sei die Rechtsunsicherheit unter den Seeleuten gewachsen. Zwar gilt noch immer auf See das Gesetz, in Not Geratene aufzunehmen. Das ist selbst für Seeleute selbstverständlich, die eine liberale Flüchtlingspolitik ablehnen.
Rettung mit Handelsschiffen ist nicht einfach
„Doch die Rettung von Schiffbrüchigen ist bei den heutigen Handelsschiffen nicht einfach“, betont Schildhauer. Die glatte Bordwand ist mindestens zehn Meter hoch. Seilleitern stellen für die Geschwächten, vor allem Frauen mit kleinen Kindern, keine Hilfe dar. Menschen fallen ins Wasser, können nicht schwimmen und ertrinken vor den Augen der Besatzung. „Doch nun wird die Rettung von Flüchtlingen kriminalisiert“, sagt er.
Seeleute geraten in tiefe seelische Konflikte
Markus Schildhauer erzählt von Schiffen, die wegen der geborgenen Flüchtlinge keinen EU-Hafen anlaufen durften, von Besatzungen, die die Geretteten nicht übergeben konnten, von Kapitänen, die von Staatsanwälten angeklagt wurden als Menschenschmuggler. Seeleute geraten in tiefe seelische Konflikte. Davon sind die Reedereien nicht erbaut. Denn das alles kostet Zeit und damit Geld.
Kapitäne werden entlassen, weil sie retten wollten
Schildhauer berichtet auch von Kapitänen, die entlassen wurden, weil sie einen Umweg fahren wollten, um Schiffsbrüchige zu retten. Manchmal werden die Besatzungen direkt angewiesen, nicht zu helfen, wenn andere Schiffe in der Nähe sind. Andere Reeder billigen schweigend, wenn die Crew wegen all der Schwierigkeiten Boote mit Flüchtlingen "übersieht". Sie fährt weiter mit dem Wissen, dass deswegen Menschen sterben.
Konflikte für Seeleute verschärfen sich
Da die neue Hauptfluchtroute nach Spanien durch das westliche Mittelmeer führt, in dem es viel mehr Schiffsbewegungen gibt als im östlichen Teil, kommt es eben auch vermehrt zu Begegnungen zwischen Handelsschiffen und Flüchtlingsbooten. Das verschärft die Konfliktlage für die Seeleute zusätzlich: Ob sie nun Hilfe leisten und dadurch mit Sterbenden oder Toten konfrontiert werden, oder ob sie die Augen vor dem Elend zu verschließen suchen.
Der Protest der Seemannsmissionen geht weiter
Für Markus Schildhauer ist klar: „Für die Seeleute wird sich erst etwas ändern, wenn die Politik der EU gegenüber den Flüchtlingen im Mittelmeer sich ändert.“ Darum hören die Seemannsmissionen nicht auf, zusammen mit den Kirchen, Hilfsorganisationen und Menschenrechtlern ihren Protest an nationale Regierungen und europäische Institutionen zu richten.