Nach Gefühl und Wellenschlag

Seelsorger der Flussschifferkirche auf Tour im Hamburger Hafen

Die ehrenamtliche Seelsorgerin Christel Zeidler packt Tüten für die Binnenschiffer.
Die ehrenamtliche Seelsorgerin Christel Zeidler packt Tüten für die Binnenschiffer.© Maren Warnecke, Evangelische Zeitung

09. August 2012 von Simone Viere

Hamburg. Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen können, muss die Kirche zu den Menschen kommen. Das gilt für die Binnenschifferseelsorger in Hamburg seit 1870, als Johann Hinrich Wichern sie in der Hansestadt ins Leben rief, als Leitspruch. Mit der nach ihm benannten Barkasse machen sich Ehrenamtliche des Fördervereines der Flussschifferkirche zu Hamburg zweimal pro Woche auf den Weg durch das Hafengebiet der Elbestadt, um die Binnenschiffer und ihre Familien zu besuchen.

Zu den fünf mobilen Seelsorgern auf dem Wasser gehört Diakonin Christel Zeidler. Es geht um Vertrauen. Wenn das stimmt, ergeben sich die Gespräche automatisch, weiß Christel Zeidler. Das galt früher für ihre Erwerbsarbeit als Sozialpädagogin in der Heimerziehung, beim Jugend- und Gesundheitsamt und in der Seniorenarbeit. Und Vertrauen ist ebenfalls der Schlüssel für das ehrenamtliche Engagement der 65-Jährigen beim Förderverein der Flussschifferkirche zu Hamburg, zu dem sie vor gut drei Jahren stieß. Seit März dieses Jahres ist sie nun eine von zwei Frauen, die sich mit den drei männlichen Kollegen den Einsatz auf dem Wasser teilen. 

Immer montags und donnerstags tuckert die Seelsorger-Barkasse auf einer festen Route durch das Hafengebiet. Wie ein Bus an Land seine Haltestellen abklappert, steuern die beiden Barkassenführer Manfred „Manni" Keller und Henry Bahrs - zwei Seemänner der alten Schule -nach einem festen Schema die möglichen Liegeplätze für Binnenschiffer an. Wie viele Schiffe sie tatsächlich antreffen werden, wissen sie vorab nicht. Auf moderne Technik, wie die GPS-Ortung, mag sich Henry Bahrs nicht verlassen. 

Doch auch wenn sie nur auf ein Schiff treffen würden, sei es das wert, ist er überzeugt. Der Pastor lasse schließlich sonntags auch nicht den Gottesdienst ausfallen, wenn nur ein Zuhörer vor ihm sitzt. Bahrs und Keller kennen den Hamburger Hafen wie ihre Westentasche – für Diakonin Zeidler eine wertvolle Hilfe. 

Gottes Wort weitergeben trotz Sprachbarrieren

Gottes Wort weiterzugeben wird allerdings schwierig, wenn die Binnenschiffer weder deutsch noch englisch sprechen, erzählt sie. Traditionell haben die Seelsorger daher immer Äpfel, Schokolade und verschiedene Zeitungen und Zeitschriftentitel auf deutsch, polnisch und tschechisch dabei. Abhängig von der Anzahl der an Bord Lebenden füllt sich die Tüte, die Christel Zeidler über die Reling reicht. "Das entscheide ich nach Gefühl und Wellenschlag", erklärt sie lachend.

An Bord zu den Binnenschiffern gehen sie und ihre Kollegen in den seltensten Fällen. Meist sind es kurze Klönschnacks von Schiff zu Schiff, zumal, wenn die Sprachbarriere besteht. Doch auch die freundliche Nachfrage "Gibt es etwas zu tun?" lässt manchmal die Dämme brechen: Krankheit in Familie und Belegschaft, zermürbend lange Liegezeiten, aber auch der generelle Frust über die von der Hafenverwaltung zugewiesenen Liegeplätze „weitab vom Schuss“ sind die Themen, die die Binnenschiffer umtreiben. Tiefer gehende existenzielle Gespräche sind da die Ausnahme. Für Diakonin Christel Zeidler ist das jedoch völlig okay. Für sie muss nicht immer alles "so hoch aufgehängt" werden. 

Keine Tour ähnelt der anderen, immer gibt es dieses Überraschungsmoment, wen die Seelsorger wohl antreffen werden. In aller Regel ist der Empfang freundlich. Und wenn auf das kurze Hupen von Manfred Keller niemand an Bord erscheint, wird dennoch eine „Kirchenboot“-Tüte an Deck hinterlassen. Christel Zeidler weiß, dass sich die Menschen darüber freuen. Für die "Stammkunden" gibt es ein kleines Notizbuch, in dem stichpunktartig besondere Vorkommnisse gesammelt werden, als Anhaltspunkt für die Kollegen, erklärt Zeidler. 

"Die da oben, wir hier unten – das gibt es in der Kirche nicht"

Für viele der Binnenschiffer ist das „Kirchenboot“ ein verlässlicher Bezugspunkt, manchmal gar ein Rettungsanker, wie für den Berliner Marco Gewitz, der dringend zum Arzt muss. Von der Liegestelle in Kattwyk aus ein Taxi oder einen Bus zu ergattern – ein schwieriges Unterfangen. Eine kurze Absprache mit den beiden Barkassenführern, und die Entscheidung steht fest: Auf der Rücktour wird der „junge Mann“ mitgenommen. Zeidler erfährt ein wenig mehr vom harten Alltag des Decksmanns, der Sojaschrot verlädt. Auch das ist für sie Seelsorge.

Das nicht-hierarchische Handeln liegt Christel Zeidler. Die gebürtige Rheinländerin reagierte bereits in ihrer jahrzehntelangen Arbeit in Kirchengemeinden und in Synoden allergisch auf das Denken in Schablonen. "Die da oben, wir hier unten – das gibt es in der Kirche nicht", sagt sie energisch. Diesen ebenbürtigen, respektvollen Umgang miteinander pflegt sie als Ehrenamtliche – gerne noch einige weitere Jahre. Schließlich habe ihr "der liebe Gott" so viel Kraft und Energie mitgegeben, dass es für mehr als nur eine Person reicht, sagt Christel Zeidler und lacht. 

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