Spot an! Jamel rockt am Wochenende gegen Rechts
27. August 2015
Jamel. Ab Freitag wird in Jamel der Förster gerockt: Beim Musikfestival gegen Rechts wird ein Besucherrekord erwartet. Viel zu tun für das Ehepaar Lohmeyer, das das Festival organisiert – und sich schon seit langem gegen Radikale im Ort wehrt.
"Wir sind super im Stress", sagt Birgit Lohmeyer. Immerhin startet an diesem Freitagabend auf ihrem 7.500 Quadratmeter großen Grundstück im mecklenburgischen Jamel bei Wismar zum neunten Mal das zweitägige nichtkommerzielle Musikfestival "Jamel rockt den Förster" für Demokratie und Toleranz. Da bleibt dem Künstlerpaar Birgit und Horst Lohmeyer keine Zeit, sich groß Gedanken darüber zu machen, wie es ihnen nach dem Brand ihrer Scheune derzeit geht.
Das etwa 150 Jahre alte, reetgedeckte Gebäude war vor zwei Wochen, in der Nacht zum 13. August, durch ein Feuer zerstört worden. Die Staatsanwaltschaft geht von Brandstiftung aus, weil ein Brandbeschleuniger gefunden wurde. Für das Feuer war schnell ein rechtsextremistischer Hintergrund vermutet worden. Allerdings konnte die Anklagebehörde trotz einer ausgesetzten Belohnung in Höhe von 5.000 Euro noch keinen "Ermittlungserfolg" vermelden.
Feuer bei den Lohmeyers sorgt ungewollt für Schlagzeilen
Inzwischen sei das Gelände wieder gesichert, sagt die 56-jährige Schriftstellerin. Es gebe keine Brandruine mehr. Sie rechne in diesem Jahr mit einem Besucherrekord. Im vergangenen Jahr kamen an beiden Festivaltagen zusammen rund 650 Besucher in das 40-Einwohner-Dorf Jamel, in dem viele Rechtsextremisten leben. Doch das Feuer so kurz vor dem Festival hat bundesweit für Schlagzeilen und Solidaritätsbekundungen mit dem Ehepaar Lohmeyer gesorgt.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering und die Schweriner Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (beide SPD) wollen zum Festival kommen, auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will vorbeischauen. DGB Nord und Arbeitgeberverbände wollen ebenfalls präsent sein.
Friedensandacht zum Festivalstart
Vor dem Festival-Start am Freitag lädt die evangelische Kirchengemeinde Gressow-Friedrichshagen, zu deren Bereich Jamel gehört, um 17 Uhr zu einer Friedensandacht in die Kirche nach Gressow ein. Gemeinsam mit dem Theologen und Menschenrechtler Heiko Lietz wolle die Kirchgemeinde zeigen, "dass wir als Christen hinter Familie Lohmeyer stehen", sagte Pastor Dirk Heske vor kurzem. Deren Engagement gegen Rechtsextremismus und Angst sei beispielgebend ist.
Dieses Engagement wurde in der Vergangenheit bereits durch mehrere Preise gewürdigt, darunter den Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage des Zentralrats der Juden in Deutschland und den Bürgerpreis der deutschen Zeitungen. An diesem Sonnanend kommt eine weitere Auszeichnung hinzu: der mit 10.000 Euro dotierte Georg-Leber-Preis für Zivilcourage der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau).
Jamel sei von Neonazis gezielt als "nationalsozialistisches Musterdorf" besiedelt worden, hatte IG-Bau-Bundesvorsitzender Robert Feiger am 6. August zur Preisvergabe mitgeteilt. Das Ehepaar Lohmeyer sei vorbildlich, lasse sich von Rechtsextremisten nicht einschüchtern und führe ihnen mit dem Festival sogar eine Alternative für eine bunte, demokratische Gesellschaft vor Augen.
Schmähungen und eine tote Ratte
Die Schriftstellerin Birgit und der Künstler Horst Lohmeyer waren 2004 von Hamburg nach Jamel gezogen. Seither gab es mehrere Vorfälle gegen sie. Darunter waren aufgeschlitzte Autoreifen, angesägte Bäume, Schmähungen und eine tote Ratte im Briefkasten. Doch das Ehepaar blieb.
Auch nach dem mutmaßlichen Brandanschlag vor zwei Wochen machten sie deutlich, dass sie sich nicht einschüchtern lassen und das Festival in diesem Jahr stattfinden wird. Den zehn Kilometer von der Ostsee entfernten Ort Jamel zu verlassen, komme für sie nicht in Frage: "Nein, wir lassen uns nicht vertreiben", sagt Birgit Lohmeyer einen Tag vor dem Beginn des diesjährigen Festivals mit Weltmusik, Singer/Songwriter, Ska, Pop, Soul oder der legendären deutschen Rockband "Lake". Das hier sei ihre Heimat.