Theologe: Kirche soll ihr soziales Potenzial nutzen
15. September 2015
Schwerin. Integration, Inklusion und der demografische Wandel – die Kirche könne in der gesellschaftlichen Diskussion wertvoll sein, sagt ein Theologe. Doch sie müsse sich entsprechend verhalten.
Die evangelische Kirche beschäftigt sich nach Ansicht des Theologen Ralf Kötter zu sehr mit innerkirchlichen Problemen. Kirchengemeinden müssten mehr "über den Tellerrand schauen und sich im sozialen Raum vernetzen", sagte Kötter am Dienstag auf der Tagung "Perspektiven für ein Land" in Schwerin. Zuviel binnenkirchliche Diskussion, beispielsweise über sinkende Mitgliederzahlen, sei "der Tod im Topf".
Neue und vielfältige Lebensmodelle, der demografische Wandel, Integration und Inklusion seien einige der Herausforderungen, bei denen gerade die Kirche "wertvolle Partnerin im gesellschaftlichen Diskurs sein kann". Dafür muss sie sich entsprechend verhalten: Kirche sollte vor allem fragend, hörend und einladend sein, "niemals aber autoritär und doktrinär, monologisch und moralisch, aufdringlich und übergriffig".
Kirche in der Moderatorenrolle
Auf der von der Nordkirche veranstalteten "Forum Ost"-Tagung hatten sich rund 60 Teilnehmer mit den Herausforderungen beschäftigt, vor denen Regionen mit schrumpfenden Bevölkerungszahlen stehen. Was Mecklenburg-Vorpommern seit 25 Jahren erlebe, stehe anderen deutschen Regionen noch bevor, hieß es. Unter anderem ging es um die Frage, welche Rolle die Kirche bei der Entwicklung von Sozial- und Wirtschaftsräumen spielen könnte.
Für Kötter liegt die Chance der Kirche in einer Moderatorenrolle. Der Auftrag der Kirchengemeinde sollte sein, nach Bereichen zu suchen, in denen Nachbarschaften und Netzwerke, Synergien und gemeinsame Wertschöpfungsketten möglich sind. Pfarrer könnten dabei die Rolle der Brückenbauer zwischen den verschiedenen Akteuren übernehmen. "Kirche soll nicht für Kirchtürme kämpfen, sondern für Sozialräume".
"Flüchtlinge werden das Land verändern"
Landesbischof Gerhard Ulrich hatte zu Beginn der Tagung gesagt, Deutschland sei "an einer historischen Schwelle zum Übergang in ein anderes Land". Die Flüchtlinge, die kommen, werden das Land und die Menschen verändern. "Wir werden aufstehen und mitgehen müssen und dürfen. Sonst migriert die Bewegung über uns hinweg." Darüber hinaus gebe es die Hoffnung, dass die Massenflucht auch das Land verändere, das die Menschen verlassen.
Europa und die USA müssten endlich aufhören, "jene mit Waffen zu versorgen, die ihre eigene Bevölkerung drangsalieren", forderte der Bischof. Vielmehr müsse auf friedlichem Wege geholfen werden, Strukturen aufzubauen, die dem Frieden dienen. "Jeden Euro, den wir jetzt an den Zuwanderern sparen, werden wir später teuer bezahlen müssen", so Ulrich. "Jede menschliche Zuwendung, die wir ihnen geben oder aber verweigern, wird auch seelische Folgen haben über die Generationsgrenzen hinweg."