Das Café, in dem die Mitarbeiter zurück ins Leben finden
24. August 2015
Zurück in das normale Arbeitsleben kommen Menschen mit psychischen Erkrankungen im Café „Weite Welt“. Es liegt im Binnenhafen neben der Flussschifferkirche, nach dem Gottesdienst trifft man sich im Café. Doch der Renner der „Weiten Welt“ ist der Mittagstisch – mit einer sehr scharfen Spezialität.
Hier lässt es sich aushalten: Blick auf die Elbphilharmonie und die Speicherstadt, nur ein paar Schritte bis zur Hafencity, in Sichtweite ziehen die Kreuzfahrtschiffe vorbei. Und weil die Elbe ein paar Meter weiter fließt, weht auch bei norddeutschen Hitzewellen ein kühles Lüftchen. Kurzum: Einen solchen Standort hätte jeder Café-Besitzer nur zu gern.
Wolfgang Koop hat diesen Standort im Binnenhafen der Speicherstadt. Dort arbeitet er als Chef des Bistro-Cafés „Weite Welt“, das direkt neben der Flussschifferkirche liegt. Nicht nur die Lage des Cafés ist eine besondere: Träger der „Weiten Welt“ ist nämlich die evangelische Stiftung „Das Rauhe Haus“. Deswegen arbeiten in dem Café zehn Menschen mit psychischen Erkrankungen. Sie kellnern, helfen in der Küche oder übernehmen den Putzdienst – durchschnittlich für zwölf Stunden pro Woche. „Durch ihren Erfolg bei der Arbeit bekommen sie viel Selbstvertrauen zurück“, erläutert Koop. Außerdem sollen die Menschen so für die Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet werden, also für einen Job in der weiten Welt, woher das Café auch seinen Namen hat.
90 Prozent sind Stammkunden
Dieses Konzept hat offenbar Erfolg: Gerade ist die erste Mitarbeiterin aus der „Weiten Welt“ erfolgreich vermittelt worden. Demnächst tritt sie einen Job an als Service-Mitarbeiterin in der Kantine einer Versicherung. Für Wolfgang Koop ist das eine Bestätigung seiner Arbeit. Als Chef des Bistros ist er sozusagen eine Idealbesetzung: Der gelernte Koch hat nämlich eine sozialpädagogische Zusatzausbildung gemacht für die Arbeit mit psychisch Erkrankten.
Doch nicht nur die Mitarbeiter profitieren, auch die Kunden kommen gern auf den Ponton, der jeweils 40 Sitzplätze drinnen und draußen bietet. „90 Prozent unserer Besucher sind Stammkunden“, sagt Koop. Sie kommen fast ausschließlich zum Mittagessen aus den umliegenden Büros. Jede Woche legt Koop mit seinem Team die Speisekarte neu auf: In dieser Woche zum Beispiel kommt als Spezialität Paprikagulasch mit Nudeln auf den Teller. Als Hamburger Original gibt es Backfisch mit Kartoffelsalat.
Currywurst – extra scharf
Etwa 60 Portionen gehen jeden Mittag über den Tresen der „Weiten Welt“, freitags sind es laut Koop sogar noch mehr: Dann gibt es traditionell nur zwei Gerichte, nämlich Matjes mit einer Hausfrauensoße und die sehr beliebte Currywurst, „mit frischen Pommes und einer hausgemachten Currysoße“, wirbt Koop. Die Soße wird in sechs verschiedenen Schärfegraden serviert – von mild über Feuerschärfe bis hin zur sechsten Stufe „sehr, sehr scharf“, vor deren Verzehr sogar auf der Karte gewarnt wird. Ab und zu gebe es Leute, die sich daran versuchen würden, sagt Koop. Doch aufgegessen habe diese Portion bislang nur eine Besucherin. Zur Belohnung bekam sie ihr Essen gratis.
Mit der Flussschifferkirche direkt nebenan arbeitet die „Weite Welt“ zusammen. Nach dem monatlichen plattdeutschen Gottesdienst werden die Besucher ins Café zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Und wenn in der „Flusi“ Hochzeiten, Taufen oder Beerdigungen gefeiert werden, kommen die Gesellschaften oft anschließend zu einem Empfang. An die schönste Feier in der „Weiten Welt“ erinnert sich Wolfgang Koop gern zurück: Die Frau des Pastors von St. Pauli feierte ihren Geburtstag – bis morgens um fünf „mit netten Gästen in einer tollen Atmosphäre“, sagt Koop.
