Gesellschaft

Der Job auf der Straße – Studenten untersuchen „Phänomen Flaschensammler“

© Norbert Neetz /epd

07. Juli 2015 von Timo Teggatz

Es sind Menschen mit eiserner Disziplin. Sie stehen früh auf und sind dann den ganzen Tag unterwegs. Man weiß nicht viel über Flaschensammler, deshalb haben Studenten die Lebensrealität dieser Menschen untersucht – und Erstaunliches herausgefunden.

Sie gehen raus bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit. Nicht selten sind sie am Tag 20 Kilometer unterwegs. Am Ende bringen sie meistens nur drei bis fünf Euro mit nach Hause. "Flaschensammeln ist für viele Menschen ein bisschen so, als hätten sie einen normalen Job. Viele führen sogar Buch und können auf den Cent genau sagen, was sie an welchem Tag verdient haben", sagt Alban Knecht. Und wie bei jedem anderen Job feiert man nicht krank, sondern strengt sich an – so sehen es zumindest viele Sammler.

"Flaschensammeln. Überleben in der Stadt", heißt das Buch, das Knecht gemeinsam mit Philipp Catterfeld im Universitätsverlag Konstanz herausgegeben hat. Gemeinsam mit Studenten der Universität München haben die beiden Sozialwissenschaftler dafür die Lebensrealität der Flaschensammler untersucht, sie nähern sich ihrer Welt unter anderem mit Interviews und Reportagen. "Man weiß einfach viel zu wenig über Flaschensammler, obwohl es so viele von ihnen gibt. Das wollten wir ändern", sagt Knecht.

Männlich, wenig Freunde und schon Rentner

Was vor allem erstaunlich ist: Die Gruppe der Flaschensammler ist erstaunlich homogen. Rund 90 Prozent der Menschen, deren Alltag sie begleiten durften, sind männlich, sie sind überwiegend im höheren Alter, oft schon Rentenbezieher und sie haben ein relativ kleines soziales Netzwerk. "Es handelt sich zum großen Teil um Leute, die nicht obdachlos sind, und die auch ein festes Einkommen haben – das aber zum Leben nicht reicht", sagt Knecht.

Warum es gerade diese Leute sind, die Flaschen sammeln, darüber können die Forscher nur spekulieren – schließlich ist Armut kein Phänomen, das auf ältere Menschen begrenzt ist oder auf Männer. Wahrscheinlich habe man es mit einer Generationenfrage zu tun: Für ältere Männer sei das Sammeln oft Teil einer Aufwertungsstrategie – indem sie es als harte, aber ehrbare Arbeit ausgestalteten. "Viele Flaschensammler sagen auch, dass sie sich eigens für die Arbeit schön anziehen. Sie wollen nicht für Bettler gehalten werden", betont Knecht.

So gesehen unterscheidet sich das Selbstbild eines Flaschensammlers nicht allzu sehr von dem eines Mitarbeiters der Müllabfuhr – und wer sich so sieht, der schämt sich auch nicht dafür, im Dreck zu wühlen. "Das eigentliche Problem der Leute ist nicht das Flaschensammeln, sondern, dass man damit so wenig Geld verdient", erklärt Knecht. So kommt es dann mitunter zu erstaunlichen Rechtfertigungen für das Sammeln: Mal argumentieren sie mit Umweltschutzgründen, andere wollen mit dem Pfand angeblich nur für Tiere in Not spenden.

Kaum Scham beim Flaschensammeln

"Es gibt beim Flaschensammeln kaum Scham, aber einen großen Rechtfertigungsbedarf", sagt Philipp Catterfeld. Zwiespältig sehen die Sozialwissenschaftler deshalb auch Einrichtungen, mit denen Pfandsammlern eigentlich das Leben leichter gemacht werden soll – zum Beispiel Kästen oder sogenannte Pfandringe, die einige Kommunen an öffentlichen Mülleimern befestigt haben, damit die Sammler nicht im Müll nach den Flaschen wühlen müssen.

"Vielen Flaschensammlern gefällt das gar nicht, weil dann jeder die Flasche mitnehmen kann. Das macht ihnen das Geschäft kaputt", sagt Catterfeld. Weit mehr geholfen sei den Menschen zum Beispiel durch ein höheres Flaschenpfand. "Aber das ist bei solchen Aktionen meistens so: Die Flaschensammler werden einfach nicht gefragt", sagt Knecht.

Buchtipp

Philipp Catterfeld, Alban Knecht (Hg.): Flaschensammeln. Überleben in der Stadt, UVK Verlag, Konstanz 2015,184 Seiten, 24,99 Euro.

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