Ethikrat-Mitglied sieht kaum Chance für Verbot jeglicher Sterbehilfe
16. Juli 2012
Kiel. Der Staatsrechtler Edzard Schmidt-Jortzig hat das geplante Verbot von gewerblicher Sterbehilfe als guten Mittelweg begrüßt. Für ein Verbot von jeglicher Form der Sterbehilfe, auch der nicht-kommerziellen, werde es wohl keine politische Mehrheit geben, sagte Schmidt-Jortzig, der Mitglied im Deutschen Ethikrat ist und dem Gremium bis April vorstand, in Kiel.
Angesichts von Schweizer Sterbehilfeorganisationen, deren Ableger auch in Deutschland aktiv seien, und widersprüchlichen Gerichtsurteilen zu Einzelfällen sei es wichtig, dass eine gesetzliche Regelung gefunden werde. Ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums soll demnächst im Kabinett verhandelt werden.
Kritiker fordern ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe
Kritikern wie der evangelischen Kirche und der Bundesärztekammer geht der Entwurf nicht weit genug. Sie fordern ein Verbot der geschäftsmäßigen, also organisierten und auf Wiederholung angelegten Sterbehilfe, egal ob Geld fließt oder nicht. "Mir persönlich wäre ein solches Verbot auch sympathisch", sagte Schmidt-Jortzig. Der frühere FDP-Bundesjustizminister (1996-1998) sieht aber rechtliche Probleme. Denn davon wären seiner Meinung nach auch Ärzte betroffen, die einmalig einem Patienten beim Suizid helfen, weil sie im Rahmen ihres Berufs handeln.
Die Bundesärztekammer lehnt ärztliche Sterbehilfe zwar strikt ab, nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin kann sie aber in Ausnahmefällen zulässig sein. Beim Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfe würden Ärzte nur bestraft, wenn sie Geld dafür verlangten.
Schmidt-Jortzig glaubt, dass der aktuelle Entwurf auch Vereine betreffen könnte, die sich über Mitgliedsbeiträge finanzieren, aber kein Geld für die Sterbebegleitung fordern. "Nach der Intention des Gesetzes wäre das so", sagte er. Auch die mittelbare Finanzierung von Sterbehilfe über Mitgliedsbeiträge könne als gewerbsmäßig gewertet werden. Das müsse das erste Gerichtsurteil zum Gesetz klären.
"Fremdtötungen darf eine zivilisierte Gesellschaft nie zulassen"
Er persönlich würde auch Sterbehilfe aus selbstlosen Gründen unterbinden wollen, sagte der Jurist. Zwar stehe es jedem frei, sein Leben selbst zu beenden. "Aber wenn Dritte hereingezogen werden, ist das für diese immer eine Fremdtötung, und die darf eine zivilisierte Gesellschaft nie zulassen", sagte Schmidt-Jortzig. Verfassungsrechtlich habe der Staat zudem die zwingende Schutzpflicht für das Leben, "und nicht dafür, das jemandem die Möglichkeit verschafft wird, sich das Leben zu nehmen". Wenn es sich um nahe Angehörige handle, könne das für diese ein entschuldigender Notstand sein, räumte er ein. Doch das könne nur im Einzelfall einmal zutreffen und nicht allgemein gesetzlich geregelt werden.