Hilferufe

Flüchtlingsbeauftragte: Menschen in Afghanistan brauchen Perspektiven und Sicherheit

Was wird mit den Menschen, die in Afghanistan ausharren müssen? Die Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche sprechen täglich mit Menschen, deren Familien unter der Taliban-Herrschaft leiden.
Was wird mit den Menschen, die in Afghanistan ausharren müssen? Die Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche sprechen täglich mit Menschen, deren Familien unter der Taliban-Herrschaft leiden. © unsplash; Mohammad Rahmani

18. September 2021 von Claudia Ebeling

Die Lage in Afghanistan ist weiter extrem angespannt. Laufend erreichen Hilferufe verzweifelter Menschen die Flüchtlingsbeauftragten in den Kirchenkreisen der Nordkirche. Die bereits hier lebenden Afghaninnen und Afghanen sorgen sich um ihre Familienangehörigen und benötigen rechtliche Beratung. Die Nordkirche hat einige Hilferufe exemplarisch zusammengetragen.

Die Kirchenleitung der Nordkirche hat in einer aktuellen Stellungnahme in einer aktuellen Stellungnahme  an die Landesregierungen in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg appelliert, Flüchtlingen sowie Asylsuchenden aus Afghanistan gesicherte Perspektiven in Deutschland zu geben. Zugleich beraten die Flüchtlingsbeauftragten der Kirchenkreise sowie die Flüchtlingsbeauftrage der Nordkirche in diesen Tagen intensiv Menschen, die sich um das Leben ihrer Familienangehörigen unter der Taliban-Herrschaft sorgen. Hier beschreiben sie, mit welchen Ängsten diese Menschen zu kämpfen haben. Aus Sicherheitsgründen sind die Namen der Hilfeschen anonymisiert worden. 

Gefühl von Ohnmacht 

Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche: 

"Ich kenne A seit mehr als 10 Jahren. Sehr lange haben wir nichts voneinander gehört. Er hat seinen Meister gemacht, studiert berufsbegleitend und ist inzwischen deutscher Staatsbürger. Aber das ist an diesem Tag alles unwichtig. Sein Bruder, der für die Amerikaner gearbeitet habe, seine Schwägerin, seine Mutter, die Nichten und Neffen….  Er müsse doch helfen und könne nichts tun. Er spiele sogar mit dem Gedanken, sein Leben zu beenden, sagt er, so hilflos und ohnmächtig fühle er sich."

Meike Röckendorf, Flüchtlingsbeauftragte im Kirchenkreis Dithmarschen: 

"Vor kurzem meldete sich eine ehrenamtliche Unterstützerin bei mir, die eine Familie betreut, die nun in großer Sorge um ihre Verwandten in Afghanistan ist. Dringend suchen sie nach Hilfsmöglichkeiten für die Schwester in Afghanistan, deren Ehemann vor kurzem von den Taliban erschossen wurde. Kann der Witwe mit ihren vier Kindern, die nicht weiß, wie sie sich und die Kinder ernähren soll und um ihr Leben fürchtet,  geholfen werden? Trägt hier der sogenannte 'Aufnahmewunsch' an das Land Schleswig-Holstein? Was bedeutet es schließlich, den Antrag fristgerecht gestellt zu haben?"

Keine medizinische und soziale Unterstützung vor Ort

Magdalena Zimmermann, Flüchtlingsbeauftragte im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein: 

"Eine Gemeinde in Hamburg gewährte einer Familie aus Afghanistan vor einigen Jahren Kirchenasyl. Sie ist jetzt in großer Sorge um eine Tochter und deren Kinder, die noch in Afghanistan leben. Obwohl deren Mann mittlerweile in der EU lebt, wurde die Familienzusammenführung immer wieder abgelehnt oder verzögert. Die Tochter braucht medizinische und soziale Unterstützung, die sie vor Ort in Afghanistan nicht mehr bekommen kann. Die Kirchengemeinde versucht die Familie gemeinsam mit ProAsyl und verschiedenen Abgeordneten zu unterstützen." 

Lars Müller, Flüchtlingsbeauftragter im Kirchenkreis Mecklenburg: 

"Der Pastor einer Kleinstadt in Pommern erzählt von einer afghanischen Familie, die Mitglied  in der lokalen Kirchengemeinde ist. Sie haben große Angst um die in Afghanistan verbliebene Tochter. Was können WIR tun, fragt der Pastor? Wenn sie es allein aus dem Land schaffen sollte, gibt es wenigstens Möglichkeiten, sicher zur Familie nach Deutschland zu kommen? Er hofft auf eine Reaktion aus Landeskirche, der EKD und der Politik. Es ist sehr unbefriedigend, dass wir für die einzelnen Menschen so wenig konkret tun können." 

Wut und Warterei  

Susanna Frisch, Flüchtlingsbeauftragte im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg:

"Ich bin in Kontakt mit der Inhaberin einer Firma, die Angestellte in Mazar-e Sharif hat. Seit Mai versucht sie für ihre Angestellten eine Einreisegenehmigung nach Deutschland zu bekommen, sie kann Arbeitsverträge anbieten und bei Unterkünften helfen. Doch erst nach Abzug des Militärs gelang die Ausreise,auf einige Personen wartet sie noch immer. Sie ist wütend auf die deutschen Behörden. Ich versuche, sie dennoch weiter zu ermutigen, nicht aufzugeben." 

Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche:

"M. ist vor sechs Jahren als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland gekommen. Zu seiner in Afghanistan zurückgebliebenen Mutter und den vier minderjährigen Schwestern hat er ein sehr inniges Verhältnis. Die Familie gehört zur Volksgruppe der Hazara, die in der Vergangenheit besonders unter en Taliban zu leiden hatten. Er hat einen persönlichen Brief an den Innenminister seines Bundeslandes geschrieben und um Hilfe gebeten. Antwort hat er nicht bekommen. Trotzdem ist es Mutter und Schwestern gelungen, über die Grenze nach Pakistan zu gelangen. M wird Urlaub nehmen, um sie nach vielen Jahren wiederzusehen. 'Mein Traum ist wahr', schreibt er."

"Sie haben uns vergessen" 

Anja Fischer, Flüchtlingspastorin im Kirchenkreis Mecklenburg: 

"Ein junger Mann berichtet mir von seiner Schwester und ihrem Mann, die bis vor wenigen Wochen als Dolmetscher für die NATO gearbeitet haben, speziell jedoch für die türkischen Soldaten. Sie leben in Kabul, als die Taliban kamen, trauten sie sich nicht aus dem Haus und versuchten telefonisch, die türkischen Mitarbeiter der NATO zu erreichen, aber es gab keinerlei Reaktion. 'Sie haben uns einfach vergessen', berichten sie. Der Weg zum Flughafen sei zu gefährlich, auch haben sie Angst, dass die Taliban ihre Wohnung durchsuchen und die Arbeitspapiere finden, doch die sind ja nötig, um in Europa Asyl zu finden. Sie haben kaum noch Geld und können sich kaum noch mit dem Lebensnotwendigsten versorgen. Sagt Deutschland seine Hilfe nur für die Ortskräfte zu, die für die Deutschen gearbeitet haben? Wie können wir helfen?“ 

Susanna Frisch, Flüchtlingsbeauftragte im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg:

"Herr S. schrieb mich bereits im Mai 2021 an mit der Bitte zu helfen, da die Ausländerbehörde in Schleswig nicht antwortet und seine Duldung mit Arbeitserlaubnis abläuft. Pandemiebedingt sind die Ausländerbehörden im Kreis Schleswig-Flensburg sowie in der Stadt Flensburg schwer erreichbar, es gibt aktuell noch keinen persönlichen Kundenverkehr. Herr S. lebt seit 2014 in D und arbeitet seit 2017. Sein Asylantrag wurde im März 2020 abgelehnt. Doch nun braucht er Hilfe, um einen neuen Antrag zu stellen."

Ein Leben im Versteck

Desweiteren betreut Susanne Frisch seit sechs Jahren Frau M. und ihre Familie. "Sie hat Sprachkurse und Schulen besucht, und ihren ersten allgemeinen Abschluss sehr gut bestanden. Ihr Asylantrag wurde dennoch abgelehnt. Nun hat sie große Sorge, nach Afghanistan zurück zu müssen. Wir versuchen gemeinsam, einen neuen Antrag zu stellen. Hinzu kommt die verzweifelte Lage ihrer Familie, die noch in Afghanistan lebt und sich versteckt hält. Die Afghaninnen und Afghanen, die hier leben, helfen sich auch untereinander, da alle in irgendeiner Form betroffen sind von der politischen Lage."

 

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