Gedenken ans Kriegsende: „Wir haben den Briten viel zu verdanken“
04. Mai 2015
Lübeck. Aus Feinden sind Freunde geworden: Briten und Deutsche haben an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Schleswig-Holstein erinnert – und daran, wie Deutschland Demokratie lernte.
Mit einer gemeinsamen Andacht haben Vertreter von Land und Kirche in Lübeck an das Kriegsende in Schleswig-Holstein vor 70 Jahren erinnert. Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) verwies auf das positive Wirken der britischen Militärregierung nach dem Krieg. Die Briten hätten angesichts von Krieg und Zerstörungen durch die Deutschen allen Grund zur Unnachgiebigkeit und Härte gehabt, sagte Schlie in der St. Marienkirche. Die Militärregierung habe jedoch die Härte eines Lehrers gezeigt und sei konsequent gewesen in Sachen Demokratie, Toleranz und Rechtsstaatlichkeit. Schlie: "Wir Norddeutschen haben den Briten viel zu verdanken."
Es sei heute kaum noch vorstellbar, dass beide Länder einmal verfeindet waren, bekräftigte der britische Botschafter Sir Simon McDonald. 70 Jahre nach dem Ende des Krieges könne aber in Schleswig-Holstein Versöhnung und Freundschaft gefeiert werden. "Wir sind nicht nur ebenbürtige Partner, sondern dauerhafte Freunde geworden." Enge Kontakte gebe es nicht nur zwischen Politikern, sondern auch zwischen Sportvereinen, Schulen, Universitäten und Kultureinrichtungen.
Erinnerung an die "Lübecker Märtyrer"
Nach den Worten des Landesbischofs Gerhard Ulrich zählt die Erinnerung zu den wichtigen Aufgaben im Leben. "Wer sich wirklich erinnert, der setzt sich ein für offene Grenzen, offene Herzen, für das Teilen dessen, was wir zum Leben haben." Eine solche Erinnerung sollte dazu führen, dass "nie wieder Menschen in Luftschutzkeller fliehen müssen oder in Flammen der Bombenhagel ihr Leben verlieren". Heute müssten Menschen aufstehen gegen die Ungleichheit in der Welt und gegen die Gewalt, die Menschen in die Flucht treibt.
Der katholische Erzbischof Stefan Heße erinnerte an die vier "Lübecker Märtyrer". Die drei katholischen Kapläne und der evangelische Pastor waren am 10. November 1943 hingerichtet worden, nachdem sie die NS-Verbrechen angeprangert hatten. Sie seien nicht aus sich heraus "rein und unschuldig, lauter und gut" gewesen. Der Glaube an Christus mache Menschen stark und rüste sie für die Kämpfe des Lebens – für die existenziellen Kämpfe ebenso wie für die gesellschaftlichen und politischen.
Kapitulation der Wehrmacht
Die Kapitulation der Wehrmacht erfolgte erst am 8. Mai 1945. Für Norddeutschland ist aber auch der 4. Mai 1945 ein bedeutsamer Tag: Er markiert die Teilkapitulation für das Gebiet von der Ems-Mündung bis zur Kieler Förde. Eine Abordnung des Oberkommandos der Wehrmacht hatte sich bei Lüneburg den britischen Truppen unter Generalfeldmarschall Montgomery ergeben.
Die Marienkirche in der Lübecker Altstadt ist eine "Nagelkreuzgemeinde" und repräsentiert damit die besondere Verbundenheit mit Großbritannien. Ausgangspunkt der 58 deutschen Kirchen mit diesem Titel ist das Nagelkreuz, das aus den Ruinen des von deutschen Bombern zerstörten Coventry erschaffen wurde.