Landespastor Philipps ruft zur Rettung von Beratungsangeboten auf
03. September 2021
Die Finanzierung von Beratungsangeboten wird ab 2022 in Mecklenburg-Vorpommern neu geregelt. Viele befürchten, dass die Gesetzesänderung nichts anderes als eine Sparmaßnahme ist, die das Hilfsangebot erheblich schmälern wird. Landespastor Paul Philipps erklärt, vor welchen Herausforderungen die Diakonie nun steht – und wie sie diesen entgegentritt.
"Wohlfahrtsfinanzierungs- und transparenzgesetz" (WoftG M-V) – so lautet der sperrige Name des Gesetzes, das von sozialen Einrichtungen mit einigem Unbehagen aufgenommen wurde. Denn es sieht unter anderem vor, dass die Verantwortung für die Beratungsangebote vom Land auf die Kommunen verlagert wird – was eine Neuordnung der Finanzierung einschließt.
Arme Kommune, arme Beratungslandschaft?
Vereinfacht gesagt, stellt das Land künftig nur noch so viele Mittel zur Verfügung, wie die Kommunen ihrerseits bereit sind zu leisten. Die kommunalen Kassen sind jedoch vielerorts ziemlich klamm – Einsparmaßnahmen also bereits vorprogrammiert, so die Befürchtung der Diakonie, deren Einrichtungen in Städten wie Rostock oder Schwerin dann aller Voraussicht nach ebenfalls betroffen sind.
nordkirche.de: Herr Philipps, wie begegnet die Diakonie dieser Neuregelung?
Landespastor Paul Philipps: Wir haben bereits im Vorfeld der Gesetzesverabschiedung darauf hingewiesen, dass die Kommunen und das Land auf diese Neuordnung nicht angemessen vorbereitet sind. Das bewahrheitet sich jetzt. Wir drängen darauf, dass sich zügig alle Beteiligten mit den Trägern vor Ort gemeinsam an einen Tisch setzen, um mit einer unbürokratischen Übergangsregelung die Beratungsarbeit vor dem Aus zu retten. Jetzt ist nicht die Zeit, Positionen zu behaupten, sondern gemeinsam Lösungen zu suchen im Interesse der Menschen, die auf eine wohnortnahe Beratung angewiesen sind.
Keine sichere Planung möglich
Ganz konkret gefragt: Wie viel Geld wird benötigt, um das derzeitige Beratungsangebot der Diakonie MV aufrecht zu erhalten? Und mit wie viel weniger Mitteln rechnet die Diakonie im Zuge der Neuregelung?
Es ist ein Teil des Problems, dass sich auf Grund der neuen Finanzsystematik die Lücken noch gar nicht genau beziffern lassen. Das macht gegenwärtig eine Planung für die Träger so gut wie unmöglich. Dazu kommt, dass die kommunalen Haushalte sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Einige Kommunen lagen bisher mit ihrem Anteil deutlich unter den Landesmitteln. Hier drohen ab 2022 erhebliche Einbußen, da das Land dann seinen Anteil laut Gesetz entsprechend herunterfährt. Damit wird in einem wichtigen Feld der Daseinsvorsorge die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Land faktisch aufgekündigt.
Welche Leistungen könnten dann in Zukunft nicht mehr angeboten werden? Und was bedeutet das für die Menschen im Land?
Bei der Ehe-Familien- und Lebensberatung (EFL) liegt der Eigenanteil einiger Träger zwischen 50 bis 60 Prozent. Das ist in Zukunft für die Träger nicht mehr leistbar. Wir befürchten, dass Menschen in Not zukünftig länger auf einen Termin für eine Beratung warten müssen. Dabei ist die Situation bereits vielerorts angespannt. In einigen Schuldnerberatungsstellen müssen sie heute schon bis zu zehn Wochen auf einen Termin warten.
Wenn Sie mit wenigen Worten erklären sollen, warum die Beratungsstellen der Diakonie so wichtig sind, welche sind das?
Als niedrigschwelliges Angebot sind Beratungsstellen oft die ersten Anlaufstellen für Menschen in Not. Sie spielen eine wichtige Rolle im Gesamtkonzept sozialer Hilfen, weil Sie den Ratsuchenden unbürokratisch Unterstützung anbieten und weitere Angebote vermitteln können. In vielen Fällen können dadurch frühzeitig aufwändigere Hilfeverfahren vermieden werden. Beratung stärkt Menschen, eröffnet Wege zu einem Leben in gesellschaftlicher Teilhabe und stärkt dadurch den Zusammenhalt in Familie, Beruf und Nachbarschaft.