Mehr als 1.400 Hamburger Juden wurden in Weißrussland ermordet
01. November 2013
Hamburg. Sechs Stolpersteine erinnern im Hamburger Karolinenviertel an Meta Cohen und ihre fünf Kinder. Die Familie wurde am 18. November 1941 in die weißrussische Hauptstadt Minsk deportiert und dort ermordet. Eine neue Gedenkstätte am ehemaligen Vernichtungslager Trostenez bei Minsk soll künftig an die Opfer erinnern.
Die Hamburgische Bürgerschaft wird voraussichtlich am 6. November beschließen, den Bau mit 25.000 Euro zu unterstützen. Vor der Sitzung wird eine weißrussische Delegation mit Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz im Rathaus empfangen. Vor zwei Monaten hatte sich in Hamburg eine Initiative gegründet, um den Bau einer Gedenkstätte am Stadtrand von Minsk zu unterstützen und Spenden zu sammeln. Die Bethe-Stiftung hat zugesagt, Spenden bis zu 25.000 Euro zu verdoppeln.
Das Schicksal der Familie Chohen steht für tausende Deportierte und Ermorderte in Minsk
Metas Ehemann Richard Cohen hatte ein Schlachtergeschäft auf St. Pauli. Während der Wirtschaftskrise 1932 musste er seinen Laden schließen und fand anschließend keine Anstellung mehr. 1938 hatte die Familie die Möglichkeit, in die USA zu flüchten, die Kosten hätte der Jüdische Hilfsverein übernommen. Doch die Gestapo ließ lediglich Richard Cohen auswandern. Meta Cohen zog mit ihren Kindern in eine beengte Wohnung im Karolinenviertel. Als Meta Cohen nach Minsk deportiert wurde, war Tochter Edith erst fünf Jahre alt. Max war sieben, Curt elf, Hermann 13 und Ellen 15 Jahre alt.
Zwei Transporte mit 1.435 Männern und Frauen jüdischer Abstammung gingen am 8. und 18. November 1941 von Hamburg nach Minsk. Nur 20 überlebten den Transport.
Insgesamt wurden aus dem Deutschen Reich mehr als 22.000 Juden nach Minsk deportiert. Sie kamen ins Ghetto und wurden später in dem Vorort Trostenez erschossen oder vergast. Die Opferzahl einschließlich der ermordeten Weißrussen wird auf zwischen 60.000 und 210.000 geschätzt. Schwierig ist die Spurensuche, weil von dem Vernichtungsort heute kaum noch Spuren sichtbar sind. So begann man Ende 1943, die Leichen zu verbrennen, um die Massenmorde zu verschleiern.
Minsk bislang ohne Gedenkstätte
Anders als für Vernichtungslager wie Auschwitz oder Treblinka gibt es für die Opfer von Minsk keine angemessene Gedenkstätte. In den 60er Jahren wurden einzelne Gedenksteine aufgestellt. Doch jetzt soll eine Gedenkstätte gebaut werden. Die Stadt Minsk hat bereits eine Fläche von 100 Hektar bereitgestellt. Für einen Teil gibt es eigene Pläne der Stadt. Für den zweiten Teil will das Bildungswerk IBB (Dortmund) als Träger der Aktion bundesweit rund eine Million Euro sammeln. Neben Hamburg sind fünf weitere Großstädte beteiligt.
„Pforte der Erinnerung”
Für die neue Gedenkstätte hat ein belarussischer Künstler einen rund 800 Meter langen Todesweg entworfen: Am Anfang steht eine stilisierte Verbrennungsgrube. Hinter der Skulptur "Pforte der Erinnerung" liegt das parkähnliche Grabfeld mit der Asche der Ermordeten. Der "Weg des Todes" wird von gestalteten Eisenbahnwaggons mit den Namen der Deportierten gesäumt. Unterstützt wird das Projekt unter anderem von Bundespräsident Joachim Gauck und Bremens Alt-Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Der Hamburger Zuschuss für die Gedenkstätte gilt als sicher, weil der Antrag von allen Bürgerschaftsfraktionen getragen wird.
Ein deutscher Gegenbesuch ist für 2014 geplant. Dann wird auch der Hamburger Hermann Völker dabei sein, der das Schicksal seiner Familie recherchiert hat. Meta Cohen ist seine Großtante, zwei weitere Großtanten wurden ebenfalls in Minsk ermordet. Weitere Verwandte sind in anderen Lagern Osteuropas umgekommen. Sein Vater hat das KZ Neuengamme überlebt. Gemeinsam mit der deutschen Delegation soll dann Pfingsten der Grundstein für die Gedenkstätte gelegt werden.