Flüchtlinge in der St.-Pauli-Kirche

Nach Krieg und Vertreibung kommen Flüchtlinge nicht zur Ruhe

Andreas A. (li) ist einer der Sprecher der Fluechtlings-Gruppe "Lampedusa in Hamburg". Er sprach im Juni bereits mit dem amerikanischen Vize-Generalkonsul Robert Stevens (re). Mit dabei: Pastor Sieghard Wilm und Constanze Funck (Nordkirche)
Andreas A. (li) ist einer der Sprecher der Fluechtlings-Gruppe "Lampedusa in Hamburg". Er sprach im Juni bereits mit dem amerikanischen Vize-Generalkonsul Robert Stevens (re). Mit dabei: Pastor Sieghard Wilm und Constanze Funck (Nordkirche)© epd-bild / Julia Reiss

29. Juli 2013 von Doreen Gliemann

300 Wanderarbeiter aus Libyen sind in Hamburg gestrandet, ihnen droht die Abschiebung. Möglich wäre ein humanitäres Bleiberecht, doch die Innenbehörde zögert. Andreas A. ist einer der Sprecher der Flüchtlinge. Einblicke in ein Leben zwischen Bangen und Hoffen.

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"Ich komme gerade vom Joggen und bin etwas verschwitzt", entschuldigt sich Andreas A. (Name geändert) und berichtet: "Fast jeden Morgen laufen ein paar Leute von uns mit dem Pastor vier Kilometer den Hafen entlang." Der 25-Jährige ist der Sprecher von rund 70 Männern, die seit Anfang Juni in der St. Pauli-Kirche untergekommen sind. Jetzt sitzt er im Garten der Kirche, blickt auf die Elbe und bittet um Anonymität: "Viele Leute verloren damals in Ghana ihr Leben, deshalb möchte ich nur meinen christlichen Vornamen und nicht meinen Familiennamen nennen."

6.000 Kriegsflüchtlinge aus Libyen sind nach Angaben der Initiative "Lampedusa in Hamburg" über Italien nach Deutschland gekommen. Jahrelang hatten die Wanderarbeiter aus Westafrika in Libyen gelebt - bis zum Krieg vor zwei Jahren. Schätzungsweise 300 von ihnen schlafen auf Hamburgs Straßen, einige sind mittlerweile in Kirchen, Moscheen und bei Privatpersonen untergekommen. Sie fordern ihre Anerkennung als Kriegsflüchtlinge. A. ist einer von ihnen.

Jeden Abend rollen die Männer aus Nigeria, Mali, Togo, Niger, dem Sudan, der Elfenbeinküste und anderen Ländern dünne Matratzen im Kirchenschiff, neben dem Altar und oben auf der Empore aus. Morgens falten sie das Bettzeug wieder zusammen, frühstücken, räumen auf. "Ich habe lange auf der Straße gelebt, viel Schlimmes gesehen und jetzt habe ich endlich ein Dach über dem Kopf. Die Kirche und viele Menschen hier zeigen ihre Solidarität. Sie bringen uns Kleidung und Essen", sagt A. 

Es gibt keinen Weg zurück in das alte Leben in Libyen

Andreas A. floh 2005 als Jugendlicher aus Ghanas Norden nach Libyen. "In Tripolis hatte ich ein gutes Leben. Dort konntest du es schaffen und nach zwei Jahren eine professionelle Arbeit bekommen." Eine Wohnung und ein Job auf Baustellen - alles sei für ihn gut gewesen bis zum 17. Februar 2011. Das Datum weiß er noch ganz genau: "Da begann die Gewalt auf den Straßen, Leute wurden erschossen, alle waren bewaffnet. Es war gefährlich für alle, für Libyer und für Migranten." 

Im Sommer 2011 musste A. das Land verlassen: "Soldaten nahmen mir alles ab, Geld und Handy. Sie brachten mich zum Hafen." Zusammen mit 1.250 Männern, Frauen, Schwangeren und Kindern kam A. auf ein Schiff mit drei Decks, Todesangst wird sein Begleiter: "Ich dachte, das ist das Ende, wir werden alle sterben. Ich war noch nie zuvor auf dem Meer gewesen."

Der Preis fürs Überleben ist hoch 

Drei Tage lang habe die Überfahrt nach Italien gedauert, alle Passagiere überlebten. Insgesamt kamen über Monate rund 70.000 Flüchtlinge aus Libyen an. A. wird nach Mailand geschickt. Dort sei das Leben schrecklich gewesen, erzählt er. Sein Auffanglager habe aus Geldmangel bald dichtgemacht, er habe auf der Straße gelebt. Andreas A. entschied sich für die Flucht nach Deutschland.

"In Hamburg konnte ich zuerst im Winternotprogramm für Obdachlose unterkommen, aber im Frühjahr wurde es geschlossen." Wie andere Flüchtlinge campierte auch er danach unter Brücken, in Parks und vor Ladeneingängen. Die Flüchtlinge lernten sich kennen, demonstrierten und errichteten mit vielen Unterstützern ein Protest-Zelt am Hauptbahnhof. Ihr Ziel: "Wir wollen zeigen, dass wir menschliche Wesen sind. Wir haben nicht den Krieg in Libyen überlebt, um auf Hamburgs Straßen zu sterben."

Andreas A. sagt, sie wollten endlich zur Ruhe kommen und als Kriegsflüchtlinge anerkannt werden. Die Männer wollten arbeiten und Deutsch lernen: "Andere wollen zur Schule gehen und oder eine Ausbildung machen." Manche der Flüchtlinge sind erst 20 Jahre alt. 

Ein Bericht von Anke Schwarzer. Redaktion: Doreen Gliemann

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