Politisches Nachtgebet

Vor 20 Jahren starb Dorothee Sölle - Erinnerungen an die Theologin

Anlässlich des 15. Todestages von Dorothee Sölle im Jahr wurde 2018 eine Lichtinstallation von Nicola Dicke organisiert: "Politisches Nachtgebet" illuminierte das Dorothee-Sölle-Haus in Hamburg-Altona.
Anlässlich des 15. Todestages von Dorothee Sölle im Jahr wurde 2018 eine Lichtinstallation von Nicola Dicke organisiert: "Politisches Nachtgebet" illuminierte das Dorothee-Sölle-Haus in Hamburg-Altona.© Marlise Appel, Urheberin: Nikola Dicke, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

26. April 2023 von Claudia Ebeling

Spiritualität und Widerstand gehörten für die Theologin Dorothee Sölle untrennbar zusammen. Gemeinsam mit anderen entwickelte sie das Politische Nachtgebet, in dem christlicher Glaube und politisches Handeln zueinander in Beziehung gesetzt werden.

Alle Informationen und ein Link zum Livestream: Politisches Nachtgebet am 28. April in St. Katharinen

Bundesweit wird mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen an die prominente und auch streitbare Theologin erinnert. In Hamburg lädt das Frauenwerk der Nordkirche in die Hauptkirche St. Katharinen ein, dort wird ein Politisches Nachtgebet gefeiert.

Dorothee Sölle stand für Gerechtigkeit und Feminismus

Eine umfangreiche Website bündelt zahlreiche Informationen über Dorothee Sölle

Dorothee Sölle (1929-2003) gehört zu den einflussreichsten Theologinnen des Protestantismus. Eines ihrer zentralen Lebensthemen war „Gottes Vorliebe für die Armen“. Damit wurde sie zu einer der führenden europäischen Befreiungstheologinnen.

Die Befreiungstheologie entstand vor allem in Lateinamerika und steht für eine Kirche der Armen, die sich für die Befreiung der Unterdrückten einsetzt.

Zeitlebens hatte sie eine Abneigung gegen die - vor allem von Männern geprägte - Kreuzestheologie. Sölle und andere feministische Theologinnen sehen im Kruzifix ein Symbol für männliche Brutalität und Todesverherrlichung.

Die Hamburger Theologin Dorothee Sölle in der Leipziger Universität bei einem Vortrag zum 27. Deutschen Evangelischen Kirchentag 1997 (epd-Archiv).
Unter dem Motto "Auf dem Weg der Gerechtigkeit ist Leben" fand vom 18. - 22. Juni in Leipzig der 27. Deutsche Evangelische Kirchentag statt. Foto: Feministisch-theologische Basisfakultät - die Hamburger Theologin Dorothee Sölle in der Leipziger Universität bei einem Vortrag.© Rüdiger Niemz, epd-Bild

Politisches Nachtgebet für Frieden

Das Format wurde von Dorothee Sölle gemeinsam mit anderen erstmals 1968 beim Katholikentag in Essen gefeiert. Es sollte Menschen mit Informationen, Impulsen aus der Bibel und Meditation befähigen, ins Tun zu kommen. Damals ging es um Widerstand gegen den Vietnam-Krieg und zog tausende Menschen in die Kirche.

"Sölle hat das Format entwickelt, um drängende Fragen der Zeit aufzugreifen. Wir haben uns entschieden, die Friedensthematik zu behandeln, denn wir erleben in der Frauenarbeit, dass viele Frauen fassungslos sind angesichts der weltweit zunehmenden Gewaltschraube", erklärt Irene Pabst vom Frauenwerk.

Stimmen anlässlich des 20. Todestages:

Margot Käßmann, frühere Landesbischöfin von Hannover und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD):

Dorothee Sölle sei wichtig gewesen, „Menschen einen Zugang zu einem Leben in Fülle, zur Überwindung der inneren Leere zu verschaffen“. Die Erfahrung der Mystik sei für sie ein Weg zu ganzheitlicher Lebenswahrnehmung gewesen. „Dieser Weg kann für unsere Kirche heute wegweisend sein.“ (...) "Ihre politische Theologie, das politische Nachtgebet, ihre Aufforderung, den 'Papa-wirds-schon-richten Glauben' zu überwinden, haben Menschen angeregt zu fragen, wie Glauben und Spiritualität heute lebendig sein können.“

Maren Bienert, Professorin für Systematische Theologie an der Universität Hildesheim:

"Sölle hat schon sehr früh Themen wie Frieden, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz miteinander vernetzt und ein politisches Bewusstsein für globale Zusammenhänge geschaffen. Politisch hat sie sich dabei weit links positioniert - woran sich viele Protestanten bis heute stören. Doch diesen energischen Willen, die Mega-Probleme der Zeit zu verstehen und zu lösen, brauchen wir auch heute, zum Beispiel im Hinblick auf Klimagerechtigkeit. Vorbild ist Sölle für mich auch darin, dass sie Theologie und Gesellschaft, Theorie und Praxis in ein großes Wechselgespräch gebracht hat. Theologinnen und Theologen, die so viele Bürger erreichen, wünsche ich mir auch für unsere Zeit.

Claudia Janssen, Professorin für Neues Testament und Theologische Geschlechterforschung an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal:

Sölles "Einsichten waren damals unbequem und sind es noch heute. Dorothee Sölle hat polarisiert, viele fühlten sich bedrängt von ihrer oft kompromisslosen Forderung, sich auf die Seite der Verarmten, Marginalisierten, Entrechteten zu stellen. Sie war eine Mahnerin, die dem westlichen Mittelstandschristentum einen Spiegel vorhielt, in den kaum jemand gern schauen wollte."

Zum vollständigen Interview auf genderblog.de

Das Dorothee-Sölle-Haus in Hamburg-Altona

In Hamburg sind zahlreiche Einrichtungen von Kirche und Diakonie in einem gemeinsamen Verwaltungszentrum untergebracht. Der Ort heißt "Dorothee-Sölle-Haus" und erinnert im Foyer mit Tafeln und Zitaten an die Theologin.

Unter anderem sind hier das Amt für Kirchenmusik, das Diakonische Werk Hamburg, das Kommunikationswerk und die Evangelische Akademie zu finden. "In der Tradition der Theologin Dorothee Sölle stehen wir für die Verbindung von Glaube und gesellschaftspolitischem Engagement", heißt es im Selbstverständnis.

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