Ein Fürsprecher der Seeleute
01. November 2021
Seemannspastor Matthias Ristau wird neuer Generalsekretär der Deutschen Seemannsmission e.V. Den Blick aus seinem Büro in Altona auf den Hamburger Hafen wird er vermissen, doch der Stadt bleibt er weiterhin treu. Von seinem neuen Büro in der Hafencity nimmt er ab 2022 die Belange der Seemannsmission weltweit in den Blick. Hier spricht er über das, was ihm dabei besonders wichtig ist.
nordkirche.de: Pastor Ristau, Sie sind seit acht Jahren als Seemannspastor hier in Hamburg-Altona tätig und kennen sich gut aus mit den Sorgen und Wünschen der Seeleute. Was belastet die Seeleute denn aktuell am meisten?
Matthias Ristau: Es ist schwer zusammenzufassen, denn die Seeleute sind durch die Corona-Pandemie immer noch von ganz vielen Einschränkungen betroffen. Manche Menschen meinen ja, die Pandemie sei schon vorbei, für die Seeleute ist sie noch längst nicht vorbei. Es gibt immer noch viele Seeleute, die an Bord der Schiffe festhängen, die viel länger an Bord sind als sie sollten. Im vergangenen Jahr waren es 400 000, ich tippe derzeit sind es um die 100 000. Sie bekommen in ganz wenigen Häfen weltweit Landgang.
Wieso?
Einerseits von den Häfen aus, andererseits gibt es auch Reedereien, die den Landgang prinzipiell und überall untersagen, denn es könnte ja gefährlich sein, dass die Seeleute sich mit Corona infizieren. Manche Seeleute sind bis zu 18 Monate an Bord und nie an Land in der gesamten Zeit. Auch nicht wenn das Schiff in die Werft muss. Die Seeleute bleiben weiter an Bord. Wenn man sich vorstellt so lange eingesperrt zu sein in einer Blechbüchse, dann geht das schon aufs Gemüt, die Seele und die körperliche Verfassung. Der Kontakt zu anderen Menschen jenseits des Schiffes fehlt einfach.
Zudem hatten viele Seeleute bislang nicht die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Das ist ihren Herkunftsländern häufig recht kompliziert geregelt. Es kommt vor, auch in deutschen Häfen, dass eine Crew mit Corona infiziert ist und daher nicht anlegen kann. Oder das Schiff liegt im Hafen, soll aber trotz Fällen an Bord auslaufen. Es heißt dann, sie seien ja nur infiziert und nicht krank. Da setzen wir uns als Seemannsmission uns dafür ein, dass die Betroffenen an Land kommen können und hier in Quarantäne kommen. Wir besuchen Sie dann auch - im Schutzanzug - und kümmern uns vor Ort weiter.
Wie bleiben Sie mit den Seeleuten in Kontakt, wenn vielen die Schiffe momentan gar nicht verlassen können?
Eine unserer wichtigsten Aufgaben als Seemannsmission ist es ja, mit den Seeleuten zu kommunizieren und Gespräche zu ermöglichen. Das ging im vergangenen Jahr auf einmal nicht mehr. Im März 2020 war ja dann auch auf einmal alles zu und Kontakt kaum mehr möglich. Innerhalb weniger Wochen haben wir die Chatplattform dsm.care gebastelt, wo die Seeleute sich ganz einfach per Textnachricht melden können.
Auch die lokalen Seemannsmissionen haben alle möglichen Kommunikationskanäle freigeschaltet und Lieferdienste organisiert, um den Seeleuten die Dinge zu bringen, die sie nötig brauchen und die ihnen ein wenig helfen, das eingesperrt sein zu ertragen. Dazu gehörten vor allem SIM-Karten für die Kommunikation.
Wie läuft die Kommunikation jetzt?
Auf den meisten Schiffen können die Seeleute Text E-Mails schicken, aber nicht im Internet surfen. Mit SIM-Karten können sie in Hafennähe ins Netz. Einige Schiffe haben mittlerweile auch W-Lan. Unsere Chatplattform ist daher auch ganz einfach zu erreichen, die Adresse dsm.care. Das ist einfach zu merken und weiterzusagen. Da kann man chatten, ohne viele Daten zu verbrauchen. Die Seeleute melden sich mit ganz praktische Anfragen bei uns, zum Beispiel: "Ist der Seemannsclub Brunsbüttel geöffnet?". Es erreichen uns aber auch Fragen wie "Mir geht es nicht gut, ich brauche dringend jemanden zum Reden" oder "Ich bin schon viel zu lange auf dem Schiff und brauche Hilfe".
Wer kümmert sich um die Anfragen?
Wir sind ein Team von zehn Leuten. Ich bin einer davon und habe das Projekt mit angestoßen. Wir bekommen über einen sicheren Messenger-Dienst eine Nachricht, so können wir zeitnah antworten. Das klappt ganz gut. Wir hatten schon ein paar hundert Gespräche. Über den Kanal melden sich auch Seeleute, die ganz woanders auf der Welt sind.
Ist der digitale Ausbau auch eine Sache, die sie sich als Generalsekretär vorgenommen haben?
Definitiv. Die Chatplattform soll verbessert werden und wir möchten auch andere Kommunikationskanäle für die Seeleute schaffen. Aber auch für die interne Kommunikation, um sichere Kanäle aufzubauen, auf denen wir mit unseren Stationen in der ganzen Welt in Kontakt sein können.
Welche weiteren Aufgaben warten auf Sie als Generalsekretär?
Da wartet ein ganzer Blumenstrauß an Aufgaben auf mich. Der Generalsekretär ist der theologische Leiter im Hauptamt, das weitere Leitungspersonal der DSM setzt sich aus ehrenamtlich Mitarbeitenden zusammen. Im Ausland bin ich als Vorgesetzter für das Personal zuständig. Ich schaue darauf, wo es Probleme gibt oder wo Fortbildungsbedarf ist. Im Inland ist der Generalsekretär eine Form von Berater und Begleiter für die Kollegen an den verschiedenen Standorten, wie beispielsweise hier in Hamburg, in Lübeck oder Sassnitz.
Zu den Aufgaben des Generalsekretärs gehört es auch, Fürsprecher der Seeleute zu sein, sich für ihre Rechte und Interessen einzusetzen, auch bei Politikerinnen und Politikern. Auch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gehört zu meinen neuen Aufgaben.
Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Momentan ist es wirklich vor allem, die Lage der Seeleute bekannter zu machen und dafür laut die Stimme zu heben. Aber auch die Seeleute weiterhin persönlich in den Häfen zu besuchen, das möchte ich auch als Generalsekretär.