Hoffnungsleuchten

Schweriner Gemeinde hilft seit 25 Jahren, die Armut zu lindern

Die Ehrenamtlichen packen Brot und Brötchen in Tüten, um sie zusammen mit anderen frischen Lebensmitteln und kleinen Aufmerksamkeiten an die Wartenden auszugeben.
Die Ehrenamtlichen packen Brot und Brötchen in Tüten, um sie zusammen mit anderen frischen Lebensmitteln und kleinen Aufmerksamkeiten an die Wartenden auszugeben. © Annette Klinkhardt, Nordkirche
"Ein Lächeln versteht man in jeder Sprache" steht auf der Tüte, die Bischof Tilman Jeremias überreicht. Bei der Essensausgabe der St. Petrus-Gemeinde in Schwerin gibt es nicht nur Nahrungsmitteln, sondern auch ein nettes Wort für die Gäste.
"Ein Lächeln versteht man in jeder Sprache" steht auf der Tüte, die Bischof Tilman Jeremias überreicht. Bei der Essensausgabe der St. Petrus-Gemeinde in Schwerin gibt es nicht nur Nahrungsmitteln, sondern auch ein nettes Wort für die Gäste.

21. Dezember 2020 von Annette Klinkhardt

Brot, Gemüse, Obst: Die Schweriner Tafel und St. Petrus-Gemeinde versorgen seit 25 Jahren Menschen mit Essen, deren Einkommen oft nicht einmal für das Nötigste reicht. In der Vorweihnachtszeit besuchte Bischof Tilman Jeremias die Einrichtung, um den Helfern seinen Dank auszusprechen.

Etwa 30 Herferinnen und Helfer hatten sich versammelt, um bei der letzten Essensausgabe des Jahres dabei zu sein. Unter ihnen auch Bischof Jeremias. "Viele können sich gar nicht vorstellen, wie dringend Menschen, die mitten unter uns leben, auf die Unterstützung durch Tafeln und Essensausgaben angewiesen sind. Was die Kirchengemeinde hier tut, ist ein unmittelbarer Ausdruck des christlichen Glaubens: Menschen in der Nachbarschaft im Blick zu haben", sagte er.

"Dürfte solche Armut nicht geben"

Mit Blick auf die ehreamtlich Engagierten fügte er an: "Diese Arbeit machen sie Woche für Woche in dem Bewusstsein, dass es solch eine krasse Armut in unserem Land nicht geben dürfte.“

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Bischof Jeremias packt mit an: Kurz vor Weihnachten gibt die St. Petrus-Gemeinde nicht nur Essen, sondern auch Spielsachen und Kuscheltiere aus. © Annette Klinkhardt, Nordkirche

Seit  25 Jahren unterstützt die Kirchengemeinde auf dem Großen Dreesch Bedürftige mit Lebensmitteln, seit zwei Jahren ist Marcus Wergin für die sozialdiakonische Arbeit der Kirchengemeinde verantwortlich. "Viele unserer Helferinnen und Helfer sind selbst arm und gehören zur Risikogruppe", erzählt er. So mussten 20 seiner rund 30 Unterstützer im vergangenen Jahr wegen Corona pausieren.

Doch innerhalb kürzester Zeit hat er es geschafft, weitere Ehrenamtliche zu finden: Freiberufler, Menschen aus dem Gastgewerbe, die derzeit nicht arbeiten dürfen, und andere, die sogar Urlaub dafür nehmen. Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr ist auch Jacqueline Bernhardt mit dabei. "Ich freue mich, dass wir durch Spenden diesmal viel Kinderspielzeug in die Tüten packen können. Das ist für die Familien so wichtig, dass es zu Weihnachten wenigstens ein bisschen besonders ist", sagt sie.

Sie hat sichtlich Spaß daran, mitzuhelfen. „Alle hier haben das Herz am rechten Fleck“, meint sie "das ist eine schöne, freudige Stimmung. Was ich hier erlebe, ist das, was ich als Kind in der Christenlehre gelernt habe: Christlicher Glaube bedeutet nicht nur Worte, sondern auch Taten."

Corona erschwert die Arbeit 

Im Gemeinderaum stapeln sich Säcke voller Kartoffeln, Karotten, Kohlrabi. Rettiche liegen auf dem Tisch. "Zu den Lebensmitteln der Tafel kaufen wir immer frische Waren dazu", erzählt Marcus Wergin. Das habe für ihn etwas mit Menschenwürde zu tun. "Die Waren, die die Tafel von den Supermärkten erhält, sind Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können. Da ist häufig etwas dabei, was einfach nicht mehr schön ist. Ich finde es beschämend, jemandem einen faulen Salat einzupacken".

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Lange Schlange vor der Ausgabestelle: Unter den Wartenden sind viele Senioren, die in die Armut gerutscht sind.© Annette Klinkhardt, Nordkirche

In "normalen" Zeiten bekommen die Tafelgäste in der Kirche einen Kaffee oder Tee und Kuchen und finden offene Ohren für ihre Sorgen: "Das Tütengeschäft gibt’s dann eher nebenbei", so Wergin. Doch in Coronazeiten ist alles anders: Die Fenster und Türen müssen beim Packen offen bleiben, und so sind die Freiwilligen in dicke Jacken gehüllt. Zu Weihnachtsmusik aus dem CD-Player sortieren sie Gemüse, Konserven, Nudelpackungen, Brot und Brötchen.

Essen, Blumen und ein freundliches Wort

An diesem Tag packen sie 300 Tüten: Ein Kilogramm Kartoffeln, Möhren, ein Vollkornbrot, ein Glas Rotkohl, Popcorn, Brotaufstrich, ein Stofftier, ein Büchlein. Es wird viel gelacht, die Handgriffe sitzen. Ab 11 Uhr kommen die Bedürftigen zum sogenannten "Welcome-Tisch" und ziehen ein Los mit einer Art Wartenummer.

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Es sind viele Ältere dabei, aber auch Familienmütter mit Kinderwägen, Männer, die sich auf Russisch unterhalten, und Geflüchtete. Jeder erhält bei der Ausgabe neben seinen Tüten einen Blumenstrauß, frisches Obst, ein Lächeln und ein freundliches Wort.

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Mit vollen Tüten gehen die Menschen nach Hause: Bei der Essensausgabe der Gemeinde erhalten sie frische Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Brot. © Annette Klinkhardt, Nordkirche

Pastor Tom Ogilvie aus der benachbarten Gemeinde Pinnow packt seit einem halben Jahr ehrenamtlich mit an: "Das erste Mal konnte ich nach sechs Stunden kaum ins Auto steigen", sagt er lachend in Anspielung auf die harte körperliche Tätigkeit, bis zu 300 Tüten zu schleppen. Manchmal, so der Pastor, kämen ihm die Tränen: "Wenn ich sehe, wie die alten Menschen an kalten Tagen oder wie heute im Regen so lange und geduldig draußen stehen für eine Tüte mit Gemüse und Brot, tut das schon weh. Das sind Leute, die ein Leben lang gearbeitet haben und die hier mitten unter uns leben."

Eine Aufgabe mit Sinn

Auch Jenö war für ein halbes Jahr einer von ihnen. Aufgrund seiner sozialen Situation hatte er solche Ängste entwickelt, dass er nicht mit den anderen draußen warten konnte, sondern alleine im Flur des Kirchengebäudes hockte. Heute, nachdem er seit sechs Jahren im Team dabei ist, ist er mit seiner humorvollen, anpackenden Art treibende Kraft der Essensausgabe: Morgens ist er vor halb sieben mit dem LKW in den Supermärkten unterwegs, auf Facebook treibt er Dinge auf, die als persönliche Gabe zu den Nahrungsmitteln in die Tüten kommen: dieses Mal ist es ein Büchlein mit Weihnachtsgeschichten, das wegen des Lockdowns nicht wie vorgesehen in Gaststätten verteilt werden konnten.

Marcus Wergin sagt dazu: "Das haben wir ganz oft, dass Menschen aus dem Tafelmilieu sagen: Hier sehe ich meine Verantwortung, mitzuhelfen. Hier habe ich auch endlich mal wieder eine Aufgabe." Heute jedenfalls, im Gemeinderaum mit den vielen fröhlichen Helferinnen und Helfern mit Weihnachtsmannmützen, zwischen den wohlgefüllten Tüten, aus denen vereinzelt die Schnauze eines Stofftieres herausragt und den friedlich wartenden Menschen ist es mitten in der Pandemie deutlich zu spüren – das Licht der Weihnachtshoffnung.

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