Studienergebnis: Evangelische Kirche hat die digitale Feuertaufe bestanden
16. Juni 2021
Kirche hat sich bewegt und vielseitige digitale Angebote im ersten Corona-Lockdown gemacht. Zu diesem Ergebnis kommt die internationale CONTOC-Studie, eine Gemeinschaftsarbeit mehrerer Hochschulen und Universitäten mit dem Sozialwissenschaftlichen Institut (SI) der EKD. Aber: Während Gottesdienste und Andachten gut online umgesetzt werden konnten, gibt es in den Bereichen Bildung und Diakonie noch viel Luft nach oben.
Online-Gottesdienste: Eine Erfolgsstory am Beispiel des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg
Befragt wurden für die Studie "Churches Online in Times of Corona", kurz CONTOC, Hauptamtliche im Zeitraum Ende Mai 2020 bis Mitte Juli 2020 zu ihren Erfahrungen im ersten Lockdown (Ostern bis Pfingsten 2020). Im Zentrum der ökumenischen Online-Erhebung, die in mehreren Ländern durchgeführt wurde, stand unter anderem die Frage, welche Auswirkungen der erste Lockdown auf die pastoralen Aufgaben und das kirchliche Rollenverständnis gehabt hat. Allein in Deutschland sind so mehr als 3000 Datensätze zusammengekommen, die Mehrheit davon aus dem evangelischen Bereich.
Digitalisierung wird als Chance begriffen
Ein herausstechendes Ergebnis für den deutschen Raum ist, dass die Digitalisierung von den Hauptamtlichen mehrheitlich positiv gesehen wird: Dreiviertel der Befragten bewerten den Digitalisierungsprozess innerhalb kirchlicher Kommunikation eher als Chance denn als Risiko. Auch beschreiben die Befragten sich selbst als größtenteils digital affin, obwohl viele von ihnen beruflich zum ersten Mal online kreativ wurden. So unterbreiteten die meisten befragten Kirchen während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 digitale gottesdienstliche Angebote. Die Studie zeigt aber auch: Etwa 20 Prozent der evangelischen Studienteilnehmer verzichteten darauf, bei den katholischen Studienteilnehmern sind es 36 Prozent.
Mehr zu den Studieninhalten und Ergebnissen gibt es auf contoc.org
Eine Technikangst konnten die Forscher nicht feststellen. Ebenso habe der Digitalisierungsprozess keine Erschütterung des Rollenverständnisses beziehungsweise zu einem Funktionsverlust der Befragten geführt: Die Gemeindeleitung wird als ebenso wichtig empfungen wie zuvor. Jeder fünfte der evangelischen Befragten sieht die eigenen Bedeutung im Gottesdienst durch den Einsatz digitaler Tools und Formate sogar gestärkt.
Bildung vernachlässigt
Auffällig ist jedoch, dass die digitale Kommunikation in der Selbsteinschätzung der Beteiligten nicht in allen Bereichen pastoralen Handeln gleich gut funktioniert hat: Wärend die evangelischen Gemeindepastorinnen und -pastoren kaum Zweifel daran hatten, der Rolle als Liturgin beziehungsweise Liturg gerecht geworden zu sein, sprachen über die Hälfte der Teilnehmer davon, ihre seelsorgerischen Aufgaben in der Zeit des Lockdowns nicht voll umfänglich ausgefüllt zu haben. Die Analyse zeigt auch, dass hier deutlich weniger digitale Tools zum Einsatz kamen als im gottesdienstlichen Bereich: In dieser Zeit beschränkte sich die Seelsorge hauptsächlich auf Telefonate (Audio, nicht Video).
Ein eher düsteres Bild zeigt sich beim Thema Bildung: Hier machten die Kirchen im 1. Lockdown nur wenige digitale Angebote. Für Senioren gab es sowohl im katholischen als auch im evangelischen Raum so gut wie keine Beteiligungsformate. Auch für Kinder stellten nur rund ein Drittel der Befragten Angebote auf die Beine. Der Wert für Jugendliche liegt noch darunter (ausgenommen sind hier aber digitale Konfirmanden-Unterrichtsformate, ihre Quote liegt bei immerhin 43 Prozent).
Stärkere Kooperation gewünscht
Zusammengefast gebe es in den Bereichen Diakonie und Bildung "den größten Förderbedarf", sagt Professorin und Studienintiatorin Dr. Ilona Nord vom Institut für Evangelische Theologie der Universität Würzburg. Der Weg von einer digitalisierten zu einer digitalen Kirche sei noch lang, fügte Thomas Schlag, Professor für Praktische Theologie an der Universität Zürich und Vorsitzender der Leitung des Zentrums für Kirchenentwicklung, hinzu. Denn er erfordere, dass man "sich auf die neuen Logiken der Onlinekommunikation" einlässt. Dazu gehöre etwa, dass man sie nicht als Sende-Mittel, sondern als Interaktion begreife.
Bestanden sei die digitale Feuertaufe aber allemal, so Professorin Nord. "Es kann keine Rede davon sein, dass die Kirchen mit dem Rücken an der Wand stehen. Das Ergebnis ist doch: Ja, wir wollen uns verändern und ja, wir haben dazugelernt. Jetzt braucht es die Unterstützung der Institutionen", sagt sie. Denn eine Lehre aus der Studie sei, dass Netzwerke die Umsetzung digitaler Kommunikation erleichtern können. Für die Zukunft sei eine stärkere Kooperation und Bündelung von Support-Leistungen auf regionaler Ebene deshalb sinnvoll.