Afghanistan - Bischöfin Fehrs hält Zwangsrückkehr in das Land für problematisch
19. Dezember 2016
Die erste Sammelabschiebung von Afghanen sorgt für Protest. Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs hält Abschiebungen nach Afghanistan für problematisch, EKD-Ratschef Bedford-Strohm zeigt grundsätzlich aber Verständnis für Abschiebungen.
Die erste Sammelabschiebung von Deutschland nach Afghanistan hat empörte Reaktionen hervorgerufen. Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs appellierte an die Bundesregierung, Flüchtlinge nicht in derartige Gefahren für Leib und Leben zurückzuschicken. Aus den Berichten kirchlicher Flüchtlingsberater wisse sie, dass die Lage in Afghanistan "weit davon entfernt ist, sicher zu sein", sagte Fehrs.
Die jüngsten Abschiebungen würden viele Flüchtlinge aus Afghanistan in große Angst versetzen. Dies gelte besonders für Angehörige religiöser Minderheiten. Traditionell leben aufgrund der Handelsbeziehungen viele Afghanen in Hamburg. Mit mehr als 35.000 Mitgliedern stellt Afghanistan sechs Prozent der ausländischen Bevölkerung in Hamburg.
Heinrich Bedford-Strohm: "Abschiebungen nach Afghanistan bleiben problematisch"
Linkspartei-Chefin Katja Kipping sagte mit Verweis auf die instabile Sicherheitslage, Massenabschiebungen dorthin seien "menschenrechtswidrig". Kritik kam auch von der evangelischen Kirche. Solange es Zweifel an der Sicherheit gebe, "bleiben Abschiebungen nach Afghanistan problematisch", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. In einem Gespräch mit dem epd betonte er aber auch, dass es die Möglichkeit zur Rückführung geben müsse, wenn ein rechtsstaatliches Verfahren fair beendet wurde: "Es ist richtig, das Recht zu beachten."
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bestätigte am Donnerstag in Berlin, dass in der Nacht zuvor 34 Afghanen per Charterflug zwangsweise zurück in ihr Heimatland gebracht wurden. Die Passagiere waren abgelehnte Asylbewerber. Ein Drittel war de Maizière zufolge straffällig geworden. Teilweise wurden die Betroffenen aus dem Strafvollzug heraus abgeschoben.
"Solche Rückführungsaktionen sind richtig und notwendig, um unser Asylsystem funktionsfähig zu halten", sagte de Maizière. Der Minister betonte, dass er eigentlich auf die freiwillige Ausreise setze. 3.200 Afghanen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, haben demnach in diesem Jahr Deutschland wieder freiwillig verlassen - ein Vielfaches der bis vor kurzem gerade einmal 29, jetzt 63 abgeschobenen Afghanen. De Maizière betonte, die Sicherheitslage in Afghanistan bleibe insgesamt nicht einfach. In verschiedenen Gebieten sei es aber hinreichend sicher für die Bevölkerung.
Menschenrechtsbeauftragte: Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nirgendwo gut
Skepsis an dieser Aussage kam selbst von Kollegen in der Bundesregierung. "Ich habe bisher keinen Bericht gesehen, der mir den Eindruck vermittelt, es gebe in Afghanistan sichere Regionen", sagte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), der "Augsburger Allgemeinen" (Freitag). Die Sicherheitslage in Afghanistan sei nirgendwo gut. Alle Abschiebungen dorthin sollten sofort gestoppt werden.
Ähnliche Forderungen kamen auch aus der evangelischen Kirche. "Abschiebungen nach Afghanistan sind derzeit aufgrund der instabilen Lage vor Ort nicht zu rechtfertigen", sagte der EKD-Bevollmächtigte in Berlin, Martin Dutzmann. "Natürlich müssten Abschiebungen von Personen, deren rechtsstaatliches Verfahren fair beendet wurde, selbstverständlicher Teil des Asylsystems in Deutschland sein", sagte er und verwies damit indirekt auf Interviewaussagen Bedford-Strohms. "Aber wir alle wissen, dass die Menschenrechts- und Sicherheitslage in Afghanistan hoch bedenklich ist", ergänzte er.
Hintergrund:
12.500 Afghanen in Deutschland gelten als ausreisepflichtig, die überwiegende Mehrheit hat eine Duldung aus verschiedensten Gründen. Wie viele davon also tatsächlich abgeschoben werden können, weiß das Bundesinnenministerium nach eigenen Angaben nicht. Die Länder sind dafür zuständig, die Einzelfälle zu verfolgen und tun das dem Vernehmen nach unterschiedlich konsequent. An der Sammelabschiebung hatten sich Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland beteiligt.