Dauerstreit um St. Georgen beendet – nach 20 Jahren
19. November 2014
Wismar. Was wird aus der Kirche St.Georgen? 20 Jahre haben Stadt und Kirchengemeinde um diese Frage gerungen. Jetzt haben sie sich geeinigt: Am Donnerstag wird der Nutzungsvertrag unterzeichnet, von dem beide Parteien sagen, gut mit ihm leben zu können.
Was lange währt, wird endlich gut. Das hofft dieser Tage so mancher in Wismar, wenn er an die wiederaufgebaute Basilika St. Georgen denkt. 20 Jahre lang haben Hansestadt und evangelische Kirchengemeinde um die gemeinsame Nutzung von St. Georgen gerungen. Am Donnerstag (20. November) soll das Vertragswerk unterzeichnet werden. Eigentümerin von St. Georgen, die mit einer Höhe von 58 Metern zu den größten Backsteinkirchen im Norden zählt, ist die Hansestadt Wismar.
Zum Kompromiss gehört, dass die unterschiedlichen Ansichten der Vertragsparteien zur Widmung der Kirche aus der Vereinbarung ausgeklammert wurden. Unzulässig sind danach Veranstaltungen, die nicht der Würde des Raumes oder den Werten des Grundgesetzes entsprechen, oder die sich gegen die Kirche richten. Dazu gehören religiöse Ersatzhandlungen wie Namensgebung und Jugendweihe, sowie Veranstaltungen, die der Verbreitung des Atheismus dienen.
Stadt richtet "Kulturkirche" ein
Die Kirchengemeinde, deren gemeindliches Leben sich vorwiegend in der nahe gelegenen Neuen Kirche abspielt, kann die Georgenkirche für Gottesdienste, Andachten, Amtshandlungen, Konzerte sowie für kirchliche und diakonische Veranstaltungen nutzen. Die Stadt wird in dem 79 Meter langen und 59 Meter breiten Backsteingebäude als "Kulturkirche" unter anderem Ausstellungen, Konzerte, Theater, Kongresse, Empfänge, Kunstmärkte und Bildungsveranstaltungen anbieten.
"Es war wichtig, dass wir gegenseitiges Verständnis entwickelt und nun einen Kompromiss gefunden haben, mit dem alle Beteiligten zufrieden sind", sagt Bürgermeister Thomas Beyer (SPD). Der Nutzungsvertrag biete "eine solide Grundlage". St. Georgen sei ein Ort der Begegnung, der Kunst und Musik und des christlichen Glaubens. Axel Düwel, zweiter Vorsitzender des Kirchengemeinderates, spricht von einer "pragmatischen Vereinbarung". Er dankte den Vertretern der Stadt "für die offene, konstruktive und respektvolle Atmosphäre während der letzten Verhandlungsrunden".
Die Stadt führt den gemeinsamen Veranstaltungs- und Terminplan für die Georgenkirche und hat als Eigentümerin der Kirche weiterhin den Kirchenschlüssel. Zukünftig werde aber auch die Kirchengemeinde über einen Schlüssel verfügen, sagt Düwel.
Was passiert mit dem Altar?
Was mit dem restaurierten Hochaltar von St. Georgen geschieht, der immer noch in der Wismarer Nikolaikirche steht, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Restauratoren können bislang nicht sicher einschätzen, welche Auswirkungen eine etwaige Ortsveränderung hätte. Daher sollen zunächst Klimamessungen in beiden Kirchen durchgeführt werden. Düwel: "Wir sind der festen Überzeugung, dass der Hochaltar an seinen angestammten Platz in der St. Georgen-Kirche zurückkehren wird."
Die Vereinbarung regelt auch die Nutzung der benachbarten Marienkirche, von der nur noch der Turm erhalten ist. Ausgenommen aus dem Vertragswerk wurde hingegen die evangelische Stadtkirche St. Nikolai, die in erster Linie religiös genutzt wird. Laut Stadtverwaltung wird mit der Nikolai-Gemeinde über eine mögliche Übereignung der Kirche an die Gemeinde verhandelt.
St. Georgen im Zweiten Weltkrieg zerstört
Die drei Stadtkirchen St. Georgen, St. Marien und St. Nikolai in Wismar waren zu DDR-Zeiten in Volkseigentum übergegangen und wurden 2008 vom Bundesamt für offene Vermögensfragen ins Eigentum der Hansestadt übertragen. Für ihren Erhalt wurde vor vier Jahren eine nichtselbstständige Stadtkirchenstiftung gegründet, die von der Kommune verwaltet wird.
Die vom 13. bis 15. Jahrhundert errichtete Basilika St. Georgen war im April 1945 durch einen britischen Luftangriff schwer beschädigt worden. Zu DDR-Zeiten verfiel sie weiter. Ein Orkan brachte am 25. Januar 1990 den Giebel des Nordquerhauses zum Einsturz. Zwei Kinder wurden damals verletzt und zwei Häuser beschädigt. Danach begannen Sicherung und Wiederaufbau. Knapp 40 Millionen Euro flossen in die Arbeiten. Gut die Hälfte der Gelder kamen von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die St. Georgen zu ihrem größten Förderprojekt und zu ihrem ersten Vorhaben in den neuen Bundesländern machte.