10 Jahre Nordkirche

Altbischof Ulrich: Kirche erzählt kraftvoll vom Glauben

Gerhard Ulrich war der erste Landesbischof der Nordkirche.
Gerhard Ulrich war der erste Landesbischof der Nordkirche. © Stephan Wallocha, epd-Bild

06. Juni 2022 von Kristina Tesch

Er war der erste Landesbischof der Nordkirche, und er war bei den Fusionsverhandlungen von Anfang an dabei: Gerhard Ulrich. Im Gespräch mit Kristina Tesch blickt er zurück auf schwierige Momente – und wie er sie heute beurteilt.

Schwierige Diskussionen, lange Nächte der Verhandlung: Im Gespräch blickt Altbischof Ulrich zurück auf die Entstehungsgeschichte der Nordkirche. 

Als es losging mit der Fusion, hatten Sie da Bedenken, ob das überhaupt klappen kann?

Gerhard Ulrich: Das ist nicht so einfach zu beantworten. Als wir loslegten, hatten wir ja schon eine gemeinsame Geschichte hinter uns. Wir hatten einen Kooperationsausschuss, wir hatten gute und lange Geschichten zwischen Gemeinden, zwischen pommerschen Gemeinden und nordelbischen, zwischen nordelbischen und mecklenburgischen.

Wir haben gemeinsame Projekte auf den Weg gebracht. Wir haben in der Ausbildung der Vikarinnen und Vikare zusammengearbeitet und an vielen, vielen Punkten mehr, sodass ich damals fest davon überzeugt war, das wird gut gehen, und das gehört auch zusammen – in diesem gemeinsamen Geschichtsraum mit mehr als 40 Jahren Partnerschaft.

Als die Verhandlungen dann losgingen, gab es aber schon Phasen, in denen doch sehr deutlich wurde, wie unterschiedlich diese drei Partnerkirchen doch waren – und übrigens auch immer noch sind, wenn man die jeweiligen Teile der Nordkirche anguckt. Und das war schon eine Herausforderung, sich den sehr unterschiedlichen Geschichten zu stellen.

Aber die Bedenken und die Sorgen wurden immer dann aufgelöst, wenn wir miteinander nicht nur dabei waren, eine neue Verfassung zu schreiben, das war ja schwer genug, sondern wenn wir uns die Zeit genommen haben, uns gegenseitig unsere Geschichten zu erzählen, wie wir unseren Glauben leben, im Osten und im Westen. Wenn wir uns diese Geschichten erzählten, dann haben wir voneinander gelernt, und dann taten sich Wege auf im Zueinander.

Gab es Situationen, in denen Sie gezweifelt haben und dachten, das war es jetzt?

Natürlich gab es das immer wieder für alle Beteiligten. Und natürlich haben wir einander manchmal auch richtig geärgert. So, dass wir gesagt haben, jetzt machen wir hier mal Schluss und legen das weg und machen woanders weiter. Durch größtmögliche Offenheit und das, was wir damals Augenhöhe genannt haben, haben wir es aber geschafft, immer wieder zueinanderzukommen.

Wir haben von Anfang an gesagt, es gibt hier nicht das, was man aus den letzten Jahrzehnten kannte, einen Anschluss von Ost nach West, sondern wir verhandeln hier auf Augenhöhe. Es sind drei Partnerkirchen mit höchst unterschiedlichen Geschichten, aber wir verhandeln auf Augenhöhe.

Würden Sie sagen, dass man heute einen gemeinsamen Spirit bei allen Partnern erkennt – von Angeln über Billstedt bis nach Demmin?

Ich glaube, dass es nach wie vor ein Grummeln bei verschiedenen Menschen gibt, die sich zum Beispiel auf den Weg machen müssen, um an Gremien teilzunehmen. In den vergangenen Jahren der Pandemie hat die Möglichkeit von Zoomsitzungen das ein wenig unsichtbarer gemacht, aber ich weiß, dass wir immer wieder die Diskussion der langen Wege hatten. Das ist sicher etwas, das bleiben wird, dass man diese Beschwerlichkeit auch immer mal wieder anmerken wird.

Ansonsten glaube ich, dass dieser gemeinsame Spirit, wenn man es so nennen will, darin liegt, dass wir als evangelisch-lutherische Kirche in Norddeutschland ein unverzichtbarer Partner für die Gesellschaft sind. Wir sind mit unseren Diensten und Werken von großer Bedeutung für politische und kommunale Gremien, und wir sind mit unseren Gemeinden nach wie vor ein wichtiges Element des kulturellen Gedächtnisses der Menschen.

Gerade in einer Zeit, in der die Mobilität und die Globalisierung wachsen, in einer Zeit, in der wir uns nicht mehr sicher sein können, dass der Frieden, an den wir uns gewöhnt haben, erhalten bleiben kann. Gerade, wenn wir schauen, mit welcher Gewalt Kriege und Kriegsverbrechen begangen werden, dann sind unsere Gemeinden wichtig – als Räume, in denen wir uns vergewissern, was unser Leben trägt und was wir für eine Botschaft aussenden können, damit die Menschen hoff nungsfroh und gewiss ihr Leben gestalten in eine Zukunft, die alles Leid und allen Unfrieden überwinden kann.

Schaut man auf damals und heute, so hat die Nordkirche knapp eine halbe Million Mitglieder verloren. Ist die Nordkirche vielleicht doch ein zu großes und unüberschaubares Ungetüm für die Menschen, fühlen sie sich vielleicht gar nicht mehr zugehörig?

Das geht in den Bereich des Spekulativen hinein. Ich weiß, dass immer wieder Menschen davor gewarnt haben, dass es so kommen würde, damals, als wir auf dem Weg zu einer neuen gemeinsamen Kirche waren. Dass es zu groß ist, zu anonym, und dass die Menschen nicht mehr wissen, wo sie sich orientieren können. Das ist ein Einwand, den man nach wie vor ernst nehmen muss. Aber ich glaube nicht, dass die Entfremdung, die wir erleben und die sich ausdrückt in kleiner werdenden Zahlen und die sich auch ausdrückt im gefühlten Bedeutungsverlust unserer Kirche, ein Ergebnis der Fusion ist.

Ich denke, dass die Fusion geholfen hat, das Überleben vieler Gemeinden vor Ort zu sichern. Die Gemeinden sind nach wie vor die Orte der Zufl ucht, Orte, an denen Lebensgeschichten begleitet werden, Orte der Seelsorge und des Unterrichts. Ich glaube dass wir eine Entfremdung der Menschen und eine Gottvergessenheit erleben, die ja nicht erst 2012 mit der Gründung der Nordkirche eingesetzt hat, sondern hier haben wir eine viel tiefer liegende Anfrage an uns und unseren Auftrag. Das muss uns doch dazu bewegen, uns anzuschauen, mit welcher Sprache und welchen Formaten wir heute unseren Verkündigungsdienst in die Gesellscahft hineinbringen.

Im Übrigen glaube ich, dass die Bedeutung unserer Kirche, auch der Nordkirche, nicht allein in Zahlen liegt. Es wäre ein falscher Weg, wenn wir uns davon den Mut nehmen lassen würden.

Was würden Sie sagen, ist die Fusion gelungen?

Ja, ich finde sie gelungen. Ich habe schon in meinen letzten Jahren als aktiver Bischof den Eindruck gehabt, dass immer mehr selbstverständlich geworden ist, dass immer mehr zusammengewachsen ist. Die Fusion ist auch darin gelungen, dass es immer noch unterschiedliche Stimmen gibt. Sie ist auch darin gelungen, dass es immer noch scheinbar nicht zu Vereinbarendes gibt. Sie ist auch darin gelungen, dass sich manchmal die Kulturen darin immer noch aneinander reiben. Das halte ich für gelungen. Und das ist eigentlich auch das, was wir damals gewollt haben.

Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir heute noch als drei eigenständige Kirchen in dieser Welt bestehen könnten. Ich glaube, dass es gelungen ist, viele unterschiedliche Menschen mit dieser Vielfalt des Glaubens gemeinsam auf den Weg zu bringen. Das ist für mich das Entscheidende, dass das Wort Gottes hörbar wird in unseren Kirchen und in den Stimmen der Menschen, die das Wort Gottes vor Ort leben. Ich finde, diese Kirche erzählt kraftvoll vom Glauben.

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