Diakonie fordert mehr Personal für Jugendhilfe
15. Juni 2021
Kinder und Jugendliche haben es in der Pandemie besonders schwer gehabt. Insbesondere jene, die in Wohngruppen leben, haben massive Einschränkungen hinnehmen müssen. Die Diakonie Schleswig-Holstein fordert deswegen schnelle Impfungen mit mobilen Teams und mehr Personal, um viele pädagogische und soziale Angebote wieder aufleben lassen zu können.
"Hinter den Wohngruppen der stationären Kinder- und Jugendhilfe liegen harte Monate", sagt Landespastor und Diakonie-Vorstand Heiko Naß. Konkret habe es zeitweise nur digitalen Kontakt zu den Eltern gegeben, keine Ausflugsmöglichkeiten sowie kaum Gruppenaktivitäten in Vereinen oder anderen Institutionen außerhalb der Wohngruppen.
Dank an alle, die durchgehalten haben
"Ich habe großen Respekt vor den Kindern und Jugendlichen und wie sie diese Zeit mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen und Homeschooling gemeistert haben. Wie viele andere junge Menschen zeigten sie sich solidarisch mit den alten und von der Pandemie besonders gefährdeten Menschen", so Naß. Er sprach auch den Betreuerinnen und Betreuern seinen Dank aus. Teilweise hätten sie tage- oder sogar wochenlang in den Einrichtungen gelebt und sich mit in die Isolation begeben, um die Situation für die in Quarantäne befindlichen Kinder erträglich zu machen.
Bis heute seien nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geimpft, weil sie in die Prio-Gruppe 3 fallen und wegen des Ansturms auf die Impfzentren und Hausärzte bislang keine Termine erhalten hätten, so Diakoniepastor Naß. Angesichts dieser Situation fordert die Diakonie den verstärkten Einsatz von mobilen Impfteams in den Einrichtungen.
"Ein Jahr ist eine ganze Welt"
Ebenso sei ein höherer Personalschlüssel dringend erforderlich. Bislang gilt ein Schlüssel von 5:10. Nötig seien nach Einschätzung der Diakonie aber mindestens sechs bis sieben Betreuerinnen und Betreuer auf zehn Kinder und Jugendliche in einer Wohngruppe, um qualitativ arbeiten zu können. Denn es ginge nicht nur darum schulische Lerninhalte aus dem vergangenen Jahr aufzuholen, sondern vor allem darum, die soziale Kompetenz der Kinder und Jugendlichen zu stärken.
"Ein Jahr ist für Kinder und Jugendliche eine ganze Welt", verdeutlicht Phillip Diestel, Referent für Kinder- und Jugendhilfe beim Diakonischen Werk Schleswig-Holstein, die immense Dimension des Verzichts, den die Corona-Pandemie für Kinder- und Jugendliche bedeutet.
Viele weitere Fälle von Kindeswohlgefährdung
Das Corona-Aufholprogramm der Bundesregierung sei vor diesem Hintergrund zwar begrüßenswert, könne aber nicht alles abdecken. "Man kann nicht alles aufholen, was verloren wurde", bekräftigt Claudia Langholz, Geschäftsführerin Kinder- und Jugendhilfe in der NGD-Gruppe. Trotzdem müsse man nun nach vorne schauen. Das Ziel seien vielseitige Angebote und Begegnungsräume, die den Kindern und Jugendlichen nach dieser schweren Zeit Freude bringen und die Gemeinschaft stärken. Dazu gehören Ferienfreizeiten genauso wie das Engagement in der freiwilligen Feuerwehr oder dem Sportverein.
Pandemie "wirkt wie ein Brennglas"
Doch dazu brauche es Gelder und qualifizierte Betreuerinnen und Betreuer. Zumal die Diakonie damit rechnet, dass erst mit den jetzigen Corona-Lockerungen viele weitere Fälle von Kindeswohlgefährdung offenbar werden, die in den Einrichtungen aufgearbeitet werden müssen.
Insgesamt habe die Pandemie "wie ein Brennglas" gewirkt, so Langholz: Das strukturelle Problem der angespannten Personaldecke in der Kinder- und Jugendhilfe trete nun überdeutlich hervor.
Die Diakonie bemüht sich um eine höherer gesellschaftliche Wertschätzung von erzieherischen und pflegenden Berufen. Sie hat dazu unter #wirklichmachen eine Imagekampagne für "Jobs mit Wert" gestartet.