Kommentar zum Internationalen Frauentag

Weltfrauentag: Sagt mal, was schief läuft!

Mit Schwung zu mehr Gerechtigkeit: Der Weltfrauentag ist dazu da, Schieflagen zu benennen. Nicht um zu nörgeln, sondern um Veränderungen anzustoßen.
Mit Schwung zu mehr Gerechtigkeit: Der Weltfrauentag ist dazu da, Schieflagen zu benennen. Nicht um zu nörgeln, sondern um Veränderungen anzustoßen. © Pixabay

07. März 2023 von Julia Krause

Berlin hat es vorgemacht, in diesem Jahr begeht ihn auch Mecklenburg-Vorpommern das erste Mal als einen gesetzlichen Feiertag: Die Rede ist vom Weltfrauentag. Warum er 2023 auch in Deutschland immer noch wichtig ist? Zum Beispiel, weil er uns einen Anlass gibt, Schieflagen klar zu benennen.

1993 wurde Heide Simonis in Schleswig-Holstein als erste Frau überhaupt zur Ministerpräsidentin gewählt. 2005 entschied Angela Merkel unter den ungläubigen Blicken von Altkanzler Gerhard Schröder die Wahl zur Bundeskanzlerin für sich.

Öffentliche Debatte begünstigt Veränderungen

Es sind Meilensteine, die einen Wandel markieren: Frauen treten aus dem Hintergrund, sie übernehmen Führungspositionen in Ämtern, die zuvor ausschließlich von männlichen Kollegen besetzt und geprägt waren. Sie lassen sich damit auch öffentlich messen. Beurteilt wird jedoch oft nicht nur ihre berufliche Leistung, sondern auch ihr Auftreten und Aussehen. 

Sexismus in der öffentlichen Debatte ist bis heute keine Seltenheit – ob bei Politikerinnen wie Annalena Baerbock, Journalistinnen wie Dunja Hayali oder Comedians wie Carolin Kebekus: Sie alle haben sexistische Kommentare und Drohungen erhalten. Anders als die Generation von erfolgreichen Frauen vor ihnen sprechen sie jedoch öffentlich darüber. Sie kehren gewissermaßen den Spieß um – und stellen diejenigen bloß, die sie verletzen wollten. 

Es ist auch der Verdienst von bekannten Frauen, die ihre Erfahrungen teilten, dass wir inzwischen anders über sexuelle Gewalt sprechen. Sie ist keine Bagatelle mehr – und wird auch nicht mehr als "selber schuld" abgetan. 

Vor dem Gesetz gleich, im Alltag nicht

Über Ungerechtigkeiten zu reden ist wichtig, um ihre Tragweite zu erkennen, Unterstützer:innen zu gewinnen und somit die Hebel auf Veränderung setzen zu können. Und genau das sollte der Weltfrauentag uns in Erinnerung rufen. Gesetzlich ist diese Gleichbehandlung in Deutschland zwar längst festgeschrieben. In der Praxis gibt es jedoch Bereiche, in denen die Geschlechtergerechtigkeit noch keine Realität ist – ob in der Medizin, Forschung oder beim Gehalt. 

Ein Beispiel: Jahrzehntelang wurden Medikamente nur an männlichen Probanden getestet, erst seit den 1990ern sind auch Frauen in den Versuchsreihen vorgeschrieben. Die Folgen halten jedoch bis heute an: Aufgrund der fehlenden Datenlage werden Frauen Medikamente mitunter nach wie vor in falscher Dosierung verschrieben. Bezeichnet wird dieses Phänomen als Gender-Data-Gap

Einseitige Forschung 

Bei der Erforschung von Verhütungsmitteln ist die Lage genau andersherum, was aber ebenfalls nicht zu mehr Gleichberechtigung führt: Bis heute gibt es fast ausschließlich Präparate für die Frau. Die einzig größere Studie zur Entwicklung einer hormonellen Verhütungsmethode für den Mann wurde eingestellt.

Statistiken zum Nachlesen im WSI Gender-Daten-Portal

Einerseits bedeutet dies, dass Frauen es seit den 1960er Jahren zwar selbst in der Hand haben, ungeplante Schwangerschaften zu verhindern. Anderseits ist auch das Risiko, in Folge hormoneller Verhütungsmethoden an Nebenwirkungen zu erkranken einseitig verteilt. Konkret bedeutet dies für betreffenden Frauen etwa eine erhöhte Gefahr von Thrombose- und Herz-Kreislauferkrankungen.

Kampf ums Thermostat

Weniger gravierend, aber eben doch nicht ganz fair, ist die Festlegung der Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden und Büros in der Energiekrise: Sie basiert auf der Annahme, dass eine Temperatur von 19 Grad am Arbeitsplatz für das allgemeine Wohlbefinden ausreichend ist.

Während Männer bei dieser Temperatur in der Regel noch nicht frieren, sieht das bei Frauen anders aus: Sie haben weniger Muskelmasse und dünnere Haut und leiden deswegen schneller an Kälte. Damit einher gehe eine Konzentrationsschwäche, besagt die Studie "Battle of the thermostate. Gender and die effect of temperature on cognitive performance" aus dem Jahre 2019. 

Familienspaziergang mit Kleinkind
Perfekte Balance? Die Care-Arbeit innerhalb der Familie wird nicht mehr ausschließlich von Frauen erledigt, aber immer noch zu großen Anteilen. © Pixabay

Unbezahlte Care-Arbeit ist Frauensache

Vielleicht am deutlichsten zu erkennen ist die Ungleichbehandlung aber beim Thema Job und Gehalt: Laut Bundesamt für Statistik verdienen Frauen in Deutschland aktuell 18 Prozent weniger als Männer. Gleichzeitig leisten sie dafür anderthalbmal so viel unbezahlte Care-Arbeit. 

"Formal gibt es in Deutschland die Gleichberechtigung der Geschlechter, in vielen Bereichen hapert es aber an der praktischen Umsetzung und nach Corona teilweise sogar stärker als zuvor", sagt Kristin Alheit, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hamburg. 

Weniger Gehalt, weniger Altersabsicherung

Besonders in den Blick zu nehmen ist dabei die Sorge-Arbeit, die unentgeltlich in der Pflege von Senioren und Kindern geleistet wird: So nehmen derzeit nur etwa die Hälfte der Väter ihren Anspruch auf Elternzeit wahr – und dann nur für einen kurzen Zeitraum. Umgekehrt bedeutet das: Fast alle Frauen mit Kindern bleiben für die Familie eine längere Zeit zuhause und verzichten damit auf einen Teil ihres Gehalts und perspektivisch gesehen auch auf einen Teil ihrer Rente. 

Anlässlich des Weltfrauentags fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband daher unter anderem eine bessere Familienförderung und mehr Frauenquoten. Denn selbst wenn heute mehr Frauen als Männer einen Hochschulabschluss machen, sind sie in Vorstandsposten und Aufsichtsräten noch immer in der Minderzahl. 

Mehr Lob für männliche Kollegen

"Die Firmenspitzen der 100 größten deutschen börsennotierten Unternehmen sind von Geschlechterparität weit entfernt: Im Aufsichtsrat ist gut jedes dritte Mitglied weiblich (35 Prozent). Im Vorstand liegt der Frauenanteil bei nur 15 Prozent", heißt es im Gender Diversity Index Germany 2022. Die Autor:innen der Studie beurteilen die Entwicklung als nahezu stagnierend. Weder bei Neubesetzungen im Vorstand noch bei der Beförderung von Frauen in der ersten und zweiten Riege unter dem Vorstand gebe es signifikante Steigerungen.

Ein Grund dafür sei, dass vielen Unternehmen der Kulturwandel bis heute schwer falle – und sie als Arbeitgeber für Frauen somit wenig attraktiv wirken. Als Beispiel für eine latente aber dennoch messbare Ungleichbehandlung nennt die Studie die Beurteilung von Frauen und Männern in Pressemitteilungen: So würden bei der Vorstellung von Führungskräften mehr Kompetenzen aufgezählt, wenn der Posten an einen Mann vergeben wird.

Nordkirche setzt paritätische Besetzung durch

Die gute Nachricht: Es gibt Arbeitgeber, die andere Trends setzen. Dazu zählen auch die evangelischen Landeskirchen. Insgesamt hat die Evangelische Kirche zum jetzigen Stand ein Frauenübergewicht: 184.677 von insgesamt 237.025 Beschäftgten sind weiblich. In der Nordkirche sind sogar 16.231 von 21.349 Arbeitnehmer:innen weiblich.

Das mag daran liegen, dass die soziale Arbeit in diesem Umfeld überwiegt. Im Bundesdurchschnitt sind nur drei von zehn Beschäftigten in sozialen Berufen männlich. Die Evangelische Kirche bildet hier keine Ausnahme. Sie setzt zumindest aber Maßstäbe bei der Besetzung ihres höchsten Gremiums: Der Rat der EKD ist paritätisch besetzt – mit sieben Frauen und sieben Männern. Die Nordkirche hat jüngst ebenfalls eine paritätische Besetzung ihrer Synode beschlossen: Künftig müssen genauso viele Frauen wie Männer über Kirchengesetze entscheiden. 

Eine solche Quotenregelung mag auf den ersten Blick sperrig erscheinen. Sie ist im Bemühen um Fairness dennoch richtig – auch den Männern gegenüber. 

Hintergrund: Weltfrauentag 

Zum Internationalen Frauentag am 8. März gehen Frauen weltweit für ihre Rechte an die Öffentlichkeit. In Mecklenburg-Vorpommern ist der Frauentag in diesem Jahr erstmals ein gesetzlicher Feiertag. Das Land Berlin hat den Frauentag bereits 2019 als gesetzlichen Feiertag eingeführt.

Erste Anregungen zu einem Frauentag kamen von Frauendemonstrationen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den USA. Die Startinitiative folgte dann aus der sozialistischen und sozialdemokratischen Arbeiterbewegung vor dem Ersten Weltkrieg (1914-1918). 1910 beschloss die Sozialistische Internationale der Frauen in Kopenhagen, jedes Jahr mit einem Aktionstag den Kampf der Frauen für mehr Rechte und bessere Lebensbedingungen voranzutreiben.

Bereits im März 1911 gingen rund eine Million Frauen in Deutschland, Dänemark, Österreich-Ungarn und der Schweiz auf die Straßen. Erste Forderung war das Frauenwahlrecht, das in Deutschland 1918 durchgesetzt wurde. Am 19. Januar 1919 konnten Frauen erstmals an einer landesweiten Wahl teilnehmen, als eine verfassunggebende Nationalversammlung gewählt wurde. Die Frauen kämpften zudem für kürzere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn, niedrigere Lebensmittelpreise, eine regelmäßige Schulspeisung und legalen Schwangerschaftsabbruch.

Während des Ersten Weltkriegs und unter der NS-Diktatur war der „sozialistische“ Feiertag verboten. Die Nationalsozialisten propagierten stattdessen den Muttertag, der ihrem Frauenbild eher entsprach. Doch im Untergrund lebte der Frauentag weiter: Wer am 8. März seine rote Wäsche im Fenster auslüftete, gab damit ein politisches Statement ab.

Nach 1945 entzweite der Kalte Krieg auch den Frauentag. Im Westen verlor er an Bedeutung, wurde dann vor allem von der Frauen- und Friedensbewegung ab Ende der 1960er-Jahre begangen. In der DDR entwickelte sich der 8. März vielfach zum „sozialistischen Muttertag“, an dem Kinder der Mutter Blumen oder selbst gemalte Bilder schenkten. 1977 führten die Vereinten Nationen den Weltfrauentag als offiziellen UN-Tag ein.

Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sind bislang die beiden einzigen deutschen Bundesländer, in denen der Frauentag ein gesetzlicher Feiertag ist.

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