Journal zur Landessynode im November 2025, Tag 2
21. November 2025
Unsere Landessynode tagt bis Sonnabend in Lübeck-Travemünde. An Tag ein wurde eine neue Kirchenleitung gewählt. Hier in unserem Synoden-Journal berichten wir über Schwerpunkte und Hintergründe. Dies ist die dritte Tagung der III. Landessynode unserer Landeskirche.
Den Livestream und weitere Informationen finden Sie auf dem Portal der Landessynode
Unsere Landessynode hat gestern zu Beginn ihrer Tagung in Lübeck-Travemünde die Kirchenleitung neu gewählt. Von den bisherigen 13 gewählten Mitgliedern hatten sechs erneut kandidiert, vier wurden wiedergewählt. Das Durchschnittsalter der gewählten Mitglieder der neuen Kirchenleitung beträgt 48 Jahre.
Themen am Freitag:
Am heutigen Freitag (21. November) berät die Synode unter anderem über die Richtlinien kirchlichen Handelns. Ebenfalls an diesem Tag befasst sich das Kirchenparlament mit der Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte unter dem Titel „Gemeinsame Vergangenheit – Geteilte Verantwortung“. Dieser Punkt wird auch Thema des Synodengottesdienstes ab 17.30 Uhr in der St.-Lorenz-Kirche sein.

"Bella Ciao": Der zweite Tagungstag startet mit einer Andacht
In der Morgenandacht schildert Polizeipastor Patrick Klein aus Hamburg seine Erfahrungen bei der Begleitung der Bereitschaftspolizei, zum Beispiel bei Demonstrationseinsätzen. Dabei höre er oft das weltweit bekannte Protestlied „Bella Ciao“, mal melodisch gesungen, mal gegrölt. Auch alle Einsatzkräfte könnten es mitsingen, so Klein.

Der Theologe erläutert, dass das Lied ursprünglich keine politischen Wurzeln hat, jedoch in der Zeit des Nationalsozialismus neu interpretiert wurde." Heute gilt es als Lied des Widerstands gegen die Mächtigen; als Hymne gegen Rechtsextremismus und Faschismus", so Klein.
So wie denen, die dieses alte Lied singen, geht es auch für uns immer wieder darum, dass wir einen Standpunkt einnehmen. Immer wieder – auch hier in der Synode – fragen wir uns – jede und jeder für sich und wir gemeinsam: 'Wo stehen wir? Und wo wollen wir hin?' Und wir positionieren uns. Gegen Unrecht, gegen Menschenverachtung, gegen Diskriminierung und Hass, für Gerechtigkeit und Nächstenliebe.
Zur Orientierung verweist Klein auf klare ethische Leitlinien: den Satz „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ sowie die Confessio Augustana, die Gehorsam gegenüber der Obrigkeit nur solange fordert, wie dieser ohne Sünde möglich ist – andernfalls gilt es, „Gott mehr zu gehorchen als den Menschen“.

"Wenn ich Sätze wie diese höre und lese, weiß ich, wie ich mich zu verhalten habe, wenn Politik menschenverachtend und hasserfüllt ist. Wenn sich Hass verbreitet ,auch unter den Menschen. Bella Ciao und Amen", beendet Klein seine Andacht.
Grundlinien kirchlichen Lebens
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt bringt das Thema "Richtlinien kirchlichen Handelns" vor der Landessynode ein: "In Taufe, Abendmahl und in den Kasualien können Menschen die Fülle des Lebens, die Gott für uns bereithält, in Worten und Zeichen spüren. Sie erfahren sie ganz unmittelbar. Und zugleich sind all das auch kostbare Gelegenheiten, um mit Menschen an alltäglichen oder für sie bedeutenden Punkten ihres Lebens in Kontakt zu kommen", so Kühnbaum-Schmidt.

"Sie bieten Raum dafür, über das eigene Leben und die Bedeutung des christlichen Glaubens ins Gespräch zu kommen. Und sie sind nicht zuletzt kostbare Gelegenheiten, um selbst zu erkunden und zu lernen, wie das Evangelium heute für Menschen in ihrem Lebensalltag bei festlichen Höhepunkten ebenso wie in tiefen Krisen erfahrbar werden kann", so die Landesbischöfin weiter.
Dafür brauche es bei aller individuellen Gestaltung gemeinsame Verabredungen, um sichtbar und erkennbar gemeinsam in unserer Nordkirche Menschen auf ihrem Weg durch das Leben zeitgemäß begleiten könnten, so die Vorsitzende der Kirchenleitung.
Mit dem Beschluss der neuen Grundlinien schafft die Landessynode ein einheitliches Kirchenrecht und zeitgemäße Regelungen zu kirchlichen Amtshandlungen. Konkret geht es bei dieser Beschlussvorlage um die Anpassung der Kasual-Regelungen an bereits gefasste landeskirchliche Beschlüsse und die gelebte kirchliche Praxis. Dazu zählt etwa die Gleichwertigkeit von Wein und Traubensaft beim Abendmahl. Ebenso dürfen bei der Taufe bald nicht-evangelische Paten stärker einbezogen werden.

Insgesamt öffnet sich die Nordkirche künftig stärker für moderne Gottesdienstformate, vielfältige Familienkonstellationen und mehr Flexibilität im Umgang mit Lebenswegen und Mitgliedschaftsfragen. Die Neuregelung gilt ab Januar 2026.
Priorisierung Zukunftsprozess
Pastor Dirk Ahrens (stellvertretender Vorsitzender der Steuerungsgruppe Zukunftsprozess) gibt den aktuellen Sachstand in Sachen Priorisierungsprozess bekannt: Die Nordkirche hat einen Vorgang angestoßen, bei dem alle ihre Aufgabenfelder priorisiert werden sollen: Welche Aufgaben sollen in Zukunft noch bedient werden, welche müssen aus finanziellen Gründen gestrichen werden?

Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Synodalen bei ihrer letzten Beratung zu dem Schluss gekommen sind, dass ein landeskirchlicher Gesamtprozess sehr ressourcenintensiv ist und die regio-lokalen Entwicklungen in den Kirchenkreisen unterlaufen könnte. Deswegen hat die Steuerungsgruppe verschiedene Modelle entwickelt und bereits bei der vorherigen Synodentagung zur Diskussion gestellt.

Modell A sieht vor, dass auf landeskirchlicher Ebene zentrale Themen benannt und festgelegt werden und dafür zweckgebundene Mittel eingestellt werden.
Modell B geht davon weg. Es bevorzugt eigenständige Prozesse auf landeskirchlicher und Kirchenkreis-Ebene. Dafür braucht es allerdings "tragfähige kommunikative Strukturen, die dazu führen, dass wir zu verlässlichen Verhandlungen und Abschlüssen kommen", so Ahrens.
Bisher gab es kein eindeutiges Votum für eins der beiden Modelle. Die Kirchenleitung wird nun einen Beschlussvorschlag für die kommende Synode erarbeiten. Vor dem Beschluss soll allerdings eine Bestandsaufnahme stehen: Was passiert derzeit in den Kirchenkreisen? Erst wenn darüber ein Überblick besteht, wird die Synode darüber entscheiden, ob sie für Option A oder B stimmt.

Zum Ewigkeitssonntag Interview mit Bestattungs-Pastor Jan Roßmanek: Wie Trauerrituale Halt und Frieden geben
Pastor Patrick Klein stimmt die Synodalen anlässlich des bevorstehenden Ewigkeitssonntags mit einem Text von Henry Scott Holland auf die Mittagspause ein. Holland hatte diesen am 15. Mai 1910 in einer Predigt zum Tode von König Edward VII. vorgetragen:
Tod bedeutet gar nichts. Ich bin nur nach nebenan verschwunden.
Ich bin ich und du bist du.
Was immer wir füreinander waren, das sind wir noch.
Nenne mich bei dem alten vertrauten Namen.
Sprich von mir, wie du es immer getan hast.
Ändere nicht deinen Tonfall.
Zwinge dich nicht zu aufgesetzter Feierlichkeit oder Traurigkeit.
Lache weiterhin über die kleinen Scherze, an denen wir gemeinsam Spaß hatten.
Spiele, lächle, denke an mich, bete für mich.
Lass meinen Namen weiterhin so geläufig sein, wie er immer war.
Sprich ihn unbekümmert aus, ohne die Spur eines Schattens.
Das Leben bedeutet all das, was es bisher bedeutete.
Es ist genauso wie immer. Es geht uneingeschränkt und ununterbrochen weiter. Ist der Tod nicht nur ein unbedeutender Zwischenfall?
Warum sollte ich vergessen sein, nur weil du mich nicht mehr siehst?
Ich warte einstweilen auf dich, ganz in der Nähe, nur um die Ecke. Alles ist gut.
Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit
Bischof Tilman Jeremias spricht auf der Synode als Vorsitzender der Ad-hoc-Arbeitsgruppe über die Besonderheiten der Ost-West-Beziehungen. Zum einen gehe es darum, das problematische Agieren vonseiten der Kirche in der DDR aufzuarbeiten. Hierzu liegen erste Empfehlungen in einem Papier der Arbeitsgruppe vor. Zum anderen gehe es aber auch darum, zu verstehen, warum bei der Betrachtung der Ost-West-Beziehungen noch immer die Unterschiede im Vordergrund stehen.
Mehr zu den Empfehlungen der AG Aufarbeitung
Unsere Pressemitteilung: Bischof Jeremias fordert gesamtdeutsche Aufarbeitung der DDR-Geschichte
35 Jahre nach der Deutschen Einheit spürten wir noch immer eine Spaltung, "die sich nach soziologischen Studien gegenwärtig sogar noch vertieft. Wie kommt das und was können wir gerade als Kirchen tun? Ich wende mich dazu, ermutigt vom Papier der ad-hoc-Gruppe, dazu heute besonders an Sie als Synodale aus den westdeutschen Kirchenkreisen", so Jeremias.

Jeremias wirbt in seiner Ansprache für einen Perspektivwechsel. Zu oft werde über Ostdeutschland geredet, ohne Erfahrungen oder Einblicke in das Leben und die Situation vor Ort zu haben. Dies führe dazu, dass Menschen sich abgehängt und nicht ernst genommen fühlten. Als Beispiel geht er auf die Demonstrationen pro Demokratie und Vielfalt ein. "Wie wärs, wenn wir mal reisen?", fragte er. Es sei etwas anderes, ob man in Hamburg mit 40.000 Gleichgesinnten auf die Straße gehe oder in Mecklenburg-Vorpommern bei einer Demokratie-Demo auf 200 Nazis treffe, sagt er.
Als Gastrednerin spricht Marie Anne Subklew-Jeutner zur Synode. Sie ist Pastorin und arbeitet im Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg. Dort ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen. Zu ihren Spezialgebieten zählen die DDR-Kirchengeschichte, kirchliche Transformations- und Vereinigungsprozesse sowie Friedenstheologie. Sie hat die Aufarbeitung von Schuld und Unrecht der Kirchen zur Zeit der DDR in Berlin-Brandenburg begleitet.
Sie erinnert daran, wie wichtig es für die Betroffenen ist, dass es eine öffentliche Anerkennung des Unrechts gibt. Diese Verantwortung sei eine gemeinsame. Gleichzeitig macht sie klar, dass der Weg kein leichter sei. "Aufarbeitung ist nie ein Spaziergang", sagte sie. "Es ist immer ein schmerzhafter Prozess."
Damit er gelingen könne, brauche es eine Haltung der Demut.

Synodengottesdienst in St. Lorenz
Zum Abschluss des zweiten Tages der Landessynode wird ein Gottesdienst in der Kirche St. Lorenz Travemünde gefeiert. In Verbindung zu dem letzten Tagesordnungpunkt wird er im Stil und somit in wiederauflebender Erinnerung an die Friedensgebete im Herbst 1989 gestaltet. In Marie Anne Subklews Worten „das wunderbare Jahr der Anarchie mit friedlicher Revolution“.

Außerdem wurde die neu gewählte Kirchenleitung in St. Lorenz eingesegnet und die bisherige verabschiedet.



